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"Ich halte diese gesamte Datenübertragung für wenig hilfreich"

Bei der Forderung aus Moskau nach europäischen Fluggastdaten sollte die EU auf gleiche Bedingungen pochen wie in den Verhandlungen mit den USA, meint Knut Fleckenstein, der für die SPD im Europaparlament sitzt und dort Vorsitzender der Delegation im Ausschuss für parlamentarische Kooperation EU-Russland ist.

Knut Fleckenstein im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Knut Fleckenstein: Guten Morgen, Frau Kaess.

    Kaess: Herr Fleckenstein, sollte Russland bekommen, was die USA auf Basis eines Datenschutzabkommens mit der EU bereits bekommt?

    Fleckenstein: Möglicherweise, aber das dann bitte auch aufgrund eines Datenschutzabkommens und nicht eines einseitigen Dekrets.

    Kaess: Sie halten es für möglich, dass es dazu kommt, dass diese Daten an Russland weitergegeben werden?

    Fleckenstein: Na ja, wir haben unsere Unschuld ja längst verloren, indem wir mit den USA ein solches Abkommen abgeschlossen haben. Aber richtig ist, dass eine Reihe von Voraussetzungen geklärt sein müssen, die den Datenschutz angehen, die vor allem Fragen angehen, welche Daten werden gesammelt und rübergegeben, wie lange werden sie gespeichert, wer hat Zugriff, wie kann man sich als Einzelner auch teilweise zumindest dagegen wehren.

    Kaess: Welche Einschränkungen genau sollte es da geben?

    Fleckenstein: Na ja. Dazu gehört die Frage, wie lange werden solche Daten aufgehoben. Das kann ja nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag gehen. Die Frage, welche Daten – die Russen gehen über das hinaus, was die USA von uns verlangt haben. Die Frage, wer hat Zugriff, welche Daten werden wann wieder gelöscht und wer überwacht das ganze. Insofern brauchen wir ein bilaterales Abkommen, um so etwas in Kraft treten zu lassen.

    "Ich habe auch persönlich dem US-Abkommen nicht zugestimmt"
    Kaess: Und wenn Russland diese Einschränkungen zusichern würde, dann würden Sie Russland, was das Vertrauen betrifft, auf die gleiche Ebene stellen wie die USA?

    Fleckenstein: Ich bin – Sie merken, ich stottere ein bisschen. Aber im Grunde ja.

    Kaess: Warum? Warum haben Sie da so wenig Bedenken?

    Fleckenstein: Ich habe Bedenken größerer Art. Ich habe auch persönlich dem US-Abkommen nicht zugestimmt. Aber ich bin mir nicht sicher, ob in den USA alles so gehandhabt wird, wie ich mir das wünsche, und das habe ich in keinem Land. Ich halte diese gesamte Datenübertragung für wenig hilfreich. Aber wenn es denn gefordert wird, muss man darüber reden, unter welchen Bedingungen.

    Kaess: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, denken Sie im Grunde, dass schon das Abkommen mit den USA ein Fehler war?

    Fleckenstein: Selbstverständlich ja.

    Kaess: Warum konnte man es nicht verhindern?

    Fleckenstein: Weil die Mehrheiten im Europäischen Parlament nicht die Mehrheiten sind, die ich mir wünsche.

    Kaess: Nun begründet Russland ja seinen Anspruch damit, es würde die Daten zur Terrorbekämpfung einsetzen. Ist das vor diesem Hintergrund tatsächlich gerechtfertigt und kann man da auch glauben, dass das tatsächlich so zutreffen wird?

    Fleckenstein: Ich glaube das, weil Russland ja auch große Sorge hat, was Terrorangriffe angeht. Aber ich halte das gesamte Verfahren für fraglich, ob es wirklich der Gefahrenabwehr in dem Maße nutzt, wie es von den USA, von Australien, von Kanada und jetzt auch von Russland gesehen wird.

    Kaess: Herr Fleckenstein, können Sie sich erklären, warum diese russische Ankündigung so kurzfristig kommt?

