Noe Noack: Hans Söllner, mit "Hey wos is", eröffnet das neue Album "Mei Zuastand" und darin heißt es: "Hey Türke setz dich zu mir, wir scheißen auf das braune Pack". Das ist leider aktueller denn je, dieses Stück.
Hans Söllner: "Das Lied ist 15 Jahre alt. Ich hab es ihnen ja schon vor diesen zehn Jahren gesagt, dass es so nicht geht. Im Grunde genommen haben sie uns neidisch gemacht auf die Leute, die von außerhalb hier reinkommen. Das war ihr Plan und der Plan ist irgendwie aufgegangen. Das hab ich sehr früh gemerkt. Und wenn ich sie sage, dann meine ich die politische Macht, die wirtschaftliche Macht. Ich glaube, dass es früh genug Leute gegeben hat, nicht nur mich, sondern auch andere Leute, die in der Kunst, in der Szene tätig waren, die ihnen gesagt haben, was sie empfinden, wenn sie ihnen da draußen zuschauen. Wann war denn Hoyerswerda, die ganzen Anschläge? Wann sind wir denn auf die Demonstrationen gegangen, als es um die Demokratie ging. Seit 30 Jahren ignorieren sie im Grunde genommen, dass der Mensch ein Grundbedürfnis nach Sicherheit hat. Und ich möchte einfach in dieser Welt da draußen angstlos spazieren gehen können. Und dann erfahre ich, dass ausgerechnet die, auf die ich mich verlassen können sollte, die größten Versager sind.
Noack: "Sie haben sich mit diesem Staat in Liedern, aber auch außerhalb der Musik, über 25 Jahre lang immer wieder angelegt und sich auch nie den Mund verbieten lassen, dafür haben sie aber auch hohe Strafen gezahlt. War’s das letztlich wert?
Söllner: Letztlich ist die Freiheit noch viel mehr wert, als die 300.000 Euro, die ich gezahlt habe. Letztlich ist Freiheit das Leben wert im Grunde genommen. Denn wenn ich nicht frei bin, dann ... Das ist mein Empfinden. Herrgott! Ich kann immer nur sagen, dass das meins ist. Ich hab mich so entschieden. Ich konnte das auch so entscheiden, weil ich niemand hatte mit 22. Ich war ungebunden. Ich hatte keine Kinder, keine Familie. Mir haben 700 Mark zum Leben gereicht. Ich konnte zum Demonstrieren fahren, um 11 Uhr Vormittag und um 3 Uhr Nachmittag. Das geht heute nicht mehr so, weil Kohle rangeschafft werden muss, damit du dir den ganz normalen Lebensstandard-Wahnsinn leisten kannst. Du kannst es nicht regeln. Entweder du lässt ein Lebewesen leben, oder du lässt es nicht leben. Ich kann einfach nur sagen, dass ein Lebewesen, dass nicht artgerecht gehalten wird Ausfälle hat. Und ich glaube, dass da draußen die meisten Leute nicht artgerecht gehalten werden, weil sie nicht mehr selbst bestimmen können, was sie essen wollen, wie sie leben wollen, mit wem sie zusammen sein wollen, wo sie wohnen wollen, das ist ein Grundbedürfnis wie Sexualität, und wenn du das jemand über einen längeren Zeitraum nimmst, dann glaube ich einfach, dass Ausfälle passieren. Sprich, du suchst dir jemand, der schuld sein könnte, dass es dir so schlecht geht.
Noack: Wie schaut denn ihr Freiheitsbegriff aus?
