Stephan Detjen: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben die erste volle Arbeitswoche in diesem Jahr hinter sich, stecken schon wieder voll im europäischen Krisenmanagement, aber die Schlagzeilen beherrscht nach wie vor der Bundespräsident mit seinem unglücklichen persönlichen Krisenmanagement. Wie lange kann sich das Land und wie lange können auch Sie sich das noch leisten?
Angela Merkel: Ich schätze die Arbeit von Christian Wulff sehr. Gerade Themen wie Integration und Zusammenleben in Deutschland hat er immer wieder auf die Tagesordnung gebracht und wird das sicherlich auch in der weiteren Arbeit tun. Was die Fragen, die an ihn gestellt sind, anbelangt, müssen sie beantwortet werden, das findet ja auch statt. Aber für mich ist erst einmal im Vordergrund die Wertschätzung.
Detjen: Hat der Bundespräsident alle Fragen beantwortet, die er beantworten muss?
Merkel: Der Bundespräsident wird, wenn neue Fragen auftreten, auch die beantworten, und diejenigen, die gestellt wurden, sind ja zu einem großen Teil beantwortet. Und wo noch Klärungsbedarf ist, muss das eben erfolgen.
Detjen: Ihre Solidaritäts- und Vertrauensadressen in dieser Woche haben aber noch nicht dazu genügt, auch die Distanzierungen, Nachfolgespekulationen bis hin jetzt auch zu Rücktrittsforderungen aus der eigenen Fraktion, aus der Unionsfraktion, zur Ruhe zu bringen. Was wollen Sie tun, wenn das auch in der nächsten Woche so weitergeht, wenn der Bundestag dann zu seiner ersten Sitzungswoche in diesem Jahr zusammentritt?
Merkel: Wir sind ja ein freies Land, und in einem freien Land werden die Debatten immer so stattfinden, wie sie stattfinden. Ich sage dazu meine Meinung, die habe ich auch eben hier deutlich gemacht. Und ich denke, dass viele diese Meinung auch teilen.
Detjen: Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Peter Altmeier hat per öffentlicher Twitternachricht gefordert, dass – so hat er das wörtlich formuliert – "Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen und Antworten jetzt ins Netz stellt". Ist das nicht auch schon ein Ausdruck für den Verlust an Respekt, auch an Würde, die mit diesem Amt verbunden sein muss, wenn ein Bundespräsident so angesprochen wird aus Ihrer Fraktion?''
Merkel: Ich wiederhole noch einmal das, was ich sage. Ich glaube, dass alles, was an Fragen an den Bundespräsidenten gestellt wird, auch beantwortet werden wird, vieles schon beantwortet ist. Und dem ist aus meiner Sicht auch nichts hinzuzufügen.
Detjen: Christian Wulff selbst hat in seiner Neujahrsansprache an seine Mitarbeiter die Erwartung ausgedrückt, dass, die wie er sagte, die "Stahlgewitter" an ihm vorbeiziehen. Es wurde berichtet, er hat gesagt: "In einem Jahr wird das alles vergessen sein." Ist das richtig?
Merkel: Sie werden verstehen, dass ich zu Berichten aus internen Veranstaltungen jetzt unmöglich Stellung nehmen kann. Ich glaube, dass die Frage wichtig ist, und deshalb sage ich es gerne auch noch einmal, dass die Fragen, die an den Bundespräsidenten gestellt werden, auch wirklich beantwortet werden. Und das ist das, was die Menschen erwarten, mit Recht erwarten, und ansonsten, dass der Bundespräsident eben auch in seiner Arbeit die Akzente setzt, die für unser Land wichtig sind.
Detjen: Und die Frage ist ja, ob er das nach dieser wochenlangen Diskussion, nach der Beschädigung, die er persönlich, aber auch wahrscheinlich das Amt erlitten hat in dieser Zeit, ob und wie er das noch tun kann.
Merkel: Ich denke, er kann es tun, und jetzt warten wir mal den weitern Verlauf des Jahres ab. Aber, wie gesagt, beides gehört zusammen – die Wertschätzung für seine Arbeit und die Beantwortung der Fragen.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, ein Teil der Kritik am Bundespräsidenten richtet sich ja auch gegen Sie – als eine späte Reaktion, als ein spätes Echo noch einmal auf Ihre Entscheidung, Christian Wulff gegen den damals populären, hoch geachteten Gegenkandidaten durchzusetzen. Viele haben gesagt, das war ein rein parteipolitisches Kalkül. Hat es in den letzten Tagen, in den letzten Wochen einmal einen Moment gegeben, wo Sie sich gefragt haben, ob das eine richtige Entscheidung damals war?
Merkel: Es war nach meiner festen Auffassung eine richtige Entscheidung. Sie ist von mir gemeinsam mit den Vorsitzenden der beiden anderen Koalitionsparteien, der FDP und der CSU, als Parteivorsitzende getroffen worden, weil unsere Vorstellungen oder unser Recht – unser Grundgesetz – ja sagt, dass der Bundespräsident von der Bundesversammlung gewählt wird und die Parteien dafür auch Vorschläge machen. Ich glaube, dass dieser Vorschlag richtig war und dass mir damals auch wichtig war, dass jemand einmal Bundespräsident ist, der vielleicht nicht, wie viele Vorgänger, die ja herausragende Arbeit geleistet haben, schon am erkennbaren Ende einer politischen Laufbahn ist, sondern auch jünger ist – mit einer Familie mit Kindern, auch damit ein Zeichen setzen kann für unser Land. Und insofern war diese Entscheidung auch im Rückblick richtig.
Detjen: Aber es geht ja nicht um das Alter, es geht um die Würde, um den auch ganz persönlichen Respekt, den man – und das zeigt sich ja jetzt – von dem Inhaber dieses Amtes erwartet. Was macht das für Sie aus, diese Würde des Amtes, über die jetzt viel geredet wird?''
Merkel: Ja, die Würde des Amtes besteht darin, dass der Bundespräsident die Nummer eins im Staate ist und gerade in wichtigen Phasen des politischen Lebens auch seine Entscheidungen treffen muss. Wir haben das gesehen damals beim Bundespräsidenten Köhler zum Beispiel in der Frage, die der Bundeskanzler Schröder gestellt hat, ob es zu Neuwahlen kommen kann. Das sind ja ganz wichtige Dinge, die Bundespräsidenten zu entscheiden haben. Und ein weiterer Teil der Aufgabe des Bundespräsidenten sind sicherlich auch öffentliche Auftritte, sein Ansehen bei den Bundesbürgern. Ich glaube, wenn Christian Wulff weiter die Fragen auch beantwortet, dann wird diese Würde des Amtes auch durchaus gerechtfertigt durch seine Arbeit.
Detjen: Gibt es dennoch den Moment, wo auch Sie sagen würden, diese Affäre kann zu einem Punkt kommen, wo die Würde des Amtes so beschädigt ist, dass das so nicht weiter geht?
