Friedbert Meurer: Über das ganze Wochenende lautete die bange Frage heute Morgen natürlich auch: Wie werden die Märkte, die Finanzmärkte darauf reagieren, dass übers Wochenende die USA von Standard & Poor's Ratingagentur herabgestuft worden sind von AAA auf AA+? Zwei Möglichkeiten gab es prinzipiell: Eine Gruppe sagte, es kommt heute zum Crash an den Märkten, zum Schwarzen Montag; die andere war optimistischer und meint, das haben die Märkte doch letzte Woche schon eingepreist, als die Börsen auf eine unerhörte Talfahrt gegangen sind! Am Telefon hat mitgehört der FDP-Bundestagsabgeordnete, Finanzexperte Frank Schäffler, der in der Vergangenheit immer wieder mit recht deutlicher Kritik an den EU- und Euro-Rettungsplänen und -schirmen von sich reden gemacht hat. Guten Morgen, Herr Schäffler!
Frank Schäffler: Guten Morgen!
Meurer: Zunächst die Frage zu dem, was wir heute Morgen erleben: Leichte Kursverluste. Beruhigt Sie das etwas, dass es offenbar doch nicht zum Schwarzen Montag heute kommt?
Schäffler: Nein, denn wir befinden uns in einer Interventionsspirale und da erleben wir zurzeit die Anfänge. Na ja, und ich glaube, das wird so weitergehen. Denn wenn die EZB quasi Staatsanleihen von Italien aufkauft, dann wird sie das nicht in kleinen Schritten tun, wie das bei Griechenland oder Portugal der Fall war, sondern dann wird sie ganz tief intervenieren und dann werden wir eine neue Stufe dieser Finanzkrise in Europa erleben. Und deshalb besorgt mich das sehr.
Meurer: Es werden ja von der EZB nur Anleihen aufgekauft auf dem sogenannten Sekundärmarkt. Also italienische Staatsanleihen, die sozusagen schon im Handel sind. Von welchem Volumen können wir da ausgehen, wird das relativ moderat bleiben?
Schäffler: Nein. Die italienische Staatsverschuldung ist ja fast so hoch wie die deutsche, obwohl die Wirtschaftsleistung Italiens erheblich geringer ist. Das heißt, wenn man tatsächlich die Rendite beeinflussen will der italienischen Staatsanleihen, muss man das in viel, viel größerer Größenordnung machen als mit den 75 Milliarden, die bei den griechischen und bei den portugiesischen Staatsanleihen bisher von der EZB gekauft wurden. Also, das heißt, das werden wir in viel, viel größerer Dimension erleben so lange, bis eben der neue Rettungsfonds selbst in die Lage versetzt wird. Denn das war ja eigentlich das Ziel der EZB und von Herrn Trichet, dass diese Rolle des Anleihenaufkäufers eben nicht mehr die EZB selbst machen soll, sondern eben der Rettungsfonds. Aber das ist linke Tasche, rechte Tasche, unterm Strich ist beides aus meiner Sicht rechtswidrig und entspricht nicht dem Geist des Euro, den wir damals geschaffen haben.
Meurer: Was soll die EZB denn sonst machen? Nichts tun?
Schäffler: Die EZB sollte dafür sorgen, dass sie zu einer stabilen Geldpolitik zurückkommt. Vertrauen schafft man nicht dadurch, indem man sämtliche Regeln verletzt, die man selbst geschaffen hat oder die andere für sie geschaffen haben, sondern indem man sukzessive auch wieder zu einer stabilen Geldpolitik zurückkommt. Denn das ist die Ursache der Krise. Die Krise ist dadurch verursacht worden, dass die EZB und andere Notenbanken dieser Welt die Geldpolitik pervertiert haben, aus dem Nichts Geld produziert haben, zugelassen haben, dass Banken per Knopfdruck Kredite und damit Geld produzieren können. Und sie haben das angeschickt durch ihre billige Zinspolitik. Und der Zins drückt eben nicht mehr den Preis für eine Investition aus, sondern der Zins in unserer jetzigen Situation drückt eben ja eine konjunkturpolitische Entscheidung einer Notenbank aus. Und diese konjunkturpolitische Entscheidung, die hat zu dieser Finanzkrise geführt, die wir jetzt derzeit haben.
Meurer: Es hat ja gestern Abend eine Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, die beziehen sich dann beide auf den Gipfelbeschluss vom 21. Juli 2011, und darin wird noch mal auf das Instrument verwiesen, Staatsanleihen zu kaufen auf den Sekundärmärkten. Werden Sie, Herr Schäffler, dafür eintreten, dass der Bundestag sich querstellt gegen solche und ähnliche Pläne?