Söllner: Mein Freiheitsbegriff ist ein ganz einfacher. Ich versuche, dort zu leben, wo es mir gefällt, und ich lebe da, wo es mir gefällt. Ich lebe im Berchtesgadener Land. Freiheit bedeutet für mich auch, dass ich in ein Haus gehe, wo ich gerne gesehen bin, wo sich jemand auf mich freut. Und ich bin auch davon überzeugt, dass es jedem Afrikaner in Afrika besser gefallen würde, als in Deutschland, aber er hat halt nichts zu essen dort. Eigentlich sollten wir unsere Länder aufmachen für die, die wir seit 100 Jahren ausbeuten. Diese Menschen sollten leben können bei uns. Nicht, dass sie sich gezwungener Maßen auf dunklen Pfaden über Scheiß-Schlepper-Banden, die auch noch einen Haufen Geld bekommen, in unser Land reinschleichen müssen. Wir sollten sagen: Kommt zu uns!
Ich hab immer dieses Bedürfnis zu sagen: Das ist unsere Welt. Und die hat nicht Merkel zu leiten, oder ein Sarkozy oder irgendwer. Die Merkel ist nicht so unterwegs wie ich. Ich weiß, dass sie ohne Kinder ein Land regiert. Da sagen sie immer, dass die Kinder immer weniger werden und dann schaue ich mir an, wie sie mit ihren Kindern umgehen, was sie ihnen zeigen, was sie lernen müssen, was sie aus ihnen machen. Zwölf-Stunden-Tage für einen 17-Jährigen, dass ist gar nichts. Das ist die Regel. Da müssen die Kinder noch musisch erzogen werden und zum Sport und vor lauter Stress haben sie keine sozialen Kontakte mehr und dann wundern sich die Verantwortlichen, wenn diese Jugendlichen plötzlich aufeinander losgehen und gewalttätig werden, saufen und sich ihre Auszeit über Drogen nehmen. Da muss ich nicht Sozialwissenschaften acht Semester belegt haben, damit ich weiß, da stimmt etwas nicht mehr.
Vielleicht probieren wir es einfach mit einem Grundgehalt. Und dafür geben wir den Banken nichts, verdammt noch mal.
Noack: Sie wollten letztes Jahr ihre Konten auflösen, weil sie mit den Banken nicht einverstanden waren und sind. Wie ist dieses Experiment gelaufen?
Söllner: Das ist sehr schnell beendet gewesen, das Experiment, weil ich kann ohne Konten überhaupt keine Steuerführung machen in diesem Land. Das heißt, wenn ich keine Konten mehr habe, wird mir ständig unterstellt, dass ich Schwarzgeld besitze, oder dass ich Geld in die Schweiz schaffe. Wenn ich mit 10.000 Euro Steuervorauszahlung in der Hosentasche ins Finanzamt fahre, dann wird das Geld wahrscheinlich gar nicht angenommen. Ich werde mich dem halt unterwerfen, aber das tut mir nicht großartig weh.
Noack: Die Freiheit in diesem Land muss man sich auch leisten können, seine Meinung offen kundzutun. Freie Meinungsäußerung kostet, in ihrem Fall über 300.000 Euro.
Söllner: Ich hab’s anscheinend auch verdient. Ich glaube, dass ich mir diese freie Meinungsäußerung auch geleistet hätte, wenn ich dieses Geld nicht gehabt hätte, weil dann hätte ich vielleicht nur 300 Euro Strafe zahlen müssen.
Noack: Stimmt es, dass ein einziges Lied singen, die Beleidigung einer Polizistin, mal 40.000 Euro gekostet hat?
Söllner: Viermal haben sie mich erwischt, wie ich das gesungen habe. Viermal 38.000Euro hat der Spaß gekostet.
Noack: Die faschistischen Vergleiche mit Franz-Josef Strauß, Peter Gauweiler und dem damaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein, wie hoch sind die ausgefallen?
Söllner: Für die Beleidigung der Polizistin habe ich so rund 200.000 Euro gezahlt und für den Rest 100.000.
Noack: Kommen wir zurück zur Musik und zu den Songs auf "Mei Zuastand". Der Tod und das Sterben sind zentrale Themen auf dem neuen Album. Haben Sie das Gefühl, dass der Tod näher rückt und dass das Singen über den Tod die Angst davor ein bisschen vertreiben kann?