Merkel: Wir reden miteinander hier, und zum jetzigen Zeitpunkt. Es hat keinen Sinn, spekulative Fragen zu stellen. Ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident seine gute Arbeit fortsetzt.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, diese Auseinandersetzung ist auch eine denkwürdige, bemerkenswürdige, viel diskutierte Auseinandersetzung, ein Ringen zwischen den Medien und dem obersten Vertreter des Staates. Wie nehmen Sie die Rolle wahr, die die Medien in dieser Auseinandersetzung spielen? Reagieren sie angemessen? Werden sie ihrem Auftrag des Recherchierens und Nachverfolgens gerecht? Oder nehmen Sie es als eine "Hatz" wahr, wie das manche auch sagen?"
Merkel:Ich glaube nicht, dass es meine Rolle als Bundeskanzlerin ist, jetzt über die Medien zu richten. Es gibt in den Medien selbst Diskussionen über das Selbstverständnis. Für uns als Politiker ist wichtig: Wir sind ein freies demokratisches Land. Zu dem gehören vielfältige Medien, die ein Recht darauf haben, Fragen zu stellen. Die Fragen müssen beantwortet werden, weil Medien letztlich auch Mittler zwischen den Politikern und der Bevölkerung sind. Und deshalb ist in der Vielfalt der Medien eine wichtige Säule unserer demokratischen Ordnung. Und ich werde nicht die Medien bewerten, sondern meine Aufgabe ist es, Politik zu machen.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, wenn die Affäre Wulff nicht wäre, dann könnte man meinen, wir stünden am Anfang dieses Jahres genau da, wo wir vor einem Jahr schon standen. Ohne das Thema Wulff würde die erste und wichtigste Frage genau wie vor zwölf Monaten lauten: Ist Griechenland noch zu retten?"
Merkel: Wenn man genau hinschaut, wird man sehen, dass in dem letzten Jahr ja sehr viel passiert ist. Aber es ist genau das eingetreten, was ich sehr, sehr oft gesagt habe. Die Fragen um den Euro, seine Stabilität, seine Zukunft, die Frage der Verschuldung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die sind nicht innerhalb von wenigen Tagen oder Monaten zu beantworten, sondern es ist ein längerer Prozess, genauso wie Verschuldung über eine lange, lange Zeit entstanden ist. Und im Fall von Griechenland ist der Unterschied zum Beginn des Jahres 2011 darin, dass wir jetzt am Ende des Jahres 2011 ja erkennen mussten, dass Griechenlands Schuldentragfähigkeit nicht gegeben ist. Das heißt, dass man nicht sagen kann, Griechenland hat nur ein kurzfristiges Liquiditätsproblem, sondern Griechenland hat so viele Schulden, dass es mit der eigenen Wirtschaftskraft aus dieser Verschuldung nicht herauskommen kann. Deshalb wird im Augenblick über die Umstrukturierung oder Restrukturierung, das heißt ein Schuldenerlass in Höhe von 50 Prozent verhandelt. Das Ziel dessen, was wir im Oktober verabredet haben, ist, dass dann die Schuldenlast im Jahre 2020 bei 120 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts liegen würde – das heißt also, etwa so hoch wie bei Italien heute. Dann kann man davon ausgehen, dass das Land an den Markt zurückkehren kann. Schon an dieser Zeitdauer sieht man, wie gravierend dieses Problem ist. Also selbst wenn 50 Prozent der Schulden, der privaten Schulden, erlassen werden, wird es noch eine ganze Zeit dauern. Und diese Verhandlungen laufen jetzt, und das ist schon eine erkennbar ganz andere Situation als im Jahr 2011. Aber richtig ist, dass das griechische Problem noch nicht abschließend gelöst ist.
Detjen: Die Troika, die Beobachtermission fährt ja jetzt gerade in diesen Tagen wieder nach Griechenland, schaut, wie die Entwicklungen da vorangekommen sind. Zugleich, Sie haben das angesprochen, wird verhandelt über einen Schuldenerlass der privaten Gläubiger, der Banken, der Hedgefonds. Das entpuppt sich aber als sehr schwierig, es heißt die Verhandlungen sind sogar vom Scheitern bedroht. Wie viel Hilfe braucht Griechenland tatsächlich noch zusätzlich, und wie viel können dann die öffentlichen Haushalte gegebenenfalls noch zuschießen, wenn die Privaten ihre Leistungen, die Sie ja auch immer gefordert haben, nicht in dem versprochenen Umfang erbringen können?
Merkel: Ich gehe erstens davon aus, dass der Internationale Bankenverband zu seinen Verpflichtungen steht, das heißt, dass er das, was im Oktober zugesagt wurde, auch einhält. Und jetzt laufen die Verhandlungen. Es ist sehr schwer, mitten in Verhandlungen jetzt dazu Stellung zu nehmen, was unter welchen Umständen passieren würde. Ich sage, unsere Rahmenbedingungen haben wir gesetzt und das muss jetzt dem Verhandlungsverlauf erst mal überlassen sein. Ich bin auch des Häufigeren mit dem griechischen Premierminister in Kontakt, der mir auch dann immer wieder sagt, dass man mitten im Verhandeln ist.
Detjen: Sie haben bei Ihrem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Anfang dieser Woche noch mal gesagt, Sie wollen Griechenland nicht fallen lassen. Aber irgendwo muss es ja doch einen Punkt geben, wo auch Sie sagen, da ist dann eine Grenze erreicht, da muss man dann ganz offiziell das eingestehen und erklären, was viele schon sagen: Griechenland ist bankrott – und die Konsequenzen daraus ziehen.
Merkel: Die Tatsache, dass wir in Umschuldungsverhandlungen mit Griechenland sind – zwar auf freiwilliger Basis, aber immerhin in Umschuldungsverhandlungen –, zeigt ja, dass die, wie ich sagte, die Schuldentragfähigkeit nicht da ist. Das heißt, dass ohne eine solche Umschuldung Griechenland nicht wieder an den Markt zurückkehren kann. Das hängt auch damit zusammen, dass Vorgaben und Erwartungen der Troika, die an Griechenland gestellt wurden, nicht umgesetzt wurden. Und ich habe bei der Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten auf der einen Seite gesagt, dass wir hier die Dinge natürlich lösen müssen, das ist dringend notwendig, weil sich die griechischen Schwierigkeiten natürlich auch auf den gesamten Euroraum auswirken. Und auf der anderen Seite besteht die Erwartung, dass Griechenland auch die Auflagen, die es ja akzeptiert hat, umsetzt, wobei bei der Frage der Umsetzung in Griechenland das besondere Problem ist, dass viele Dinge zwar gesetzlich verabschiedet sind, aber dann in der praktischen Umsetzung noch nicht so weit realisiert sind, wie wir uns das wünschen würden.
Detjen: Die harten Sparauflagen, die den Griechen aufgelegt worden sind, haben das Land inzwischen in eine tiefe Rezession getrieben. Hat Griechenland überhaupt noch eine Chance, aus eigener Kraft wieder Wirtschaftskraft zu entwickeln, die es dringend benötigt?