Schäffler: Ja, denn diese Pläne widersprechen dem Bundestagsbeschluss vom März diesen Jahres. Da hat der Bundestag ausdrücklich ausgeschlossen, dass Schuldenaufkaufprogramme durch den Euro-Raum finanziert werden. Und genau das haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen. Also, wenn der Deutsche Bundestag seine eigenen Beschlüsse ernst nimmt, dann kann er das nicht laufen lassen. Und die Bundeskanzlerin hat das Gegenteil dessen verhandelt, was der Deutsche Bundestag ihr mit auf den Weg gegeben hat. Und da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder degradiert sich der Deutsche Bundestag selbst zu einem Abnickverein oder er steht auch auf in dieser Frage und sagt, dass seine Beschlüsse bitte auch von der Regierung umgesetzt werden müssen.
Meurer: Aber die Europäische Zentralbank ist unabhängig, folgt nicht den Weisungen des Bundestages.
Schäffler: Die Europäische Zentralbank ist unabhängig, aber nicht unabhängig von Recht und Gesetz, sondern sie hat ihre Unabhängigkeit quasi durch Gesetz bekommen und in diesem gesetzlichen Rahmen kann sie agieren. Und wenn sie außerhalb des gesetzlichen Rahmens agiert, dann muss man sie auch kritisieren und dann muss man sie auch in die Schranken weisen. Das, was Herr Trichet am 10. Mai letzten Jahres gemacht hat, indem er, wie Herr Schlesinger damals es bezeichnet hat, den Rubikon überschritten hat, indem die Staatsanleihen aufgekauft wurden, das widerspricht dem Geist des Euro, aber auch der D-Mark, die wir ja damals abgegeben haben. Und das hat dazu geführt, dass wir jetzt in dieser schlimmen Situation sind und wir befürchten müssen, dass eben nicht nur Griechenland oder Portugal oder Irland zum Stützungsfall werden, sondern eben auch große Volkswirtschaften in Europa.
Meurer: Herr Schäffler, fordern Sie, dass die Bundeskanzlerin aus dem Urlaub zurückkommt, dass es eine Sondersitzung des Bundestages geben soll?
Schäffler: Ja, ich habe das ja direkt nach dem Gipfel schon gefordert, denn ich glaube, dass die Krise sich zuspitzen wird, dass wir nicht Zeit haben bis im September, um diese Dinge zu besprechen, sondern die Ereignisse überschlagen sich. Das merkt man jetzt aktuell und deshalb war es vor zwei Wochen schon richtig, diese Forderung aufzustellen. Sie ist jetzt erst recht richtig.
Meurer: Schönen Dank! Das war der FDP-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Frank Schäffler im Deutschlandfunk. Danke, Herr Schäffler, und auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Frank Schäffler: Guten Morgen!
Meurer: Zunächst die Frage zu dem, was wir heute Morgen erleben: Leichte Kursverluste. Beruhigt Sie das etwas, dass es offenbar doch nicht zum Schwarzen Montag heute kommt?
Schäffler: Nein, denn wir befinden uns in einer Interventionsspirale und da erleben wir zurzeit die Anfänge. Na ja, und ich glaube, das wird so weitergehen. Denn wenn die EZB quasi Staatsanleihen von Italien aufkauft, dann wird sie das nicht in kleinen Schritten tun, wie das bei Griechenland oder Portugal der Fall war, sondern dann wird sie ganz tief intervenieren und dann werden wir eine neue Stufe dieser Finanzkrise in Europa erleben. Und deshalb besorgt mich das sehr.
Meurer: Es werden ja von der EZB nur Anleihen aufgekauft auf dem sogenannten Sekundärmarkt. Also italienische Staatsanleihen, die sozusagen schon im Handel sind. Von welchem Volumen können wir da ausgehen, wird das relativ moderat bleiben?
Schäffler: Nein. Die italienische Staatsverschuldung ist ja fast so hoch wie die deutsche, obwohl die Wirtschaftsleistung Italiens erheblich geringer ist. Das heißt, wenn man tatsächlich die Rendite beeinflussen will der italienischen Staatsanleihen, muss man das in viel, viel größerer Größenordnung machen als mit den 75 Milliarden, die bei den griechischen und bei den portugiesischen Staatsanleihen bisher von der EZB gekauft wurden. Also, das heißt, das werden wir in viel, viel größerer Dimension erleben so lange, bis eben der neue Rettungsfonds selbst in die Lage versetzt wird. Denn das war ja eigentlich das Ziel der EZB und von Herrn Trichet, dass diese Rolle des Anleihenaufkäufers eben nicht mehr die EZB selbst machen soll, sondern eben der Rettungsfonds. Aber das ist linke Tasche, rechte Tasche, unterm Strich ist beides aus meiner Sicht rechtswidrig und entspricht nicht dem Geist des Euro, den wir damals geschaffen haben.