Söllner: Der Tod wird ein zentrales Thema. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass mir leichter wird, wenn ich viel über ihn spreche, sondern er ist für mich einfach allgegenwärtig und dadurch rede ich über ihn. Ich rede auch über Sexualität, übers Kiffen, oder über das Essen, weil das allgegenwärtig ist. Das sind einfach meine Themen. Auch über die Polizei, über Kontrollen, spreche ich auch viel.
Ab einem bestimmten Alter, glaube ich, nimmst du den Tod halt wahr, er ist ja immer da.
Die Todesarten in meinen Liedern haben immer damit zu tun, dass du in Würde sterben darfst. Ich möchte nicht im Sommer sterben und ich möchte es gerne selbst ein bisschen in der Hand haben."
Noack: Welchen Tod wünscht sich Hans Söllner?
Söllner: Dass es an einem kalten Dezembertag zuhause im Kreise der Familie stattfindet. Meine Söhne sind da, meine Töchter sind da und ich bin 80 oder 90. Das würde ich mir wünschen.
Noack: Die vielen 15- bis 25-, 30-Jährigen, die nach wie vor zu den Hans Söllner-Konzerten strömen halten jung. Wie erklären Sie sich, dass so viele Junge immer wieder nachwachsen?
Söllner: Ich glaube, dass ich eine bestimmte Art von Wahrheit weiß. Über mein Leben und über das, was ich gesehen habe. Dass ich den jungen Leuten jetzt schon sage, dass, wenn sie so weitermachen wie die Alten, dann funktioniert das nicht. Und ich glaube, die brauchen das. Die brauchen diese Wahrheit.
Noack: Aber das war jetzt Hans Söllner der Prophet. Andere sagen aber, das ist der kiffende Rebell oder Anarchist, auf den sich alle einigen können. Den lässt man gewähren, weil er so eine Art Hofnarr ist, wie ihn sich die Könige früher gehalten haben.
Söllner: Ich glaube, dass das mittlerweile bei mir so ist. Aber, der Hofnarr hat’s nur im Hof gemacht und ich machs im ganzen Staat. Und der Staat ist kein Hof. Der Hofnarr war immer in der Nähe vom König, das bin ich nicht, ich bin eigentlich weit weg von ihm. Das ist der einzige Unterschied. Und deswegen sind die jungen Leute auch bei mir, weil sie merken, ich bin nicht deren Hofnarr. Aber sie halten mich so. Ich werde nicht großartig kontrolliert. Jetzt ganz ehrlich: Was wäre leichter, als mir den Führerschein zu nehmen?
Noack: Sie fallen also nach wie vor durch jeden THC-Test durch?
Söllner: Ich würde durch jeden durchfallen. Aber ich hab ja keine Tests. Was ich ihnen anbieten kann ist, dass ich es nicht mehr mache wie ein 18-Jähriger, sondern wie ein 56-Jähriger. Wenn ich heute auf Tour bin, rauche ich. Zuhause, privat, rauche ich überhaupt nicht. Ich mag da fit sein und alles mitkriegen. Und du bist einfach anders drauf, wenn du etwas geraucht hast. Du bist weg von hier. Du hast eine Bewusstseinsöffnung. Du bist nicht aufnahmefähig für gewisse Sachen, die passieren. Und ich habe ein paar kleine Kinder und will einfach fit sein. Aber wenn ich auf Tour unterwegs bin, dann habe ich einen Fahrer dabei und dadurch kann ich rauchen die zwei Wochen, die ich unterwegs bin. Und da ich das nicht mische, kann ich das nach 14 Tagen abstellen, mach den Joint aus und hab das dann sechs Wochen nicht, interessiert mich dann gar nicht. Ich habe mit dieser Droge umzugehen gelernt und ich glaube, dass ich das kann. Und das finde ich korrekt. Das kannst du nur, wenn du dir die Freiheit selbst nimmst, zu sagen, ich entscheide das für mich, niemand sonst.