Merkel: Ich denke schon. Auf der einen Seite hat Griechenland ja Ausgabenkürzungen vorgenommen. Das führt im Allgemeinen in der Tat dazu, dass die Wirtschaft nicht mehr so wachsen kann. Wir haben aber in vielen Beispielen auf der Welt, wo der IWF ähnliche Programme auch veranlasst hat, erlebt, dass nach einer bestimmten Rezessionsphase dann auch sehr starke Wachstumsphasen kommen, weil es ja nicht nur um Ausgabenreduktion geht, sondern es geht eben vor allen Dingen auch um strukturelle Reformen. Und diese Strukturreformen wirken nie sofort, sondern brauchen eine gewisse Zeit, bevor ihre Wirkung einsetzt und sie müssen dann natürlich auch mit Vehemenz umgesetzt werden. Es sind Fortschritte in Griechenland gemacht worden. Das sagt auch die Troika im Bereich der Ausgabenkürzungen. Ein besonderes Problem in Griechenland ist, dass selbst, wenn Einnahmeverbesserungen verabschiedet wurden, zum Beispiel Steuererhöhungen, daraus noch nicht folgt, dass auch wirklich tatsächlich mehr Einnahmen reinkommen, weil gerade auch die Erhebung oder Einsammeln von Steuern in Griechenland ein ziemlich praktisches Problem ist.
Detjen: Es hat in dieser Woche auch gute Nachrichten aus der europäischen Schuldenkrise gegeben. Spanien und Italien haben erfolgreich Anleihen verkauft. Sind diese beiden Länder, die auch zu den Sorgenkindern des letzten Jahres gehörten, jetzt über den Berg?''
Merkel: Ich glaube, wir werden noch eine Weile damit zu kämpfen haben, dass die Anleger noch nicht wieder in vollem Umfang das Vertrauen in den Euro zurückgewonnen haben. Deshalb ist die Lösung der Fragen, die mit Griechenland verbunden sind, auch so wichtig, damit dann noch stärker in den Vordergrund tritt die Tatsache, dass Italien ein erhebliches Reformprogramm jetzt auf den Weg gebracht hat unter dem neuen Ministerpräsidenten Monti, dass der neue spanische Ministerpräsident Rajoy den Reformkurs des Vorgängers Zapatero fortsetzt, und darüber hinaus gerade auch in den Gebietskörperschaften sehr stark Reformmaßnahmen ergreift. Und beides wird mittelfristig die Märkte sicherlich überzeugen. Wir haben allerdings noch neben der Frage Griechenland einen Prozess im Augenblick in der Europäische Union laufen im Euroraum, der auch relativ viel Kraft kostet. Das ist die Rekapitalisierung der Banken, die bis Juni erfolgen muss. Und die Banken müssen sich jetzt in großer Zahl neues Kapital besorgen. Und deshalb war es auch eine wichtige und unterstützende Maßnahme, die jetzt auch ihre Wirkung gezeigt hat, auch bei der Platzierung der Anleihen von Spanien und Italien, dass die Europäische Zentralbank den Banken sehr viel Liquidität, also sehr viel Geld zur Verfügung gestellt hat. Das war eine wichtige unterstützende Maßnahme, die sicherlich zur Stabilisierung des Euroraums erheblich mit beigetragen hat.
Detjen: Also da gibt es hoffnungsvolle Zeichen. Zugleich tritt ein neuer Problemfall auf, das ist Ungarn. Das Land steht gleich aus zwei Gründen in der Kritik der Kommission, zum einen wegen seiner Haushaltsverschuldung, zum anderen aber auch wegen der Eingriffe der nationalkonservativen Regierung von Viktor Orban in die Unabhängigkeit von Staatsorganen, in die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts, der Notenbank. Die EU-Kommission will in den nächsten Tagen, in der kommenden Woche entscheiden, ob es da zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommt. Das könnte zu einem Entzug von Stimmrechten der ungarischen Regierung in der Europäische Union führen. Wäre das die richtige, angemessene Maßnahme?"
Merkel: Ich finde es richtig, dass die Kommission überprüft, ob die ungarische Rechtssetzung bei der Verfassung, auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Notenbank, den europäischen Prinzipien entspricht. Und diese Prüfung muss auch mit aller Genauigkeit durchgeführt werden. Und jetzt lohnt es sich nicht zu spekulieren, was, wenn, wann wäre. Es gibt die Möglichkeiten, die Sie genannt haben. Aber jetzt warten wir erst mal die Überprüfung ab. Tatsache ist, dass Ungarn als ein Mitgliedstaat der Europäischen Union sich wie alle Mitgliedsstaaten natürlich an die uns einenden Prinzipien halten muss. Und dazu gehört eine Medienfreiheit, dazu gehört die Unabhängigkeit der Notenbank und dazu gehört auch die Möglichkeit des jeweiligen Verfassungsgerichtes, unabhängig entscheiden zu können.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, wenn man die Eurozone insgesamt anschaut, dann kann man am Anfang dieses Jahres feststellen, dass Sie sich im letzten Jahr durchgesetzt haben mit Ihrer Politik einer sehr konsequenten, am Anfang ja nicht unumstrittenen, Haushaltssanierung. Man muss das nicht so formulieren wie der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Volker Kauder, der gesagt hat, in Europa wird jetzt Deutsch gesprochen. Aber es ist ja doch so, dass weltweit wahrgenommen wird, dass es in Europa heute so etwas wie eine von Ihnen geprägte haushaltspolitische Leitkultur gibt. Macht Sie das vielleicht stolz, zufrieden?"
Merkel: Es gibt ja eine ganze Reihe von europäischen Mitgliedsstaaten, die diese Linie auch immer unterstützt haben, wenn ich an unsere niederländischen Nachbarn denke, wenn ich an Finnland denke, auch die baltischen Staaten – Estland ist ja auch Mitglied des Euro –, die osteuropäischen Staaten haben das sehr stark immer so gesehen. Und ich glaube, es hat sich inzwischen als allgemeine Einschätzung auch durchgesetzt, dass die augenblicklich schwierige Lage des Euro ja keine Eurokrise als solche ist. Der Euro ist eine stabile Währung. Er hat verhindert, dass wir Inflation hatten in erheblichem Maße in der Eurozone, insofern eine sehr erfolgreiche Währung in den letzten zehn Jahren, dass aber die Verschuldung einzelner Staaten dazu geführt hat, dass erhebliche Spannungen innerhalb des Euroraumes aufgetreten sind. Und in dieser Analyse sind wir inzwischen alle einig. Wir müssen ja die Entscheidungen, die wir im Rat treffen, immer einstimmig treffen. Und die Entscheidung, zum Beispiel Schuldenbremsen einzuführen in die jeweiligen Verfassungen, ist eine Entscheidung, die von allen einvernehmlich getroffen wird. Richtig ist aber gleichzeitig, dass wir natürlich auch neben der Haushaltskonsolidierung überlegen müssen, wie können wir besser Wachstum generieren. Die bedrückendste Nachricht, finde ich, aus Europa ist, dass wir nach wie vor eine sehr hohe Arbeitslosigkeit haben und insbesondere eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit in Europa liegt über 20 Prozent, in Spanien zum Beispiel sind es über 40 Prozent der jungen Leute. Und um Vertrauen auf den Märkten zurückzugewinnen, müssen wir nicht nur eine solide Haushaltsführung haben – das ist notwendig, aber noch nicht hinreichend –, sondern es muss in gleichem Maße auch geguckt werden, ob wir durch Arbeitsmarktreformen es schaffen werden, wirklich auch gerade jungen Leuten bessere Beschäftigungschancen einzuräumen. Damit wird sich der Gipfel am 30. Januar, also der Gipfel am Ende Januar jetzt beschäftigen.
