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"Ich liebte immer nur die Welt der Männer"

Seit dem spanischen Bürgerkrieg 1937/38 hatte die amerikanische Journalistin und Schriftstellerin Martha Gellhorn von allen Kriegsschauplätzen der Welt berichtet und sich bald einen Namen gemacht. Gellhorn war Kriegsreporterin mit Leib und Seele. Sie liebte die Gefahr und die Herausforderung, sich zu bewähren an der Seite todesmutiger Männer, die sie als Gleiche unter Gleichen behandelten.

Von Gabriele Killert |
    Bara sagte, Marushka sei dümmer als eine Herde Maultiere, sie reise durch die Welt, sie beobachte, sie hinterfrage, sie lese, schreibe Artikel über das Elend der Menschheit und lerne nichts daraus. Sie wollte die Welt verbessern, sie verlangte nach Taten und Erlösung. Aber sie hatte doch Augen im Kopf! Was hatte sich je zum Besseren gewendet?
    Marushka war nicht ganz gescheit. Ständig drängte sie Leute, sich auf der Stelle für andere einzusetzen. Sie warf Bara vor, sie in ihren hysterischen Bemühungen, Generäle, Präsidenten, Erzbischöfe, Redakteure und weiß Gott wen zur Rettung der menschlichen Spezies zu zwingen, im Stich zu lassen. Wie könne er es wagen, er, der so privilegiert sei, das Schicksal anderer als gottgegeben hinzunehmen, wo es doch von Menschen gemacht war und als solches verbessert werden konnte und musste?

    In Marushka, einer Nebenfigur aus einer ihrer schönsten Erzählungen "Bis der Tod uns scheide", persifliert sich die amerikanische Schriftstellerin und Journalistin Martha Gellhorn selbst, so wie sie auch nach Beschreibungen ihrer Freunde leibte und lebte. Sie war, was man eine "Powerfrau" nennt. Groß, energisch und unerschrocken, zudem eine glamouröse Erscheinung. Seit dem spanischen Bürgerkrieg 1937/38 hatte sie von allen Kriegsschauplätzen der Welt für große Zeitungen berichtet und sich bald einen Namen gemacht. In Spanien war sie auch dem Fotografen Robert Capa begegnet, mit dem sie bis zu seinem Tod im Indochinakrieg eine enge Freundschaft verband. Ihm setzt sie hier in der Figur des ungarischen Fotografen Bara ein Denkmal.

    Martha Gellhorn war Kriegsreporterin mit Leib und Seele. Sie liebte die Gefahr und die Herausforderung, sich zu bewähren an der Seite todesmutiger Männer, die sie als Gleiche unter Gleichen behandelten. Dass sie dennoch in der Erscheinungsform "weiblich" wahrgenommen wurde, nicht nur in erotischer Hinsicht, sondern auch als Urteilende, die - um es mit Flaubert zu sagen - ihr Geschlecht nicht immer als Erkenntnis, sondern auch als Gefühlswallung einsetzte, war ihr bewusst. Auch dass die Rolle einer strengen Anwältin der Gerechtigkeit, in die sie immer energischer hinein wuchs, bisweilen Züge theatralischer Komik annahm, sah niemand belustigter als sie selbst.

    Sieh dir diese Leute an, sagte Marushka mit Tränen der Wut und deutete auf ein Höllenszenario, den Prager Bahnhof voller Flüchtlinge, stier und matt vor Erschöpfung, sieh sie dir an, meinst du, es reicht rumzugehen und Geld und Zigaretten zu verteilen, Babies zu fotografieren und ihren Müttern schöne Augen zu machen, meinst du, so hilft man ihnen? Ja, sagte Bara, weil es anders nicht geht, und jetzt mach, dass du Masaryk und wen immer auftreiben kannst die Leviten liest, ich wette mit dir um 500 Dollar, dass die Menschen danach noch immer am Bahnhof sitzen. Wo immer sie waren- Prag, Helsinki, Warschau, Barcelona, Rom..- liefen Bara und Marushka früher oder später mit tief zerfurchter Stirn auf gegenüberliegenden Straßenseiten, kickte Bara wie ein Zehnjähriger Steinchen vor sich her, marschierte Marushka in düsterer Empörung vorneweg, und beide schwiegen, wobei das gelegentliche "Klappe halten!" über die Straße hallte.
    Das kämpferische Temperament, ihr Sendungsbewusstsein und Talent zur Empörung brachte Marushka alias Martha schon gewissermaßen von Hause aus mit.