Ich bin nicht dafür, dass 14-Jährige rauchen. Überhaupt nicht. Ich bin auch nicht dafür, dass 16-Jährige Alkohol trinken. Aber sie werden es nicht lernen über Verbote. Und wenn ein 14-Jährgiger Probleme hat mit Drogen, oder mit Alkohol oder Marihuana, dann wird er nicht weniger Probleme haben, wenn sich die Polizei einschaltet, wenn Richter dabei sind, Staatsanwälte, wenn es Strafen gibt, wenn er die Schule verlassen muss, wenn er einen Job nicht mehr bekommt, wenn ihn die Eltern rausschmeißen. Es kann mir keiner erzählen, dass so etwas funktioniert und deshalb sollten sie es einfach abstellen, sonst nichts.
Noack: Und warum mussten die Dreadlocks runter?"
Söllner: Die mussten nicht runter. Definitiv habe ich nicht die richtige Haarstruktur dafür. Die waren immer nass und feucht im Herbst. Ich hatte immer ein steifes Genick. Nach dem Waschen waren die ganze Nacht Haare und Kopfkissen nass. Irgendwann nervt das einfach. Die Afrikaner haben eine ganz andere Haarstruktur. Wenn die aus dem Wasser auftauchen, siehst du richtig, wie sich deren Bürste aufstellt. Die schüttlen einmal den Kopf und sind sofort trocken. Das hab ich nicht.
Noack: Und die Dreadlocks sind wirklich bei eBay versteigert worden?
Söllner: Ja, die hab ich bei eBay versteigert, war eine nette Sache.
Noack: Und was haben Hans Söllner Dreadlocks gebracht?"
Söllner: 800 Euro habe ich bekommen.
Noack: Alle zusammen?
Söllner: Alle zusammen. Hab ich total nett gefunden. Bin ich mit der Family essen gegangen.
Hans Söllner: "Das Lied ist 15 Jahre alt. Ich hab es ihnen ja schon vor diesen zehn Jahren gesagt, dass es so nicht geht. Im Grunde genommen haben sie uns neidisch gemacht auf die Leute, die von außerhalb hier reinkommen. Das war ihr Plan und der Plan ist irgendwie aufgegangen. Das hab ich sehr früh gemerkt. Und wenn ich sie sage, dann meine ich die politische Macht, die wirtschaftliche Macht. Ich glaube, dass es früh genug Leute gegeben hat, nicht nur mich, sondern auch andere Leute, die in der Kunst, in der Szene tätig waren, die ihnen gesagt haben, was sie empfinden, wenn sie ihnen da draußen zuschauen. Wann war denn Hoyerswerda, die ganzen Anschläge? Wann sind wir denn auf die Demonstrationen gegangen, als es um die Demokratie ging. Seit 30 Jahren ignorieren sie im Grunde genommen, dass der Mensch ein Grundbedürfnis nach Sicherheit hat. Und ich möchte einfach in dieser Welt da draußen angstlos spazieren gehen können. Und dann erfahre ich, dass ausgerechnet die, auf die ich mich verlassen können sollte, die größten Versager sind.
Noack: "Sie haben sich mit diesem Staat in Liedern, aber auch außerhalb der Musik, über 25 Jahre lang immer wieder angelegt und sich auch nie den Mund verbieten lassen, dafür haben sie aber auch hohe Strafen gezahlt. War’s das letztlich wert?