Detjen: Auch Mario Monti hat das bei seinem Besuch in der vergangenen Woche in Berlin angesprochen. Er hat gesagt, es muss jetzt Wachstumsräume geben und hat das verknüpft mit der Warnung davor, dass es andernfalls zu antieuropäischen oder antideutschen Stimmungen kommen könnte. Ist das ein Argument dafür, den Spardruck jetzt etwas zurückzufahren?"
Merkel: Ich glaube, wir müssen die faktischen Verhältnisse ändern. Das heißt, das Reformprogramm in Italien wird ja umgesetzt werden. Es wird dann auch zu einer Haushaltskonsolidierung führen. Man muss sagen, Italien wird 2013 nach den Plänen von Mario Monti einen ausgeglichenen Haushalt haben, also eine Staatsverschuldung null. Das werden wir in Deutschland zum Beispiel nicht ganz schaffen. Also hier sieht man, dass hier auch sehr ehrgeizig rangegangen wird. Natürlich möchten die Menschen schnelle Erfolge sehen. Ich bin aber gerade auch bei dem Besuch des Ministerpräsidenten Monti immer wieder gefragt worden: Ist nun Schluss mit Reformen? Und da habe ich immer wieder gesagt: Jedes Land, auch Deutschland, muss immer wieder Reformen durchführen, um sich einer verändernden Welt anzupassen. Wir können also nicht sagen, jetzt hören wir mal auf, weil wir uns schon so angestrengt haben, sondern wichtig ist, dass wir die Menschen überzeugen, die ihr Geld in Europa anlegen wollen. Die sogenannten Märkte bestehen ja letztlich aus Investoren, die zum Teil auch Lebensversicherungen von ganz normalen Menschen verwalten. Und die fragen sich, habe ich mein Geld in Europa gut angelegt. Und wenn Europa aus der Verschuldungskrise nicht herauskommt, dann wird diese Frage nicht positiv beantwortet werden. Das heißt, diese Investoren müssen wir zurückgewinnen durch eine glaubwürdige Politik.
Detjen: Jetzt wird Ihnen gerade auch aus der eigenen Koalition vorgehalten dieser Tage, dass Sie gerade diese Investoren aus Europa vertreiben oder aus der Eurozone jedenfalls vertreiben mit der Forderung, eine Fiskaltransaktionssteuer einzuführen, die dann so was wie ein Abschiedsgeschenk an die Briten sein könnte, wenn die Märkte aus Frankfurt, aus Paris nach London abwandern. Ist das insofern nicht gerade eine kontraproduktive Maßnahme, die Sie da mit Sarkozy jetzt gerade wieder ins Gespräch gebracht haben?
Merkel: Es wird in der Europäischen Union auf der Basis eines Kommissionsvorschlages jetzt ja diskutiert über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Und ich habe immer gesagt, das Beste wäre, wir würden sie unter den 27 Mitgliedsstaaten einführen. Das Allerbeste wäre gewesen, wir würden sie weltweit einführen. Dann gibt es nämlich keine Wettbewerbsnachteile. Und wir haben zwei Aspekte bei der Frage zu berücksichtigen, die miteinander abgewogen werden müssen. Der eine Aspekt heißt, wie kriegen wir mehr Gerechtigkeit hin, wie leisten auch die Finanzmärkte ihren Beitrag dazu, dass wir in einer ziemlich schwierigen Situation sind? Und der Ausgangspunkt war ja eine Finanzkrise, an der die Finanzinstitutionen ja erheblich mitgewirkt haben. Sie waren nicht die alleinigen Verursacher, aber einen wesentlichen Teil haben sie verursacht. Und das ist eine Frage der Gerechtigkeit, das empfinden auch sehr viele Menschen so. Auf der anderen Seite ist natürlich die Frage im Raum, kann ich verhindern, dass es einseitige Nachteile für die gibt, die sich zur Einführung einer solchen Steuer entscheiden? Wir haben in der CDU auf dem Bundesparteitag in Leipzig in diesem Herbst entschieden, notfalls auch im Eurogebiet – gerade die Vertreter der hessischen CDU aus Frankfurt, die den Finanzplatz natürlich schützen wollen, haben gesagt, das muss dann aber so geschehen, dass keine Nachteile entstehen. Ich glaube, dass der Vorschlag der EU-Kommission in diese Richtung auch durchaus Beiträge leistet. Andere, wie zum Beispiel der Koalitionspartner FDP sagen, das scheint uns nicht gesichert zu sein, wir werden dabei einseitig Nachteile erleben und deshalb werden wir das jetzt weiter diskutieren.
Detjen: Ihr Koalitionspartner ist schwer angeschlagen ins Jahr gegangen. Wenn das so weiter geht, wird er bei der nächsten Bundestagswahl im Bundestag gar nicht mehr vertreten sein. Wie können Sie mit diesem Koalitionspartner überhaupt noch produktiv zuverlässig regieren?
Merkel: Wir regieren sehr gut miteinander und haben auch sehr viel geschafft. Die Umfrageergebnisse sind immer Momentaufnahmen. Ich habe überhaupt gar keine Zweifel, dass die FDP auch im nächsten Deutschen Bundestag vertreten sein wird. Und wenn man mal schaut, wir haben ja durchaus sehr schwierige Entscheidungen im vergangenen Jahr fällen müssen, die Entscheidung über den EFSF. Die FDP hatte eine Mitgliederbefragung zur Zukunft des ESM, des permanenten Rettungsmechanismus. Die ist positiv ausgegangen. Das gibt uns auch Schubkraft für die Entscheidungen, die war dann in diesem Jahr zu fällen haben. Also, ich arbeite mit der FDP vertrauensvoll zusammen, eng zusammen. Und alle auf dem Tisch liegenden Probleme, die zu lösen waren, haben wir im vergangenen Jahr auch gut gelöst.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, letzte Frage in eigener Sache: Der Deutschlandfunk, in dem wir hier miteinander sprechen, feiert in diesen Tagen den 50. Jahrestag seines Sendestarts. Das Programm wurde in den 60er-Jahren gegründet als ein Programm für das damals noch geteilte Deutschland. Sie lebten in dem anderen Teil Deutschlands, haben, glaube ich, auch damals schon Deutschlandfunk gehört, sind eine regelmäßige Hörerin. Was schätzen Sie an diesem Programm?
Merkel: Ich schätze an dem Programm des Deutschlandfunks seit vielen Jahren, auch schon zu Zeiten der deutschen Teilung, die Zuverlässigkeit, die Informativität, die sachliche Berichterstattung. Und insofern habe ich gerade, als ich noch in der DDR lebte, auch sehr gerne immer die abendlichen politischen Sendungen gehört, die dann auch ausklangen mit der Nationalhymne, die heute auch unsere gemeinsame Nationalhymne ist, damals das ja noch nicht war. Und insofern wünsche ich dem Deutschlandfunk weitere gute 50 Jahre.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, Dankeschön.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Angela Merkel: Ich schätze die Arbeit von Christian Wulff sehr. Gerade Themen wie Integration und Zusammenleben in Deutschland hat er immer wieder auf die Tagesordnung gebracht und wird das sicherlich auch in der weiteren Arbeit tun. Was die Fragen, die an ihn gestellt sind, anbelangt, müssen sie beantwortet werden, das findet ja auch statt. Aber für mich ist erst einmal im Vordergrund die Wertschätzung.
