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"Ich kann nicht mehr singen: 'Honecker, bist du ein sturer Schrat'"

26. Oktober 1983: Udo Lindenberg im Palast der Republik. Gerd Nagel im Gespräch mit dem Musiker:

    Gerd Nagel: Als Udo Lindenberg über den Grenzübergang Invalidenstraße nach Ostberlin fuhr ... "Ich mache hier, was ich will!" – Das hat er dann sehr diszipliniert auch getan, der Sonderzug nach Pankow, der ist eh also erfreulicherweise jetzt abgefahren, der passte da in das Konzert natürlich gar nicht rein ...

    Udo Lindenberg: ... der Text stimmte ja nicht mehr, nein, der Text stimmte ja auch nicht mehr ...

    Nagel: Wird es einen neuen Text geben?

    Lindenberg: Ja, ich glaube schon, dass ich jetzt ... Weil "Sonderzug nach Pankow" war ja schon ein Liebeslied, so war das ja gemeint, und jetzt werde ich das noch steigern und werde es noch zärtlicher gestalten. Also, weil, ich kann nicht mehr singen: "Honecker, bist du ein sturer Schrat, warum lässt du mich nicht singen". Nun hat er mich ja gelassen, nun hab ich das grüne Licht für die große Tournee nächstes Jahr mit Panikorchester durch mehrere Städte der DDR, und jetzt können wir uns eigentlich alle nur noch freuen und hoffen ...

    Nagel: Dass – im Moment sind die Türen weit auf, also auch für dich, für Udo –, dass die Türen im nächsten Jahr nicht aufgrund politischer Dinge wieder zugehen!

    Lindenberg: Ja, ich habe also ja mit verschiedenen Leuten gesprochen, auch mit sehr hohen Funktionären, mit dem Repräsentanten der DDR-Führung ...

    Nagel: ... mit wem denn?

    Lindenberg: Ich habe ein sehr interessantes Gespräch auch mit Egon Krenz gehabt.

    Nagel: ... also dem FDJ-Sekretär ...

    Lindenberg: ... ja, und verschiedenen Anderen, und habe immer wieder gesagt, also ... Und ich habe es ja auch im Konzert gesagt: Nichts ist schlimmer, als eine neue deutsch-deutsche Eiszeit. Auch, wenn stationiert werden sollte, dann lasst uns nicht zurückfallen in den Kalten Krieg. Diese Dialoge, das ,was wir jetzt irgendwie machen, weißt du, dieses Öffnen, das muss dann einfach weitergehen!

    Nagel: Wollen wir's hoffen!

    Lindenberg: Ja!