Söllner: Letztlich ist die Freiheit noch viel mehr wert, als die 300.000 Euro, die ich gezahlt habe. Letztlich ist Freiheit das Leben wert im Grunde genommen. Denn wenn ich nicht frei bin, dann ... Das ist mein Empfinden. Herrgott! Ich kann immer nur sagen, dass das meins ist. Ich hab mich so entschieden. Ich konnte das auch so entscheiden, weil ich niemand hatte mit 22. Ich war ungebunden. Ich hatte keine Kinder, keine Familie. Mir haben 700 Mark zum Leben gereicht. Ich konnte zum Demonstrieren fahren, um 11 Uhr Vormittag und um 3 Uhr Nachmittag. Das geht heute nicht mehr so, weil Kohle rangeschafft werden muss, damit du dir den ganz normalen Lebensstandard-Wahnsinn leisten kannst. Du kannst es nicht regeln. Entweder du lässt ein Lebewesen leben, oder du lässt es nicht leben. Ich kann einfach nur sagen, dass ein Lebewesen, dass nicht artgerecht gehalten wird Ausfälle hat. Und ich glaube, dass da draußen die meisten Leute nicht artgerecht gehalten werden, weil sie nicht mehr selbst bestimmen können, was sie essen wollen, wie sie leben wollen, mit wem sie zusammen sein wollen, wo sie wohnen wollen, das ist ein Grundbedürfnis wie Sexualität, und wenn du das jemand über einen längeren Zeitraum nimmst, dann glaube ich einfach, dass Ausfälle passieren. Sprich, du suchst dir jemand, der schuld sein könnte, dass es dir so schlecht geht.
Noack: Wie schaut denn ihr Freiheitsbegriff aus?
Söllner: Mein Freiheitsbegriff ist ein ganz einfacher. Ich versuche, dort zu leben, wo es mir gefällt, und ich lebe da, wo es mir gefällt. Ich lebe im Berchtesgadener Land. Freiheit bedeutet für mich auch, dass ich in ein Haus gehe, wo ich gerne gesehen bin, wo sich jemand auf mich freut. Und ich bin auch davon überzeugt, dass es jedem Afrikaner in Afrika besser gefallen würde, als in Deutschland, aber er hat halt nichts zu essen dort. Eigentlich sollten wir unsere Länder aufmachen für die, die wir seit 100 Jahren ausbeuten. Diese Menschen sollten leben können bei uns. Nicht, dass sie sich gezwungener Maßen auf dunklen Pfaden über Scheiß-Schlepper-Banden, die auch noch einen Haufen Geld bekommen, in unser Land reinschleichen müssen. Wir sollten sagen: Kommt zu uns!
Ich hab immer dieses Bedürfnis zu sagen: Das ist unsere Welt. Und die hat nicht Merkel zu leiten, oder ein Sarkozy oder irgendwer. Die Merkel ist nicht so unterwegs wie ich. Ich weiß, dass sie ohne Kinder ein Land regiert. Da sagen sie immer, dass die Kinder immer weniger werden und dann schaue ich mir an, wie sie mit ihren Kindern umgehen, was sie ihnen zeigen, was sie lernen müssen, was sie aus ihnen machen. Zwölf-Stunden-Tage für einen 17-Jährigen, dass ist gar nichts. Das ist die Regel. Da müssen die Kinder noch musisch erzogen werden und zum Sport und vor lauter Stress haben sie keine sozialen Kontakte mehr und dann wundern sich die Verantwortlichen, wenn diese Jugendlichen plötzlich aufeinander losgehen und gewalttätig werden, saufen und sich ihre Auszeit über Drogen nehmen. Da muss ich nicht Sozialwissenschaften acht Semester belegt haben, damit ich weiß, da stimmt etwas nicht mehr.
Vielleicht probieren wir es einfach mit einem Grundgehalt. Und dafür geben wir den Banken nichts, verdammt noch mal.
Noack: Sie wollten letztes Jahr ihre Konten auflösen, weil sie mit den Banken nicht einverstanden waren und sind. Wie ist dieses Experiment gelaufen?