Detjen: Hat der Bundespräsident alle Fragen beantwortet, die er beantworten muss?
Merkel: Der Bundespräsident wird, wenn neue Fragen auftreten, auch die beantworten, und diejenigen, die gestellt wurden, sind ja zu einem großen Teil beantwortet. Und wo noch Klärungsbedarf ist, muss das eben erfolgen.
Detjen: Ihre Solidaritäts- und Vertrauensadressen in dieser Woche haben aber noch nicht dazu genügt, auch die Distanzierungen, Nachfolgespekulationen bis hin jetzt auch zu Rücktrittsforderungen aus der eigenen Fraktion, aus der Unionsfraktion, zur Ruhe zu bringen. Was wollen Sie tun, wenn das auch in der nächsten Woche so weitergeht, wenn der Bundestag dann zu seiner ersten Sitzungswoche in diesem Jahr zusammentritt?
Merkel: Wir sind ja ein freies Land, und in einem freien Land werden die Debatten immer so stattfinden, wie sie stattfinden. Ich sage dazu meine Meinung, die habe ich auch eben hier deutlich gemacht. Und ich denke, dass viele diese Meinung auch teilen.
Detjen: Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion Peter Altmeier hat per öffentlicher Twitternachricht gefordert, dass – so hat er das wörtlich formuliert – "Christian seine Anwälte an die Leine legt und die Fragen und Antworten jetzt ins Netz stellt". Ist das nicht auch schon ein Ausdruck für den Verlust an Respekt, auch an Würde, die mit diesem Amt verbunden sein muss, wenn ein Bundespräsident so angesprochen wird aus Ihrer Fraktion?''
Merkel: Ich wiederhole noch einmal das, was ich sage. Ich glaube, dass alles, was an Fragen an den Bundespräsidenten gestellt wird, auch beantwortet werden wird, vieles schon beantwortet ist. Und dem ist aus meiner Sicht auch nichts hinzuzufügen.
Detjen: Christian Wulff selbst hat in seiner Neujahrsansprache an seine Mitarbeiter die Erwartung ausgedrückt, dass, die wie er sagte, die "Stahlgewitter" an ihm vorbeiziehen. Es wurde berichtet, er hat gesagt: "In einem Jahr wird das alles vergessen sein." Ist das richtig?
Merkel: Sie werden verstehen, dass ich zu Berichten aus internen Veranstaltungen jetzt unmöglich Stellung nehmen kann. Ich glaube, dass die Frage wichtig ist, und deshalb sage ich es gerne auch noch einmal, dass die Fragen, die an den Bundespräsidenten gestellt werden, auch wirklich beantwortet werden. Und das ist das, was die Menschen erwarten, mit Recht erwarten, und ansonsten, dass der Bundespräsident eben auch in seiner Arbeit die Akzente setzt, die für unser Land wichtig sind.
Detjen: Und die Frage ist ja, ob er das nach dieser wochenlangen Diskussion, nach der Beschädigung, die er persönlich, aber auch wahrscheinlich das Amt erlitten hat in dieser Zeit, ob und wie er das noch tun kann.
Merkel: Ich denke, er kann es tun, und jetzt warten wir mal den weitern Verlauf des Jahres ab. Aber, wie gesagt, beides gehört zusammen – die Wertschätzung für seine Arbeit und die Beantwortung der Fragen.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, ein Teil der Kritik am Bundespräsidenten richtet sich ja auch gegen Sie – als eine späte Reaktion, als ein spätes Echo noch einmal auf Ihre Entscheidung, Christian Wulff gegen den damals populären, hoch geachteten Gegenkandidaten durchzusetzen. Viele haben gesagt, das war ein rein parteipolitisches Kalkül. Hat es in den letzten Tagen, in den letzten Wochen einmal einen Moment gegeben, wo Sie sich gefragt haben, ob das eine richtige Entscheidung damals war?
Merkel: Es war nach meiner festen Auffassung eine richtige Entscheidung. Sie ist von mir gemeinsam mit den Vorsitzenden der beiden anderen Koalitionsparteien, der FDP und der CSU, als Parteivorsitzende getroffen worden, weil unsere Vorstellungen oder unser Recht – unser Grundgesetz – ja sagt, dass der Bundespräsident von der Bundesversammlung gewählt wird und die Parteien dafür auch Vorschläge machen. Ich glaube, dass dieser Vorschlag richtig war und dass mir damals auch wichtig war, dass jemand einmal Bundespräsident ist, der vielleicht nicht, wie viele Vorgänger, die ja herausragende Arbeit geleistet haben, schon am erkennbaren Ende einer politischen Laufbahn ist, sondern auch jünger ist – mit einer Familie mit Kindern, auch damit ein Zeichen setzen kann für unser Land. Und insofern war diese Entscheidung auch im Rückblick richtig.
Detjen: Aber es geht ja nicht um das Alter, es geht um die Würde, um den auch ganz persönlichen Respekt, den man – und das zeigt sich ja jetzt – von dem Inhaber dieses Amtes erwartet. Was macht das für Sie aus, diese Würde des Amtes, über die jetzt viel geredet wird?''
Merkel: Ja, die Würde des Amtes besteht darin, dass der Bundespräsident die Nummer eins im Staate ist und gerade in wichtigen Phasen des politischen Lebens auch seine Entscheidungen treffen muss. Wir haben das gesehen damals beim Bundespräsidenten Köhler zum Beispiel in der Frage, die der Bundeskanzler Schröder gestellt hat, ob es zu Neuwahlen kommen kann. Das sind ja ganz wichtige Dinge, die Bundespräsidenten zu entscheiden haben. Und ein weiterer Teil der Aufgabe des Bundespräsidenten sind sicherlich auch öffentliche Auftritte, sein Ansehen bei den Bundesbürgern. Ich glaube, wenn Christian Wulff weiter die Fragen auch beantwortet, dann wird diese Würde des Amtes auch durchaus gerechtfertigt durch seine Arbeit.
Detjen: Gibt es dennoch den Moment, wo auch Sie sagen würden, diese Affäre kann zu einem Punkt kommen, wo die Würde des Amtes so beschädigt ist, dass das so nicht weiter geht?
Merkel: Wir reden miteinander hier, und zum jetzigen Zeitpunkt. Es hat keinen Sinn, spekulative Fragen zu stellen. Ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident seine gute Arbeit fortsetzt.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, diese Auseinandersetzung ist auch eine denkwürdige, bemerkenswürdige, viel diskutierte Auseinandersetzung, ein Ringen zwischen den Medien und dem obersten Vertreter des Staates. Wie nehmen Sie die Rolle wahr, die die Medien in dieser Auseinandersetzung spielen? Reagieren sie angemessen? Werden sie ihrem Auftrag des Recherchierens und Nachverfolgens gerecht? Oder nehmen Sie es als eine "Hatz" wahr, wie das manche auch sagen?"