    Martha Gellhorn kam am 8.11.1908 in St. Louis, einer prosperierenden Stadt im mittleren Westen der USA zur Welt, als drittes von vier Kindern und einziges Mädchen. Der Vater war niedergelassener Arzt und stammte aus Breslau, von wo ihn das militaristische und antisemitische Klima vertrieben hatte. Er war Halbjude, wie Marthas Mutter, eine engagierte Sozialreformerin und maßgebliche Vorkämpferin des Frauenwahlrechts.

    Die Gellhorns waren eine angesehene, liberal gesinnte Familie. Bei Tisch wurde viel diskutiert, wobei die Kinder einige Regeln beherzigen mussten:

    Kein Klatsch, keine Gerüchte. Alles, was man sagte, musste selbst erlebt oder beobachtet sein. Und keine Voreingenommenheit, keine Vorurteile.

    Oft ging es sehr lustig zu, denn der Vater spendierte jedem einen Penny, der ihn zum Lachen brachte. Martha soll den meisten Zaster eingeheimst haben. In der Schule bestach sie weniger durch herausragende Leistungen, als durch Führungsqualitäten. Ihr heftiges Wesen war ihr selber nicht ganz geheuer, - sie fand sich ziemlich boshaft, geltungssüchtig und streitlustig-, machte aber das Beste, was sie tun konnte, nämlich diese Schwächen produktiv, indem sie anfing zu schreiben. Komische Glossen und kleine Reportagen für Lokalredaktionen. Mit 21 wurde ihr die Provinz zu eng. Sie fand, die Zeit sei reif für eine Karriere als Schriftstellerin, die sie mit journalistischer Arbeit finanzieren wollte. Natürlich zog es sie -wie viele ihrer Landsleute in jenen Jahren- nach Paris.

    Die frühen 30er Jahre waren sehr turbulente Jahre in Marthas Entwicklung. Wie ein Wirbelwind reiste sie kreuz und quer durch Europa, meist allein, mit wenig Geld. Sie verkehrte in Modekreisen, über die sie für amerikanische Magazine schrieb, hatte kurze Affairen, las Nietzsche, laborierte an einem Roman, der nichts geringeres werden sollte, als das Portrait ihrer Generation. Vor allem schloss sie sich einer pazifistischen Organisation zur Stärkung der deutsch-französischen Freundschaft im Sinne der humanistischen Bestrebungen Romain Rollands an. Doch so richtig glücklich war sie nicht in diesen Kreisen. Mit dem gesunden Pathos der Jugend und -eine ihrer tapfersten Eigenschaften: Selbstironie, zog sie die Bilanz dieser unruhigen Jahre:

    Ich weiß, dass ich alt geworden bin und versagt habe. Mein Leben hat bisher zu nichts Gutem geführt, vor allem nicht dazu, richtig lebendig zu sein. Trotz meiner Anstrengungen, aus jedem, der mir begegnete, einen Helden zu machen, weigerten sich diese Leute entschieden, die ihnen zugedachte Rolle zu erfüllen. Wenn niemand dazu bereit ist, werde ich den Part wohl selber übernehmen müssen.

    Doch bald schon lief ihr ein ausgewiesener Heldendarsteller über den Weg, an dem sie nicht vorbei kam. Im "Sloppy Joe‘s" war‘s, in Key West/Florida, wo die Gellhorns die Weihnachtsfeiertage 1936 verbrachten. Er stand an der Bar:

    Ein großer, schmuddeliger Kerl in ziemlich dreckigen Shorts und Shirt,

    aber er war nun mal Hemingway, die unangefochtene Nummer eins der amerikanischen Literatur, das Idol einer ganzen Generation, und auch Marthas Idol. Während er sie in der weichen duftigen Abendluft des Golfstroms auf dem Gelände herumführte und mit seinem Charme umgarnte, hatte er bereits beschlossen, sie diesem jungen Spunt an ihrer Seite - es handelte sich um Marthas Bruder - innnerhalb von drei Tagen abspenstig zu machen. Sie fand ihn reizend. Ein liebenswerter "alter Vogel", vor allem: überhaupt nicht langweilig. "Boring" war Marthas Lieblingsschimpfwort. Ihr Leben, sagte sie, solle zur Hälfte Arbeit sein und die andere Hälfte

    so wild und aufregend und platzend vor Lachen und Lärm, als ob die Hölle los sei. Verschont mich mit eurer "Güte". Das ist etwas für kleine, popelige Wesen. Ich will die Hölle auf Rädern sein, oder lieber tot. Nur ein Verrückter würde ein schmerzliches, gefährliches, unglückliches Dasein einem langweiligen vorziehen: und so eine Verrückte bin ich.