    Fleckenstein: Nein, das kann ich mir nicht erklären, und das ist auch äußerst unklug, wenn man es ernst meint und es durchsetzen möchte. Und ich kann nur an die russische Regierung appellieren, in den Gesprächen, die heute auch mit der Europäischen Kommission stattfinden, insoweit vernünftig zu sein, dass man diese Regelung zunächst einmal aussetzt, um ein entsprechendes Abkommen verhandeln zu können.

    Kaess: Halten Sie es für realistisch, dass die russische Seite sich darauf einlässt?

    Fleckenstein: Ich halte es nicht für ausgeschlossen, denn die russische Seite hat auch Interessen wie wir, zum Beispiel was Visaerleichterungen angeht, und ich weiß, es gibt unterschiedliche Meinungen in der Europäischen Union, ob man diese beiden Fragen miteinander verknüpfen will. Ich halte sie aber für so eng beieinanderliegend, dass es schon einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Abkommen gibt.

    Kaess: Die europäischen Airlines, die gerieten ja, sollte Russland jetzt bei seiner harten Haltung bleiben, dann in den Konflikt zwischen EU-Normen, nach denen Fluglinien nicht ohne Weiteres die Daten ihrer Fluggäste an Drittstaaten weitergeben dürfen, und auf der anderen Seite den russischen Regeln. Es haben sich bereits einige Vertreter von Fluggesellschaften an Sie gewandt. Wie sollten sich denn die Fluggesellschaften verhalten?

    Fleckenstein: Gesetzeskonform, und das sind die Gesetze, die es in der Europäischen Union gibt, nicht in Russland. Ich weiß, dass das leicht gesagt ist und schwer durchzuführen ist, aber im Zweifelsfall, wenn man Datenschutz ernst nimmt, kann das dazu führen, dass der eine oder andere Flug eben auch nicht nach Russland führt. Ich glaube, dass sich auch die russische Seite dieser Dimension bewusst ist und deshalb nichts dagegen haben wird, dass man ein solches Datenschutzabkommen verhandelt.

    Man kann nicht sagen: Bei den einen machen wir das, bei den anderen nicht
    Kaess: Wie groß ist denn der Druck, den die EU auf Russland ausüben kann, zum Beispiel möglicherweise über die Visumserleichterungen, über die gerade diskutiert wird?

    Fleckenstein: Es ist wirklich schade. Wir reden seit Jahren über die Visumserleichterungen, und dass sie so schleppend erst verhandelt worden sind, liegt nicht an der russischen Seite alleine. Jetzt sind wir in der Zielgeraden und da sollte man meiner Meinung nach nicht neue Hürden aufbauen, und insofern kann man das eine verhandeln, ohne das andere sozusagen zu lassen. Insofern glaube ich wirklich, dass es eine Torheit wäre, wenn wir mitten in diesen Verhandlungen oder am Ende dieser Verhandlungen zu Visaerleichterungen jetzt eine solche Hürde nicht nehmen könnten.

    Kaess: Herr Fleckenstein, wenn Sie der Meinung sind, dass man die Fluggastdaten, ich sage es jetzt mal etwas zugespitzt, relativ leichtfertig an Russland weitergeben sollte – auf der Liste sind auch Katar und Saudi-Arabien, die ebenfalls diese Daten haben wollen -, ist es dann nur eine Frage der Zeit, bis unsere Daten jedem x-beliebigen Land zugänglich gemacht werden?

    Fleckenstein: Ich will jetzt das nicht so zuspitzen, aber ich sehe schon die Gefahr, dass mit unseren Daten weltweit Dinge geschehen, die ich nicht möchte. Das ist der Grund, warum ich bisher, gerade was diese sehr extensive Auslegung angeht, was das EU-USA-Abkommen angeht, auch nicht zugestimmt habe. Nur man kann nicht sagen, bei den einen machen wir das selbstverständlich, bei den anderen machen wir es nicht. Die Europäische Union muss sich eine gemeinsame Haltung sozusagen erarbeiten, die dann gegenüber allen gilt. Das kann meiner Meinung nach nicht auf Grundlage des EU-USA-Abkommens sein, weil das geht mir wirklich zu weit.

    Kaess: Die Meinung von Knut Fleckenstein, er ist für die SPD im Europaparlament und dort Vorsitzender der Delegation im Ausschuss für parlamentarische Kooperation EU-Russland. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Fleckenstein: Ich danke Ihnen, Frau Kaess.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.