Söllner: Das ist sehr schnell beendet gewesen, das Experiment, weil ich kann ohne Konten überhaupt keine Steuerführung machen in diesem Land. Das heißt, wenn ich keine Konten mehr habe, wird mir ständig unterstellt, dass ich Schwarzgeld besitze, oder dass ich Geld in die Schweiz schaffe. Wenn ich mit 10.000 Euro Steuervorauszahlung in der Hosentasche ins Finanzamt fahre, dann wird das Geld wahrscheinlich gar nicht angenommen. Ich werde mich dem halt unterwerfen, aber das tut mir nicht großartig weh.
Noack: Die Freiheit in diesem Land muss man sich auch leisten können, seine Meinung offen kundzutun. Freie Meinungsäußerung kostet, in ihrem Fall über 300.000 Euro.
Söllner: Ich hab’s anscheinend auch verdient. Ich glaube, dass ich mir diese freie Meinungsäußerung auch geleistet hätte, wenn ich dieses Geld nicht gehabt hätte, weil dann hätte ich vielleicht nur 300 Euro Strafe zahlen müssen.
Noack: Stimmt es, dass ein einziges Lied singen, die Beleidigung einer Polizistin, mal 40.000 Euro gekostet hat?
Söllner: Viermal haben sie mich erwischt, wie ich das gesungen habe. Viermal 38.000Euro hat der Spaß gekostet.
Noack: Die faschistischen Vergleiche mit Franz-Josef Strauß, Peter Gauweiler und dem damaligen bayerischen Innenminister Günther Beckstein, wie hoch sind die ausgefallen?
Söllner: Für die Beleidigung der Polizistin habe ich so rund 200.000 Euro gezahlt und für den Rest 100.000.
Noack: Kommen wir zurück zur Musik und zu den Songs auf "Mei Zuastand". Der Tod und das Sterben sind zentrale Themen auf dem neuen Album. Haben Sie das Gefühl, dass der Tod näher rückt und dass das Singen über den Tod die Angst davor ein bisschen vertreiben kann?
Söllner: Der Tod wird ein zentrales Thema. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass mir leichter wird, wenn ich viel über ihn spreche, sondern er ist für mich einfach allgegenwärtig und dadurch rede ich über ihn. Ich rede auch über Sexualität, übers Kiffen, oder über das Essen, weil das allgegenwärtig ist. Das sind einfach meine Themen. Auch über die Polizei, über Kontrollen, spreche ich auch viel.
Ab einem bestimmten Alter, glaube ich, nimmst du den Tod halt wahr, er ist ja immer da.
Die Todesarten in meinen Liedern haben immer damit zu tun, dass du in Würde sterben darfst. Ich möchte nicht im Sommer sterben und ich möchte es gerne selbst ein bisschen in der Hand haben."
Noack: Welchen Tod wünscht sich Hans Söllner?
Söllner: Dass es an einem kalten Dezembertag zuhause im Kreise der Familie stattfindet. Meine Söhne sind da, meine Töchter sind da und ich bin 80 oder 90. Das würde ich mir wünschen.
Noack: Die vielen 15- bis 25-, 30-Jährigen, die nach wie vor zu den Hans Söllner-Konzerten strömen halten jung. Wie erklären Sie sich, dass so viele Junge immer wieder nachwachsen?
Söllner: Ich glaube, dass ich eine bestimmte Art von Wahrheit weiß. Über mein Leben und über das, was ich gesehen habe. Dass ich den jungen Leuten jetzt schon sage, dass, wenn sie so weitermachen wie die Alten, dann funktioniert das nicht. Und ich glaube, die brauchen das. Die brauchen diese Wahrheit.
Noack: Aber das war jetzt Hans Söllner der Prophet. Andere sagen aber, das ist der kiffende Rebell oder Anarchist, auf den sich alle einigen können. Den lässt man gewähren, weil er so eine Art Hofnarr ist, wie ihn sich die Könige früher gehalten haben.
