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"Ich habe keine Lust, meinen Kindern ein Insektizid zu geben"

Die Journalistin Marie-Monique Robin wirft dem Saatgutkonzern Monsanto vor, mit nicht überprüfbaren Daten die Harmlosigkeit seiner genmanipulierten Maissorten zu behaupten. Sogenannte Bt-Pflanzen wie der in Deutschland nun verbotene "Mon810"-Mais hätten für die Verbraucher auch keinerlei Vorteile. Das Unternehmen strebe vielmehr die Kontrolle über die Nahrungskette an, sagte die Autorin eines Dokumentarfilms über die Praktiken von Monsanto.

Marie-Monique Robin im Gespräch mit Jasper Barenberg | 16.04.2009
    Jasper Barenberg: Keine Frage - eine lebhafte Debatte ist entbrannt, seit Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Anbau der einzigen in Europa bisher zugelassenen genveränderten Maissorte "Mon810" verboten hat, weil sie darin eine Gefahr für die Umwelt sieht. Nicht nachvollziehen kann das der Hersteller der Maissorte, der amerikanische Gentechnik-Konzern Monsanto. Björn Malcharczyk von Monsanto Deutschland sagte in diesem Programm:

    "'Mon810' ist sicher für die menschliche Gesundheit, für Tiere und die Umwelt. Das wird in der Ankündigung des Verbots von Frau Aigner ja bestritten, aber die überwiegende Mehrzahl der Studien belegt deutlich, dass keine Risikofaktoren ausgehen."

    Barenberg: Monsanto stellt unter anderem chemische Schädlingsbekämpfungsmittel und Unkrautvernichter her, außerdem ist der Konzern der weltweit größte Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut. Im Angebot sind auch Raps, Sojabohnen und Baumwolle. Mit dem Unternehmen intensiv und über Jahre beschäftigt hat sich die französische Journalisten Marie-Monique Robin. Ihr Dokumentarfilm über den Konzern und ein Buch haben für Aufsehen gesorgt, jetzt ist sie bei uns am Telefon, guten Morgen nach Paris!

    Marie-Monique Robin: Guten Morgen!

    Barenberg: Madame Robin, zunächst ein Zitat: "Mit den Werkzeugen der modernen Biologie verhelfen wir Landwirten umweltverträglich zu ertragreicheren Ernten." Das sagt Monsanto über Monsanto. Wie lautet nach Ihren Recherchen Ihr Urteil über den Konzern?

    Robin: Genau das Gegenteil eigentlich. Was ich da in drei Jahren Untersuchung gesehen habe, sei es in Nordamerika oder Südamerika oder Asien, Indien zum Beispiel ... Was Monsanto immer sagt, dass die Genpflanzen, also manipulierten Pflanzen, den Gebrauch von Insektiziden oder Herbiziden verringern werden - was man sehen kann, ist genau das Gegenteil. Das heißt: Zum Beispiel in Argentinien, wo ich letzte Woche war, haben sie 18 Millionen Hektar angebaut mit einem Soja. Die Pflanze wurde manipuliert, um gegen den "Roundup" - Sie wissen, das ist ein Herbizid, von Monsanto hergestellt -, die wurde manipuliert, um gegen "Roundup" resistent zu werden. Und inzwischen ist es so, dass das Unkraut, das das Herbizid vernichten soll, inzwischen auch resistent geworden ist. Das heißt, dass sie vier Mal so viele "Roundup" benutzen, um das Unkraut loszuwerden. Was die sogenannten Bt-Pflanzen angeht wie den Mais "Mon810", ist es auch genau dasselbe, das heißt, dass die Insekten auch resistent wurden. Das heißt, das funktioniert eigentlich gar nicht.

    Barenberg: Welche Gefahren gehen denn konkret von genveränderten Maissorten wie zum Beispiel der "Mon810" aus?

    Robin: Es gibt drei Gefahren, die ich sehe. Erst mal muss man daran denken, dass dieser Mais zum Beispiel Kühen oder Schweinen in Deutschland oder Frankreich gegeben wird, um die zu füttern. Das heißt, dass wir vielleicht das Fleisch von einem Schwein essen werden, darin wird ein Insektizid sein. Der Mais "Mon810" wurde manipuliert, um 24 Stunden am Tag ein Insektizid herzustellen. Das ist die erste Gefahr, die ich da sehe. Es wurden keine richtigen wissenschaftlichen Studien gemacht, um wirklich zu prüfen, dass es für die Verbraucher unbedenklich ist. Dann: Für die Umwelt ist es auch eine Gefahr anscheinend. Wenn Deutschland jetzt entschieden hat, diesen Genmais zu verbieten, beruht es auf einer Studie, die zeigt, dass das Bt, dieses Insektizid, für zum Beispiel Schmetterlinge oder Maikäfer gefährlich ist. Und das ist ganz normal: Was man inzwischen sieht - zum Beispiel in den Vereinigten Staaten gibt es vier Studien inzwischen und auch in China gibt es eine, die zeigt, dass nach ein paar Jahren die Insekten auch resistent werden gegen Bt, und dass viele Insekten verschwunden sind.

    Barenberg: Nun ist es ja so, dass einige Länder in Europa den Anbau erlauben, andere Länder - Frankreich zählt auch dazu - erlauben den Anbau dieser Maissorte nicht. Einige halten sie für gefährlich, andere nicht, und beide Seiten berufen sich immer auch auf wissenschaftliche Untersuchungen, auch Monsanto selber, wenn das Unternehmen sagt, es sei ungefährlich. Warum ist die Lage so schwierig?

