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"Ich glaube nicht, dass man mit Kunst etwas verändert"

Er ist der "Godfather Of Mod" oder besser: der "Modfather". Paul Weller begründete mit The Jam Ende der 70er-Jahre das Mod-Revival. All das interessiert Weller heute nicht mehr. Auf seinem neuen Album "Sonik Kicks" gibt es stattdessen Krautrock, Balkan-Polka und zuckersüße Geigen.

Paul Weller im Gespräch mit Amy Zayed |
    Amy Zayed:
    Es sind nicht einmal ganz zwei Jahre vergangen, seit Sie das Studioalbum "Wake up the nation" veröffentlicht haben. Trotzdem kommt jetzt schon das nächste. Hatten Sie schon wieder so viele Ideen?

    Paul Weller: Nach dem letzten Album waren wir wohl der Meinung, dass das eine ziemlich aufregende Platte geworden ist. Und bei jeder guten Platte, die Du machst, denkst Du am Ende, vielleicht können wir das sogar noch übertreffen? Und das haben wir mit dem neuen Album meiner Meinung nach auch irgendwie geschafft. Es klingt anders als der Vorgänger. Natürlich ist es von ihm beeinflusst, aber wir wollten uns weiter entwickeln.

    Zayed: Das ist Ihnen gelungen. Die akustischen Passagen fehlen vollkommen, und Songs wie "Around the lake" sind sehr rockbetont. Das hat mich beim Hören schon überrascht.

    Weller: Das sind teilweise Einflüsse von Bands wie "Neu", dieser deutschen Band aus den 70er-Jahren. Dieser Titel ist auf jeden Fall von ihnen beeinflußt. Ich denke, ein bisschen was von ihnen ist gleich in mehreren Stücken dieses Albums zu erkennen. Und was ziemlich lustig war: wir haben Michael Rother, den Gitarristen von Neu, dazu gebracht, einen Remix von "Around the lake" zu machen. Der wird aber erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht, vielleicht als Bonus-Titel.

    Zayed: Was sagen Sie eigentlich Leuten, die fragen, ob Sie noch mal etwas im Stil von "The Jam" machen, ihrer alten Band?

    Weller: Warum sollte ich das tun? Ich weiß es nicht und ich verstehe solche Fragen nicht. Es sind sicherlich Aspekte davon in meiner derzeitigen Musik zu finden. Aber was für einen Sinn hätte es, nochmal genauso so zu klingen wie vor 30 Jahren? Diese Art von Sound möchte ich nicht wiederaufgreifen. Das wäre doch vergebliche Liebesmüh. Wie gesagt, manches von dem, was ich als jüngerer Mensch gemacht habe, kommt heute in meiner Musik immer noch vor. Vor allem mein letztes Album "Wake up the nation" klang stellenweise wie ein ein Echo dieser früheren Zeit. Aber ich habe genug Spaß an der Musik, die ich jetzt mache.

    Zayed: Und Sie spielen ja auch damit, mehr als 30 Jahre im Geschäft zu sein. Der Titel "That dangerous age" – zu Deutsch "Dieses gefährliche Alter" – wirkt doch sehr ironisch. Gefährliches Alter - da denkt man eigentlich erst mal an rebellische Teenager.

    Weller: Naja, darin mache ich mich ziemlich lustig über dieses Midlife-Crisis – Ding. Das im übrigen völlig an mir vorbei geht! Ich nehme die Vorurteile auf die Schippe, was Menschen um die 50 angeblich tun oder lassen sollten. Weil solche Denkweisen völlig überholt sind. Heutzutage wirken doch alle wesentlich jünger als sie in Wirklichkeit sind.

    Zayed: Glauben Sie eigentlich noch an Rebellion, oder anders gesagt: glauben Sie daran, dass Kunst Dinge verändern kann, zum Beispiel bei der ägyptischen Revolution?

    Weller: Ich glaube nicht, dass man mit Kunst etwas verändert. Kunst bildet das ab, was in der Welt passiert, jedenfalls sollte gute Kunst das tun. Kunst kann ein Soundtrack für Veränderungen sein, sie kann den Wandel unterstützen, vielleicht auch hinterfragen.

    Zayed: Und – tun Sie das noch in Ihren Liedern?

    Weller: Ich weiß nicht mal, ob ich das tue. Meine Musik spiegelt eher die Veränderungen in meinem eigenen Leben wieder. Das ist der Standpunkt, von dem ich schreibe. Ich habe keine feste Meinung darüber, wie man Gesellschaft verändert. Ich bin schon ganz froh, wenn ich versuche, mich selber ein Stück weit zu verändern. Mich und meine Musik.

    Zayed: Beim Hören des Songs "Kling I Klang" habe ich mich gefragt, ob sich Paul Weller wirklich noch für etwas interessiert.

    Weller: Natürlich bin ich immer daran interessiert, was um mich herum geschieht. Aber wenn ich das in meiner Musik reflektiere, dann eher beiläufig. Also, ich setze mich jetzt nicht hin und schreibe ganz bewusst ein politisches Lied. Das habe ich in den Achtzigern gemacht, aber, weil ich mich danach gefühlt habe. Ich achte sehr bewusst darauf, nicht dieselben Lieder wie damals zu schreiben. Nicht, weil sich so viel geändert hat, sondern damit ich mich nicht wiederhole. Ansonsten kommt es immer darauf an, welches Thema mich gerade interessiert. Aber ich hatte nie das brennende Verlangen, über Politik zu schreiben, dazu interessiert mich das nicht genug.

    Zayed: Sie gelten als einer der gefeiertesten englischen Songwriter. So ehrenvoll das mit Sicherheit sein mag, geht es Ihnen nicht manchmal auf die Nerven, wenn Leute Sie den "Modfather" nennen und Ihnen sagen, wie sehr sie Ihre Songs lieben? Fühlt man sich da nicht irgendwie seltsam?

    Weller: Ich kümmere mich da eigentlich nicht drum. Ich achte nicht besonders darauf, was andere von mir denken, welches Bild sie von mir haben. Ich lebe einfach mein Leben und tue das, was gerade anliegt.

    Zayed: Wenn man etwas über Paul Weller liest, ist oft von "Englishness" die Rede. Also, dass sie einen typisch britischen Sound haben, wenn es das denn gibt. Und auch ich habe immer den Eindruck, dass Ihre Songs so etwas wie ein Idealbild von England zeichnen. Macht Ihnen das Spaß?

    Weller: Ich bin mir dessen gar nicht so bewusst. Wenn sich das so anhört, naja: Engländer zu sein, das ist nun mal meine Kultur. Aber nehmen wir als Beispiel mal den Titel "By the waters" vom neuen Album. Ich habe ich mit meinem alten Freund Aziz Ibrahim geschrieben habe, ein hervorragender Gitarrist. Die Melodie, die wir für dieses Lied benutzen, ist eine Art Raga, sie kommt also aus dem Indischen. Da sind also ganz viele verschiedenen Facetten in meiner Musik.