Merkel:Ich glaube nicht, dass es meine Rolle als Bundeskanzlerin ist, jetzt über die Medien zu richten. Es gibt in den Medien selbst Diskussionen über das Selbstverständnis. Für uns als Politiker ist wichtig: Wir sind ein freies demokratisches Land. Zu dem gehören vielfältige Medien, die ein Recht darauf haben, Fragen zu stellen. Die Fragen müssen beantwortet werden, weil Medien letztlich auch Mittler zwischen den Politikern und der Bevölkerung sind. Und deshalb ist in der Vielfalt der Medien eine wichtige Säule unserer demokratischen Ordnung. Und ich werde nicht die Medien bewerten, sondern meine Aufgabe ist es, Politik zu machen.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, wenn die Affäre Wulff nicht wäre, dann könnte man meinen, wir stünden am Anfang dieses Jahres genau da, wo wir vor einem Jahr schon standen. Ohne das Thema Wulff würde die erste und wichtigste Frage genau wie vor zwölf Monaten lauten: Ist Griechenland noch zu retten?"
Merkel: Wenn man genau hinschaut, wird man sehen, dass in dem letzten Jahr ja sehr viel passiert ist. Aber es ist genau das eingetreten, was ich sehr, sehr oft gesagt habe. Die Fragen um den Euro, seine Stabilität, seine Zukunft, die Frage der Verschuldung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die sind nicht innerhalb von wenigen Tagen oder Monaten zu beantworten, sondern es ist ein längerer Prozess, genauso wie Verschuldung über eine lange, lange Zeit entstanden ist. Und im Fall von Griechenland ist der Unterschied zum Beginn des Jahres 2011 darin, dass wir jetzt am Ende des Jahres 2011 ja erkennen mussten, dass Griechenlands Schuldentragfähigkeit nicht gegeben ist. Das heißt, dass man nicht sagen kann, Griechenland hat nur ein kurzfristiges Liquiditätsproblem, sondern Griechenland hat so viele Schulden, dass es mit der eigenen Wirtschaftskraft aus dieser Verschuldung nicht herauskommen kann. Deshalb wird im Augenblick über die Umstrukturierung oder Restrukturierung, das heißt ein Schuldenerlass in Höhe von 50 Prozent verhandelt. Das Ziel dessen, was wir im Oktober verabredet haben, ist, dass dann die Schuldenlast im Jahre 2020 bei 120 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts liegen würde – das heißt also, etwa so hoch wie bei Italien heute. Dann kann man davon ausgehen, dass das Land an den Markt zurückkehren kann. Schon an dieser Zeitdauer sieht man, wie gravierend dieses Problem ist. Also selbst wenn 50 Prozent der Schulden, der privaten Schulden, erlassen werden, wird es noch eine ganze Zeit dauern. Und diese Verhandlungen laufen jetzt, und das ist schon eine erkennbar ganz andere Situation als im Jahr 2011. Aber richtig ist, dass das griechische Problem noch nicht abschließend gelöst ist.
Detjen: Die Troika, die Beobachtermission fährt ja jetzt gerade in diesen Tagen wieder nach Griechenland, schaut, wie die Entwicklungen da vorangekommen sind. Zugleich, Sie haben das angesprochen, wird verhandelt über einen Schuldenerlass der privaten Gläubiger, der Banken, der Hedgefonds. Das entpuppt sich aber als sehr schwierig, es heißt die Verhandlungen sind sogar vom Scheitern bedroht. Wie viel Hilfe braucht Griechenland tatsächlich noch zusätzlich, und wie viel können dann die öffentlichen Haushalte gegebenenfalls noch zuschießen, wenn die Privaten ihre Leistungen, die Sie ja auch immer gefordert haben, nicht in dem versprochenen Umfang erbringen können?
Merkel: Ich gehe erstens davon aus, dass der Internationale Bankenverband zu seinen Verpflichtungen steht, das heißt, dass er das, was im Oktober zugesagt wurde, auch einhält. Und jetzt laufen die Verhandlungen. Es ist sehr schwer, mitten in Verhandlungen jetzt dazu Stellung zu nehmen, was unter welchen Umständen passieren würde. Ich sage, unsere Rahmenbedingungen haben wir gesetzt und das muss jetzt dem Verhandlungsverlauf erst mal überlassen sein. Ich bin auch des Häufigeren mit dem griechischen Premierminister in Kontakt, der mir auch dann immer wieder sagt, dass man mitten im Verhandeln ist.
Detjen: Sie haben bei Ihrem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Anfang dieser Woche noch mal gesagt, Sie wollen Griechenland nicht fallen lassen. Aber irgendwo muss es ja doch einen Punkt geben, wo auch Sie sagen, da ist dann eine Grenze erreicht, da muss man dann ganz offiziell das eingestehen und erklären, was viele schon sagen: Griechenland ist bankrott – und die Konsequenzen daraus ziehen.
Merkel: Die Tatsache, dass wir in Umschuldungsverhandlungen mit Griechenland sind – zwar auf freiwilliger Basis, aber immerhin in Umschuldungsverhandlungen –, zeigt ja, dass die, wie ich sagte, die Schuldentragfähigkeit nicht da ist. Das heißt, dass ohne eine solche Umschuldung Griechenland nicht wieder an den Markt zurückkehren kann. Das hängt auch damit zusammen, dass Vorgaben und Erwartungen der Troika, die an Griechenland gestellt wurden, nicht umgesetzt wurden. Und ich habe bei der Pressekonferenz mit dem französischen Präsidenten auf der einen Seite gesagt, dass wir hier die Dinge natürlich lösen müssen, das ist dringend notwendig, weil sich die griechischen Schwierigkeiten natürlich auch auf den gesamten Euroraum auswirken. Und auf der anderen Seite besteht die Erwartung, dass Griechenland auch die Auflagen, die es ja akzeptiert hat, umsetzt, wobei bei der Frage der Umsetzung in Griechenland das besondere Problem ist, dass viele Dinge zwar gesetzlich verabschiedet sind, aber dann in der praktischen Umsetzung noch nicht so weit realisiert sind, wie wir uns das wünschen würden.
Detjen: Die harten Sparauflagen, die den Griechen aufgelegt worden sind, haben das Land inzwischen in eine tiefe Rezession getrieben. Hat Griechenland überhaupt noch eine Chance, aus eigener Kraft wieder Wirtschaftskraft zu entwickeln, die es dringend benötigt?