    Hemingway war von einem Konsortium großer Zeitungen engagiert worden, um als Korrespondent vom Spanischen Bürgerkrieg zu berichten. 40.000 Freiwillige aus aller Herren Länder, darunter viele Intellektuelle und Schriftsteller wie André Malraux, Arthur Koestler, oder George Orwell tummelten sich in diesem Krieg, um für die causa, die republikanische Sache, zu kämpfen in der Überzeugung, dass sich der Faschismus wie ein Geschwür über ganz Europa ausbreiten würde, wenn es nicht gelänge, ihn hier in Spanien zu besiegen. Für Martha, die mit ihrem Generationen-Roman ohnehin nicht richtig vorwärts kam, war es keine Frage, was sie zu tun hatte.

    Ich gehe nach Spanien mit den Jungs. Hab keine Ahnung, wer die Jungs sind, aber ich gehe mit ihnen.

    Sie ist jetzt 28 und nun ist Schluss mit Modeartikelchen. Sie kommt ohne Auftrag. Sie braucht auch keine Aufträge mehr. Von nun an wird Martha Gellhorn sich ihre Aufträge selber erteilen, und die großen Zeitungen werden es drucken. In Spanien kann sie ihr Bedürfnis nach Aufregung und Heldentum erstmals stillen. Hier ist die Hölle los. Und in diesem Granatfeuer schmiedet sie die Waffen der enragierten Kriegsreporterin, die sie bis ins hohe Alter sein wird.

    Über den spanischen Bürgerkrieg, die Gräuel auf beiden Seiten, der Falangisten und der Republikaner, ist unendlich viel, auch viel Mystifizierendes geschrieben worden. Gellhorn schreibt nicht über Gefechte und Frontverläufe, -das überlässt sie Hemingway und den boys, die mehr davon verstehen-, nicht über Massaker und Gräueltaten. Sie schreibt über das, was sie sieht: Menschen, die hungern, die ohne Obdach in der Kälte ausharren, Alte und kleine Kinder mit Kopfverletzungen, die unvorstellbare Schmerzen erdulden, ohne zu klagen. Sie geht in die Familien, lässt sich ihre Schicksale erzählen und ist tief beeindruckt von dem unerschütterlichen Glauben an den Sieg. Sie kämpft für diesen Sieg, der nicht abzusehen ist, indem sie Petitionen an Regierungen schreibt und bis zur Erschöpfung Vorträge landauf landab in den USA hält, in denen sie die Appeasement-Politik der Westmächte für das Sterben und den kommenden Krieg, den sie voraussagt, verantwortlich macht. An Eleanor Roosevelt, eine Schulfreundin ihrer Mutter und nun die Frau des Präsidenten, mit der sie seit Jahren freundschaftlich verbunden ist, sendet sie einen wütenden Hilfeschrei:

    Das einzige, was ich tun kann in meiner unmaßgeblichen Position, ist, ein wütendes Geräusch gegen das Unrecht, das geschieht, zu machen. In dem Krieg, der kommen wird, werden die jungen Männer sterben, die besten zuerst und die alten mächtigen Männer werden überleben, um den Frieden zu verpfuschen. Und alle, die ich liebe, werden tot sein. Ich kann nicht begreifen, warum dieses viele Leid sein muss. Das menschliche Tier ist mir zu hoch. Ich bin wütend bis auf die Knochen.
    Das Klima permanenter Gefahr und Todesnähe, das wie eine Droge eine ungeheure Euphorisierung und Steigerung des Lebensgefühls bewirkte

    Madrid war göttlich, bei weitem das Beste, was ich je gesehen und erlebt habe.

    Dies und der Kampf für die gemeinsame Sache, hatten Martha Gellhorn und Ernest Hemingway zusammengeführt. Sie war nicht in ihn verliebt. Sie bewunderte ihn, lernte von ihm. Und Sex, der ihr wenig bedeutete, spendierte sie immer als großzügige Dreingabe. Doch sie waren einfach zu stark füreinander. Für den Großwildjäger Hemingway war diese wilde Amazone eine schwierige und umso reizvollere Beute. Nur wollte Martha niemals Beute, sondern immer selbst der Jäger sein. Sie waren Rivalen. Das konnte nicht gut gehen. 1941 heirateten sie noch in einem letzten Aufbäumen der Vergeblichkeit. Mit Ende des Krieges war auch ihr Krieg zu Ende. Kein Sieger, nur zwei erschöpfte, waidwunde Kämpfer blieben auf dem Feld zurück. Der Name Hemingway war von nun an in ihrem Leben tabu.