    Robin: In Europa ist das einzige Land, wo der Mais "Mon810" angebaut werden darf, Spanien. Ich war vor Kurzem dort, die haben 80.000 Hektar. Die Studie für den Mais "Mon810", die existiert, das ist eine Studie, die von Monsanto geführt wurde, und die dauerte nur drei Monate. Das Problem bei dieser Studie ist: Wir haben eigentlich die Rohdaten von der Studie gar nicht, Monsanto will die nicht freigeben. Und das ist schon einmal passiert mit einem anderen Mais, dem Mais "Mon863". Die deutsche Regierung sollte eigentlich eine Klage gegen Monsanto machen, und das wurde dann im Hof entschieden, das war im Gerichtsverfahren in München, und Monsanto wurde dazu gezwungen, die Rohdaten freizugeben. Und dann, als sie endlich die Rohdaten hatten, wo Ratten mit dem Mais Bt über drei Monate gefüttert wurden, dann wurde entschieden, dass dieser Mais nicht angebaut wird in Europa. Wenn es wirklich kein Problem gibt mit dem Mais "Mon810", bitte die Rohdaten freilassen! Warum will Monsanto diese Rohdaten nicht freilassen? Ich befürchte, dass sie was verstecken.

    Barenberg: Sie kritisieren, dass Monsanto die Nahrungskette, die Nahrungsmittelkette weltweit beherrschen möchte. Welche Belege, welche Anzeichen haben Sie dafür?

    Robin: Die gentechnisch veränderten Pflanzen sind patentiert. Was heißt das? Das heißt, dass ich gesehen habe, dass in Kanada oder in den Vereinigten Staaten ein Landwirt, der Gen-Samen anbaut, einen Vertrag unterzeichnen muss. Und was sagt der Vertrag? Der Vertrag sagt: Er darf nicht mehr einen Teil seiner Ernte aufbehalten, um den wieder einzusäen im nächsten Jahr. Wenn er das macht, dann kommt die sogenannte Genpolizei. Die wurde von Monsanto gegründet. Das ist wirklich so, dass die Landwirte, die das nicht beweisen können, dass sie neue Samen gekauft haben jedes Jahr, dann haben sie ein Gerichtsverfahren, und sie verlieren. Denn überall auf der Welt müssen die Landwirte neue Samen von Monsanto kaufen, das ist der größte Markt auf der Welt. Das ist das, was sie erzielen mit diesen gentechnisch veränderten Pflanzen. Das hätte ich eigentlich nie gedacht, ich habe das nach drei Jahren verstanden, und sonst kann man auch nicht verstehen, warum inzwischen Monsanto in den letzten zehn Jahren mehr als 60 Saatgutunternehmen gekauft hat, in Nordamerika, in Südamerika, in Asien, überall. Und was sie dadurch, wie gesagt, erzielen, das ist, die Kontrolle über die Nahrungskette zu erhalten.

    Barenberg: Viele Politiker in Deutschland sehen ja in der Gentechnik, in der sogenannten grünen Gentechnik, auch große Chancen. Die deutsche Regierung will Forschung und Anwendung dieser Technologie fördern. Was würden Sie ihr also raten vor diesem Hintergrund?

    Robin: Dass man weiter forscht - ich bin total dafür. Ich bin gegen die GV, die heutzutage existieren, das sind nur pestizide Pflanzen. Entweder wurden sie manipuliert, um gegen ein hochgiftiges Herbizid resistent zu werden, das ist nämlich das "Roundup". Inzwischen wissen Sie vielleicht, dass Dänemark das "Roundup" verboten hat, das ist hochgiftig. Was ich da in meinem Buch zeige oder in meinem Film ist, dass es zu Krebs führt und dass es auch das Fortpflanzungssystem der Menschen beeinträchtigt. Das ist wirklich sehr giftig. Das heißt, wenn Sie Sojaöl kaufen, Sie essen auch "Roundup". Das ist die erste Kategorie. Die zweite Kategorie sind die sogenannten Bt-Pflanzen wie der "Mon810". Das sind Pflanzen, die Insektizide sind. Wir brauchen die gar nicht. Wir, die Verbraucher, die Konsumenten, wir brauchen die gar nicht! Ich habe drei Kinder, ich habe keine Lust, meinen Kindern ein Insektizid zu geben. Und wenn es vielleicht kein Problem gibt - dann das bitte erst mal beweisen!

    Barenberg: Wo sehen Sie denn positive Aspekte dieser grünen Gentechnik?

    Robin: Sie haben zum Beispiel versprochen, dass sie einmal Pflanzen gegen die Trockenheit vielleicht da herstellen werden - warum nicht? Warum nicht? Bisher haben wir nichts gesehen, das sind nur pestizide Pflanzen, die wir da sehen. Dass man weiter forscht, ja, okay, aber die Pflanzen, die existieren heutzutage, die brauchen wir nicht und die müssen geprüft werden. Und die wurden nicht geprüft. Das Gegenteil kann man einfach nicht behaupten, das ist eine Lüge.

    Barenberg: Die französische Journalistin Marie-Monique Robin im Deutschlandfunk, wir haben dieses Gespräch zuvor aufgezeichnet. Das Buch von Marie-Monique Robin trägt den Titel "Mit Gift und Genen - wie der Biotech-Konzern Monsanto unsere Welt verändert".