Merkel: Ich denke schon. Auf der einen Seite hat Griechenland ja Ausgabenkürzungen vorgenommen. Das führt im Allgemeinen in der Tat dazu, dass die Wirtschaft nicht mehr so wachsen kann. Wir haben aber in vielen Beispielen auf der Welt, wo der IWF ähnliche Programme auch veranlasst hat, erlebt, dass nach einer bestimmten Rezessionsphase dann auch sehr starke Wachstumsphasen kommen, weil es ja nicht nur um Ausgabenreduktion geht, sondern es geht eben vor allen Dingen auch um strukturelle Reformen. Und diese Strukturreformen wirken nie sofort, sondern brauchen eine gewisse Zeit, bevor ihre Wirkung einsetzt und sie müssen dann natürlich auch mit Vehemenz umgesetzt werden. Es sind Fortschritte in Griechenland gemacht worden. Das sagt auch die Troika im Bereich der Ausgabenkürzungen. Ein besonderes Problem in Griechenland ist, dass selbst, wenn Einnahmeverbesserungen verabschiedet wurden, zum Beispiel Steuererhöhungen, daraus noch nicht folgt, dass auch wirklich tatsächlich mehr Einnahmen reinkommen, weil gerade auch die Erhebung oder Einsammeln von Steuern in Griechenland ein ziemlich praktisches Problem ist.
Detjen: Es hat in dieser Woche auch gute Nachrichten aus der europäischen Schuldenkrise gegeben. Spanien und Italien haben erfolgreich Anleihen verkauft. Sind diese beiden Länder, die auch zu den Sorgenkindern des letzten Jahres gehörten, jetzt über den Berg?''
Merkel: Ich glaube, wir werden noch eine Weile damit zu kämpfen haben, dass die Anleger noch nicht wieder in vollem Umfang das Vertrauen in den Euro zurückgewonnen haben. Deshalb ist die Lösung der Fragen, die mit Griechenland verbunden sind, auch so wichtig, damit dann noch stärker in den Vordergrund tritt die Tatsache, dass Italien ein erhebliches Reformprogramm jetzt auf den Weg gebracht hat unter dem neuen Ministerpräsidenten Monti, dass der neue spanische Ministerpräsident Rajoy den Reformkurs des Vorgängers Zapatero fortsetzt, und darüber hinaus gerade auch in den Gebietskörperschaften sehr stark Reformmaßnahmen ergreift. Und beides wird mittelfristig die Märkte sicherlich überzeugen. Wir haben allerdings noch neben der Frage Griechenland einen Prozess im Augenblick in der Europäische Union laufen im Euroraum, der auch relativ viel Kraft kostet. Das ist die Rekapitalisierung der Banken, die bis Juni erfolgen muss. Und die Banken müssen sich jetzt in großer Zahl neues Kapital besorgen. Und deshalb war es auch eine wichtige und unterstützende Maßnahme, die jetzt auch ihre Wirkung gezeigt hat, auch bei der Platzierung der Anleihen von Spanien und Italien, dass die Europäische Zentralbank den Banken sehr viel Liquidität, also sehr viel Geld zur Verfügung gestellt hat. Das war eine wichtige unterstützende Maßnahme, die sicherlich zur Stabilisierung des Euroraums erheblich mit beigetragen hat.
Detjen: Also da gibt es hoffnungsvolle Zeichen. Zugleich tritt ein neuer Problemfall auf, das ist Ungarn. Das Land steht gleich aus zwei Gründen in der Kritik der Kommission, zum einen wegen seiner Haushaltsverschuldung, zum anderen aber auch wegen der Eingriffe der nationalkonservativen Regierung von Viktor Orban in die Unabhängigkeit von Staatsorganen, in die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts, der Notenbank. Die EU-Kommission will in den nächsten Tagen, in der kommenden Woche entscheiden, ob es da zu einem Vertragsverletzungsverfahren kommt. Das könnte zu einem Entzug von Stimmrechten der ungarischen Regierung in der Europäische Union führen. Wäre das die richtige, angemessene Maßnahme?"
Merkel: Ich finde es richtig, dass die Kommission überprüft, ob die ungarische Rechtssetzung bei der Verfassung, auch bei der Frage der Unabhängigkeit der Notenbank, den europäischen Prinzipien entspricht. Und diese Prüfung muss auch mit aller Genauigkeit durchgeführt werden. Und jetzt lohnt es sich nicht zu spekulieren, was, wenn, wann wäre. Es gibt die Möglichkeiten, die Sie genannt haben. Aber jetzt warten wir erst mal die Überprüfung ab. Tatsache ist, dass Ungarn als ein Mitgliedstaat der Europäischen Union sich wie alle Mitgliedsstaaten natürlich an die uns einenden Prinzipien halten muss. Und dazu gehört eine Medienfreiheit, dazu gehört die Unabhängigkeit der Notenbank und dazu gehört auch die Möglichkeit des jeweiligen Verfassungsgerichtes, unabhängig entscheiden zu können.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, wenn man die Eurozone insgesamt anschaut, dann kann man am Anfang dieses Jahres feststellen, dass Sie sich im letzten Jahr durchgesetzt haben mit Ihrer Politik einer sehr konsequenten, am Anfang ja nicht unumstrittenen, Haushaltssanierung. Man muss das nicht so formulieren wie der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Volker Kauder, der gesagt hat, in Europa wird jetzt Deutsch gesprochen. Aber es ist ja doch so, dass weltweit wahrgenommen wird, dass es in Europa heute so etwas wie eine von Ihnen geprägte haushaltspolitische Leitkultur gibt. Macht Sie das vielleicht stolz, zufrieden?"
Merkel: Es gibt ja eine ganze Reihe von europäischen Mitgliedsstaaten, die diese Linie auch immer unterstützt haben, wenn ich an unsere niederländischen Nachbarn denke, wenn ich an Finnland denke, auch die baltischen Staaten – Estland ist ja auch Mitglied des Euro –, die osteuropäischen Staaten haben das sehr stark immer so gesehen. Und ich glaube, es hat sich inzwischen als allgemeine Einschätzung auch durchgesetzt, dass die augenblicklich schwierige Lage des Euro ja keine Eurokrise als solche ist. Der Euro ist eine stabile Währung. Er hat verhindert, dass wir Inflation hatten in erheblichem Maße in der Eurozone, insofern eine sehr erfolgreiche Währung in den letzten zehn Jahren, dass aber die Verschuldung einzelner Staaten dazu geführt hat, dass erhebliche Spannungen innerhalb des Euroraumes aufgetreten sind. Und in dieser Analyse sind wir inzwischen alle einig. Wir müssen ja die Entscheidungen, die wir im Rat treffen, immer einstimmig treffen. Und die Entscheidung, zum Beispiel Schuldenbremsen einzuführen in die jeweiligen Verfassungen, ist eine Entscheidung, die von allen einvernehmlich getroffen wird. Richtig ist aber gleichzeitig, dass wir natürlich auch neben der Haushaltskonsolidierung überlegen müssen, wie können wir besser Wachstum generieren. Die bedrückendste Nachricht, finde ich, aus Europa ist, dass wir nach wie vor eine sehr hohe Arbeitslosigkeit haben und insbesondere eine sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die durchschnittliche Jugendarbeitslosigkeit in Europa liegt über 20 Prozent, in Spanien zum Beispiel sind es über 40 Prozent der jungen Leute. Und um Vertrauen auf den Märkten zurückzugewinnen, müssen wir nicht nur eine solide Haushaltsführung haben – das ist notwendig, aber noch nicht hinreichend –, sondern es muss in gleichem Maße auch geguckt werden, ob wir durch Arbeitsmarktreformen es schaffen werden, wirklich auch gerade jungen Leuten bessere Beschäftigungschancen einzuräumen. Damit wird sich der Gipfel am 30. Januar, also der Gipfel am Ende Januar jetzt beschäftigen.