Meurer: Was soll die EZB denn sonst machen? Nichts tun?
Schäffler: Die EZB sollte dafür sorgen, dass sie zu einer stabilen Geldpolitik zurückkommt. Vertrauen schafft man nicht dadurch, indem man sämtliche Regeln verletzt, die man selbst geschaffen hat oder die andere für sie geschaffen haben, sondern indem man sukzessive auch wieder zu einer stabilen Geldpolitik zurückkommt. Denn das ist die Ursache der Krise. Die Krise ist dadurch verursacht worden, dass die EZB und andere Notenbanken dieser Welt die Geldpolitik pervertiert haben, aus dem Nichts Geld produziert haben, zugelassen haben, dass Banken per Knopfdruck Kredite und damit Geld produzieren können. Und sie haben das angeschickt durch ihre billige Zinspolitik. Und der Zins drückt eben nicht mehr den Preis für eine Investition aus, sondern der Zins in unserer jetzigen Situation drückt eben ja eine konjunkturpolitische Entscheidung einer Notenbank aus. Und diese konjunkturpolitische Entscheidung, die hat zu dieser Finanzkrise geführt, die wir jetzt derzeit haben.
Meurer: Es hat ja gestern Abend eine Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, die beziehen sich dann beide auf den Gipfelbeschluss vom 21. Juli 2011, und darin wird noch mal auf das Instrument verwiesen, Staatsanleihen zu kaufen auf den Sekundärmärkten. Werden Sie, Herr Schäffler, dafür eintreten, dass der Bundestag sich querstellt gegen solche und ähnliche Pläne?
Schäffler: Ja, denn diese Pläne widersprechen dem Bundestagsbeschluss vom März diesen Jahres. Da hat der Bundestag ausdrücklich ausgeschlossen, dass Schuldenaufkaufprogramme durch den Euro-Raum finanziert werden. Und genau das haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen. Also, wenn der Deutsche Bundestag seine eigenen Beschlüsse ernst nimmt, dann kann er das nicht laufen lassen. Und die Bundeskanzlerin hat das Gegenteil dessen verhandelt, was der Deutsche Bundestag ihr mit auf den Weg gegeben hat. Und da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder degradiert sich der Deutsche Bundestag selbst zu einem Abnickverein oder er steht auch auf in dieser Frage und sagt, dass seine Beschlüsse bitte auch von der Regierung umgesetzt werden müssen.
Meurer: Aber die Europäische Zentralbank ist unabhängig, folgt nicht den Weisungen des Bundestages.
Schäffler: Die Europäische Zentralbank ist unabhängig, aber nicht unabhängig von Recht und Gesetz, sondern sie hat ihre Unabhängigkeit quasi durch Gesetz bekommen und in diesem gesetzlichen Rahmen kann sie agieren. Und wenn sie außerhalb des gesetzlichen Rahmens agiert, dann muss man sie auch kritisieren und dann muss man sie auch in die Schranken weisen. Das, was Herr Trichet am 10. Mai letzten Jahres gemacht hat, indem er, wie Herr Schlesinger damals es bezeichnet hat, den Rubikon überschritten hat, indem die Staatsanleihen aufgekauft wurden, das widerspricht dem Geist des Euro, aber auch der D-Mark, die wir ja damals abgegeben haben. Und das hat dazu geführt, dass wir jetzt in dieser schlimmen Situation sind und wir befürchten müssen, dass eben nicht nur Griechenland oder Portugal oder Irland zum Stützungsfall werden, sondern eben auch große Volkswirtschaften in Europa.
Meurer: Herr Schäffler, fordern Sie, dass die Bundeskanzlerin aus dem Urlaub zurückkommt, dass es eine Sondersitzung des Bundestages geben soll?
Schäffler: Ja, ich habe das ja direkt nach dem Gipfel schon gefordert, denn ich glaube, dass die Krise sich zuspitzen wird, dass wir nicht Zeit haben bis im September, um diese Dinge zu besprechen, sondern die Ereignisse überschlagen sich. Das merkt man jetzt aktuell und deshalb war es vor zwei Wochen schon richtig, diese Forderung aufzustellen. Sie ist jetzt erst recht richtig.
Meurer: Schönen Dank! Das war der FDP-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Frank Schäffler im Deutschlandfunk. Danke, Herr Schäffler, und auf Wiederhören!
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