    Mit dem Krieg hatte Martha Gellhorn ihr großes Thema gefunden. Oder besser: das Thema hatte sie gefunden. Sie hasste den Krieg als ein von den Machthabern verhängtes Unrecht. Aber sie liebte die Selbstlosigkeit und den Mut, den Menschen im Ausnahmezustand oft überraschend bewiesen. Sie verabscheute wie jeder das Abwerfen von Bomben, die Kinder töteten oder zu Waisen machten. Aber sie liebte die Piloten, die, oft selbst noch halbe Kinder, dieses mörderische Handwerk betrieben, auch sie Opfer einer tödlichen Maschinerie. Gellhorns Reportagen waren immer beides: einfühlsame Schilderung der Not von Menschen, denen sie eine Stimme gab, und eben damit: ein zorniges J‘accuse.

    Unsere Führer sind für ihre Aufgaben weder klug noch tapfer noch edel genug. Wir alle sind der Dummheit schuldig, der beherrschenden menschlichen Sünde. Es ist unsere uralte Tradition, uns gegenseitig zu ermorden.

    Um diese uralte Tradition geht es auch in Gellhorns erzählerischem Werk, das stofflich eng an ihrer eigenen Biographie entlang geschrieben ist.

    Ich liebte immer nur die Welt der Männer, nicht die Männer- und Frauen-Welt.

    Dieses knallharte Bekenntnis Gellhorns trifft wie eine Zirkelspitze in die Mitte ihres Wesens und steckt den Kreis ihres Schreibens ab. Der Krieg, ihre Rolle an der Seite todesmutiger Männer, die sie als Gleiche unter Gleichen behandelten, das war ihre Welt. Nichts davon, weder Gleichheit noch menschliche Größe fand sie in der "Männer- und -Frauen-Welt", in den Schützengräben des alltäglichen Geschlechterkampfes. Wirklich allein, hat sie einmal gesagt, sei sie nur gewesen, als sie verheiratet war. So ist die Ehe in ihren Geschichten wahrlich kein Sakrament, sondern ein eher unbekömmlicher Stand und Zustand. Ein Gefängnis, eine Falle, mal mehr für die eine, mal mehr für die andere, doch letztlich für beide Seiten.

    Rick zum Beispiel. Längst liebt er heimlich eine andere, aber er schafft den Absprung nicht. Seine Frau ist schwer asthmakrank, doch im Vergleich zu ihm, der sich für ihren hohen Lebensstandard abschuftet, das blühende Leben. Wie oft hat er ihr schon den Tod gewünscht, der nicht kommen will, während ihn seine junge Geliebte immer energischer zu einer Aussprache mit seiner Frau drängt. Vergeblich versucht er, ihr zu sagen, dass er eine andere liebt.

    Schnell, jetzt, jetzt ist der richtige Moment für die Axt und den letzten Hieb... "Ich liebe", hob er an und sah - die Angst, sah, wie sie sich in die Kissen drückte, zurückwich, als käme er mit Mörderhänden zu ihr, sah auch die Angst weichen und dahinter nichts, die Augen bereits stumpf und leer.
    "Ich liebe dich", sagte er. "Schon gut Annette. Ich liebe dich."
    Dann... rannte er aus dem Haus und die Straße hinunter wie ein alter Mann.


    Claude, ein tüchtiger Internatsleiter purzelt seiner Freundin Kate zuliebe die Karriereleiter herunter, denn Kate ist verheiratet, und so ein wildes Verhältnis wird im spießigen England der 50-er Jahre bei einer Amtsperson nicht toleriert. Kaum hat sie ihn bekommen, gegen den ungeliebten Ehemann eingetauscht, verlässt sie ihn auch schon bald wieder, denn als armer Lehrer in Afrika, wo er nichts ist und nichts gilt und zu trinken anfängt, gefällt er ihr auch bald nicht mehr.

    Ian Paynter, ein tüchtiger Farmer aber ziemlich verschlossener, einsamer, weltfremder Mensch geht der schmallippigen Lehrerin Grace auf den Leim, die sich sehr schnell nach der Hochzeit als penetrant spießiger Hausdrachen entpuppt und, was schlimmer ist, als schreckliche Rassistin, die den schwarzen Mitarbeitern der Farm, den Watus, und damit auch ihm das Leben schwer macht.