Detjen: Auch Mario Monti hat das bei seinem Besuch in der vergangenen Woche in Berlin angesprochen. Er hat gesagt, es muss jetzt Wachstumsräume geben und hat das verknüpft mit der Warnung davor, dass es andernfalls zu antieuropäischen oder antideutschen Stimmungen kommen könnte. Ist das ein Argument dafür, den Spardruck jetzt etwas zurückzufahren?"
Merkel: Ich glaube, wir müssen die faktischen Verhältnisse ändern. Das heißt, das Reformprogramm in Italien wird ja umgesetzt werden. Es wird dann auch zu einer Haushaltskonsolidierung führen. Man muss sagen, Italien wird 2013 nach den Plänen von Mario Monti einen ausgeglichenen Haushalt haben, also eine Staatsverschuldung null. Das werden wir in Deutschland zum Beispiel nicht ganz schaffen. Also hier sieht man, dass hier auch sehr ehrgeizig rangegangen wird. Natürlich möchten die Menschen schnelle Erfolge sehen. Ich bin aber gerade auch bei dem Besuch des Ministerpräsidenten Monti immer wieder gefragt worden: Ist nun Schluss mit Reformen? Und da habe ich immer wieder gesagt: Jedes Land, auch Deutschland, muss immer wieder Reformen durchführen, um sich einer verändernden Welt anzupassen. Wir können also nicht sagen, jetzt hören wir mal auf, weil wir uns schon so angestrengt haben, sondern wichtig ist, dass wir die Menschen überzeugen, die ihr Geld in Europa anlegen wollen. Die sogenannten Märkte bestehen ja letztlich aus Investoren, die zum Teil auch Lebensversicherungen von ganz normalen Menschen verwalten. Und die fragen sich, habe ich mein Geld in Europa gut angelegt. Und wenn Europa aus der Verschuldungskrise nicht herauskommt, dann wird diese Frage nicht positiv beantwortet werden. Das heißt, diese Investoren müssen wir zurückgewinnen durch eine glaubwürdige Politik.
Detjen: Jetzt wird Ihnen gerade auch aus der eigenen Koalition vorgehalten dieser Tage, dass Sie gerade diese Investoren aus Europa vertreiben oder aus der Eurozone jedenfalls vertreiben mit der Forderung, eine Fiskaltransaktionssteuer einzuführen, die dann so was wie ein Abschiedsgeschenk an die Briten sein könnte, wenn die Märkte aus Frankfurt, aus Paris nach London abwandern. Ist das insofern nicht gerade eine kontraproduktive Maßnahme, die Sie da mit Sarkozy jetzt gerade wieder ins Gespräch gebracht haben?
Merkel: Es wird in der Europäischen Union auf der Basis eines Kommissionsvorschlages jetzt ja diskutiert über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Und ich habe immer gesagt, das Beste wäre, wir würden sie unter den 27 Mitgliedsstaaten einführen. Das Allerbeste wäre gewesen, wir würden sie weltweit einführen. Dann gibt es nämlich keine Wettbewerbsnachteile. Und wir haben zwei Aspekte bei der Frage zu berücksichtigen, die miteinander abgewogen werden müssen. Der eine Aspekt heißt, wie kriegen wir mehr Gerechtigkeit hin, wie leisten auch die Finanzmärkte ihren Beitrag dazu, dass wir in einer ziemlich schwierigen Situation sind? Und der Ausgangspunkt war ja eine Finanzkrise, an der die Finanzinstitutionen ja erheblich mitgewirkt haben. Sie waren nicht die alleinigen Verursacher, aber einen wesentlichen Teil haben sie verursacht. Und das ist eine Frage der Gerechtigkeit, das empfinden auch sehr viele Menschen so. Auf der anderen Seite ist natürlich die Frage im Raum, kann ich verhindern, dass es einseitige Nachteile für die gibt, die sich zur Einführung einer solchen Steuer entscheiden? Wir haben in der CDU auf dem Bundesparteitag in Leipzig in diesem Herbst entschieden, notfalls auch im Eurogebiet – gerade die Vertreter der hessischen CDU aus Frankfurt, die den Finanzplatz natürlich schützen wollen, haben gesagt, das muss dann aber so geschehen, dass keine Nachteile entstehen. Ich glaube, dass der Vorschlag der EU-Kommission in diese Richtung auch durchaus Beiträge leistet. Andere, wie zum Beispiel der Koalitionspartner FDP sagen, das scheint uns nicht gesichert zu sein, wir werden dabei einseitig Nachteile erleben und deshalb werden wir das jetzt weiter diskutieren.
Detjen: Ihr Koalitionspartner ist schwer angeschlagen ins Jahr gegangen. Wenn das so weiter geht, wird er bei der nächsten Bundestagswahl im Bundestag gar nicht mehr vertreten sein. Wie können Sie mit diesem Koalitionspartner überhaupt noch produktiv zuverlässig regieren?
Merkel: Wir regieren sehr gut miteinander und haben auch sehr viel geschafft. Die Umfrageergebnisse sind immer Momentaufnahmen. Ich habe überhaupt gar keine Zweifel, dass die FDP auch im nächsten Deutschen Bundestag vertreten sein wird. Und wenn man mal schaut, wir haben ja durchaus sehr schwierige Entscheidungen im vergangenen Jahr fällen müssen, die Entscheidung über den EFSF. Die FDP hatte eine Mitgliederbefragung zur Zukunft des ESM, des permanenten Rettungsmechanismus. Die ist positiv ausgegangen. Das gibt uns auch Schubkraft für die Entscheidungen, die war dann in diesem Jahr zu fällen haben. Also, ich arbeite mit der FDP vertrauensvoll zusammen, eng zusammen. Und alle auf dem Tisch liegenden Probleme, die zu lösen waren, haben wir im vergangenen Jahr auch gut gelöst.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, letzte Frage in eigener Sache: Der Deutschlandfunk, in dem wir hier miteinander sprechen, feiert in diesen Tagen den 50. Jahrestag seines Sendestarts. Das Programm wurde in den 60er-Jahren gegründet als ein Programm für das damals noch geteilte Deutschland. Sie lebten in dem anderen Teil Deutschlands, haben, glaube ich, auch damals schon Deutschlandfunk gehört, sind eine regelmäßige Hörerin. Was schätzen Sie an diesem Programm?
Merkel: Ich schätze an dem Programm des Deutschlandfunks seit vielen Jahren, auch schon zu Zeiten der deutschen Teilung, die Zuverlässigkeit, die Informativität, die sachliche Berichterstattung. Und insofern habe ich gerade, als ich noch in der DDR lebte, auch sehr gerne immer die abendlichen politischen Sendungen gehört, die dann auch ausklangen mit der Nationalhymne, die heute auch unsere gemeinsame Nationalhymne ist, damals das ja noch nicht war. Und insofern wünsche ich dem Deutschlandfunk weitere gute 50 Jahre.
Detjen: Frau Bundeskanzlerin, Dankeschön.
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