Söllner: Ich glaube, dass das mittlerweile bei mir so ist. Aber, der Hofnarr hat’s nur im Hof gemacht und ich machs im ganzen Staat. Und der Staat ist kein Hof. Der Hofnarr war immer in der Nähe vom König, das bin ich nicht, ich bin eigentlich weit weg von ihm. Das ist der einzige Unterschied. Und deswegen sind die jungen Leute auch bei mir, weil sie merken, ich bin nicht deren Hofnarr. Aber sie halten mich so. Ich werde nicht großartig kontrolliert. Jetzt ganz ehrlich: Was wäre leichter, als mir den Führerschein zu nehmen?
Noack: Sie fallen also nach wie vor durch jeden THC-Test durch?
Söllner: Ich würde durch jeden durchfallen. Aber ich hab ja keine Tests. Was ich ihnen anbieten kann ist, dass ich es nicht mehr mache wie ein 18-Jähriger, sondern wie ein 56-Jähriger. Wenn ich heute auf Tour bin, rauche ich. Zuhause, privat, rauche ich überhaupt nicht. Ich mag da fit sein und alles mitkriegen. Und du bist einfach anders drauf, wenn du etwas geraucht hast. Du bist weg von hier. Du hast eine Bewusstseinsöffnung. Du bist nicht aufnahmefähig für gewisse Sachen, die passieren. Und ich habe ein paar kleine Kinder und will einfach fit sein. Aber wenn ich auf Tour unterwegs bin, dann habe ich einen Fahrer dabei und dadurch kann ich rauchen die zwei Wochen, die ich unterwegs bin. Und da ich das nicht mische, kann ich das nach 14 Tagen abstellen, mach den Joint aus und hab das dann sechs Wochen nicht, interessiert mich dann gar nicht. Ich habe mit dieser Droge umzugehen gelernt und ich glaube, dass ich das kann. Und das finde ich korrekt. Das kannst du nur, wenn du dir die Freiheit selbst nimmst, zu sagen, ich entscheide das für mich, niemand sonst.
Ich bin nicht dafür, dass 14-Jährige rauchen. Überhaupt nicht. Ich bin auch nicht dafür, dass 16-Jährige Alkohol trinken. Aber sie werden es nicht lernen über Verbote. Und wenn ein 14-Jährgiger Probleme hat mit Drogen, oder mit Alkohol oder Marihuana, dann wird er nicht weniger Probleme haben, wenn sich die Polizei einschaltet, wenn Richter dabei sind, Staatsanwälte, wenn es Strafen gibt, wenn er die Schule verlassen muss, wenn er einen Job nicht mehr bekommt, wenn ihn die Eltern rausschmeißen. Es kann mir keiner erzählen, dass so etwas funktioniert und deshalb sollten sie es einfach abstellen, sonst nichts.
Noack: Und warum mussten die Dreadlocks runter?"
Söllner: Die mussten nicht runter. Definitiv habe ich nicht die richtige Haarstruktur dafür. Die waren immer nass und feucht im Herbst. Ich hatte immer ein steifes Genick. Nach dem Waschen waren die ganze Nacht Haare und Kopfkissen nass. Irgendwann nervt das einfach. Die Afrikaner haben eine ganz andere Haarstruktur. Wenn die aus dem Wasser auftauchen, siehst du richtig, wie sich deren Bürste aufstellt. Die schüttlen einmal den Kopf und sind sofort trocken. Das hab ich nicht.
Noack: Und die Dreadlocks sind wirklich bei eBay versteigert worden?
Söllner: Ja, die hab ich bei eBay versteigert, war eine nette Sache.
Noack: Und was haben Hans Söllner Dreadlocks gebracht?"
Söllner: 800 Euro habe ich bekommen.
Noack: Alle zusammen?
Söllner: Alle zusammen. Hab ich total nett gefunden. Bin ich mit der Family essen gegangen.