    Grace steckte rasch ihren Arbeitsbereich ab. Sie war für alles rund ums Geld und das Haus zuständig. Nichts auf der Welt würde sie dazu bewegen können, inmitten von Afrikanern im Farmbüro zu arbeiten. Gesunde Afrikaner rochen schon schlimm, aber kranke Afrikaner stanken zum Himmel.
    Es war treulos, sich seiner Frau zu schämen. Er schämte sich für Grace und wegen Grace, und er schämte sich seiner Scham. Er konnte sich ihre Verwandlung.. in diese ruhelose, geschwätzige Ehefrau nicht erklären. Wenn er über die Farm fuhr, hielt er nicht mehr an, um frohen Herzens das weite, wogende Land zu betrachten. Er war kurz angebunden mit den Watu, nervös vom Leben mit Grace und seiner Unfähigkeit, sie zu verstehen.


    Ob Rick oder Claude oder Ian Paynter oder Jane oder Mrs. Hapgood- sie alle sitzen in der hübsch möblierten Falle. Vor allem die Frauen dieser leisure class machen keine gute Figur, wenn die Ehe ihr einziger Beruf, der Mann ihre einzige Berufung ist, damals in den 50-er und 60-er Jahren, als die Geschichten entstanden, noch das gängige Rollenmodell. In maliziöser Kleinarbeit, mithilfe innerer Monologe, wird dieses Zappeln und Zappelnlassen in der klebrigen Falle beschrieben. Es geht immer um Zweikämpfe, Rivalitätskämpfe in diesen "munteren Geschichten für müde Menschen" so der Titel einer von drei Erzählbänden, die jetzt erstmals im Dörlemann-Verlag vorliegen, in der ausgezeichneten Übersetzung von Miriam Mandelkow. Von munterer Bosheit sind sie, die Geschichten. Boshaft munter, wie das Leben so spielt mit seiner Nemesis, wenn die Mitspieler nicht gut und fair spielen. In den Scharmützeln zwischen meist starken Frauen und Männern, die zu spät lernen, vor dieser Übermacht zu kapitulieren, gelingt ganz selten einmal, was der Menschheit im ganzen nicht gelingen will: aus Schaden etwas klüger, durch Niederlagen geschwächt, einen Hauch menschlicher zu werden.

    Echtes Glück zwischen Ehepartnern gibt es noch seltener. Vielleicht nur in der Geschichte vom Fotografen Bara und seiner geliebten Frau, die in seinen Armen stirbt, tödlich verwundet von einer Kugel im spanischen Bürgerkrieg. Helden müssen früh sterben. Dieser Verlust war das eine. Was dem lebensfrohen ungarischen Juden Bara alias Robert Capa dann vollends den Glauben an die Menschheit raubte, war der Holocaust, in dem seine Familie ums Leben kam. Für Marushka alias Martha war dies das Hauptmotiv ihrer zornigen Agitiertheit.

    Ihr ureigenstes Kriegsziel bestand darin, die Tore aller Konzentrationslager sich öffnen zu sehen. Sie fuhr von einem jüngst befreiten Lager zum anderen. Wie eine Schlafwandlerin folgte sie dieser Alptraumroute von Buchenwald über Bergen-Belsen nach Dachau.

    Diese Erfahrung hat ihr Menschenbild nachhaltig erschüttert, aber ihren Kampfgeist nur gestärkt. So streng Martha Gellhorn als politische Publizistin war, so skrupulös war sie, was das eigene Schreiben anging. Obwohl ihre Prosa von der Kritik gelobt wurde, und sogar der notorische Vergleich mit Hemingway -zurecht- zu ihren Gunsten ausfiel, war sie selten zufrieden.

    Ob als streitbare Reporterin im Vietnamkrieg, wo kritische Berichterstatter dieselben Schwierigkeiten mit der amerikanischen Militärzensur hatten wie heute, - vom Weltkriegsende noch ein halbes Jahrhundert bis zu ihrer Reise nach Brasilien im Alter von 85, fast blind, wird Martha Gellhorn rastlos unterwegs sein und sich für die Belange von Folteropfern, Vertriebenen, von Waisen- und Straßenkindern einsetzen. Sie lebte in Mexiko, nach einer zweiten gescheiterten Ehe jahrelang zurückgezogen in Kenia, zum Schluss in London, wo sie 1998 fast 90-jährig starb. Sie war zu klug, zu anspruchsvoll und zu zornig, um nicht oft in ihrem Leben allein zu sein, an sich und anderen zu zweifeln ohne je klein beizugeben.

    Als eine von Millionen Geführten werde ich mich auf dieser hirnverbrannten Straße ins Nichts kein Stück mehr weitertreiben lassen, ohne meine Stimme zum Protest zu erheben. Mein NEIN wird so wirksam sein wie ein Grillenzirpen.

    Martha Gellhorn: "Das Wetter in Afrika", Dörlemann Verlag