Dirk Müller: Im Bundesjustizministerium gibt man sich äußerst verschnupft. Kein Kommentar der Ministerin zu den jüngsten Äußerungen, nämlich zum Vorschlag von Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt, den Wohnort von Sexualstraftätern künftig öffentlich zu benennen, zum Beispiel per Internet. "Ich will wissen, wenn ein Vergewaltiger in der Nachbarschaft meiner Enkelin wohnt." Die Reaktion in Teilen der Politik war äußerst heftig. "Reine Effekthascherei", "eine Einladung zur Lynchjustiz", zeigen sich gleich einige recht erbost, auch CDU-Politiker. Das alles steht im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um eine neue Regelung zur umstrittenen Sicherungsverwahrung. – Am Telefon ist nun Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Guten Morgen!
Rainer Wendt: Guten Morgen!
Müller: Herr Wendt, sind Sie ein Provokateur?
Wendt: Ich bin kein Provokateur. Ich mache mir Sorgen um die Sicherheit der Menschen und um die Sicherheit derjenigen, die völlig arglos ihre Kinder demnächst wieder zur Schule schicken, nicht wissend, dass die Politik es fertig bringt, ihnen schwere Sexualverbrecher in die unmittelbare Nachbarschaft hineinzupflanzen und das auch noch geheim zu halten.
Müller: Deswegen soll das jeder wissen?
Wendt: Ich finde, die betroffenen Menschen haben ein Anrecht darauf, welche Gefahren ihnen die Politik beschert und welche Gefahren aus dem Versagen von Politik sich ergeben.
Müller: Warum ist das ein Versagen der Politik?
Wendt: Na ja, es kann doch niemand ernsthaft daran interessiert sein und ernsthaft glauben, dass es ein Funktionieren von Politik ist, wenn demnächst 5000 Polizisten damit beschäftigt sind, frei gelassene gefährliche Schwerverbrecher zu beschützen. Das ist doch ein absurder Zustand.
Müller: Nun gibt es Urteile des Menschengerichtshofs beispielsweise. Soll man die ignorieren?
Wendt: Nein, die soll man nicht ignorieren; man soll sie nur vernünftig lesen, denn der Europäische Gerichtshof hat mitnichten festgestellt, dass die alle frei gelassen werden müssen, sondern er hat sich gegen die Art und Weise und auch gegen die gesetzlichen Regelungen der Sicherungsverwahrung gestellt. Das kann man anders gesetzlich regeln.
Müller: Sie sind für eine Haft nach der Haft?
Wendt: Nein! Ich bin dafür, dass man im Anschluss an die Haft Gefahrenabwehr betreibt, das heißt die Bevölkerung vor nachweislich gefährlichen Straftätern beschützt - dafür sind die Länder zuständig - und deshalb muss es eine sichere Unterbringung dieser gefährlichen Menschen geben.
Müller: Wir reden ja, Herr Wendt, über 70 bis 80 Schwerverbrecher, die demnächst frei kommen könnten. Dann haben Sie in dem Zusammenhang gesagt, 5.000 Polizisten sind ungefähr notwendig, um diese Schwerverbrecher zu bewachen. Wenn das ja alles öffentlich wird und wenn man weiß, dass der Schwerverbrecher in der Nachbarschaft wohnt, dann brauchen Sie immer noch 5.000 Polizisten.
Wendt: Ich finde zunächst einmal die Argumentation, die da teilweise von Teilen der deutschen Politik auch kommt, dass nun die deutsche Bevölkerung Lynchjustiz üben würde und sich zu einem wütenden Mob zusammenschließen würde, die finde ich schon ausgesprochen aufschlussreich, wie nämlich deutsche Politiker über die deutsche Bevölkerung denken. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn die deutsche Bevölkerung mit den deutschen Politikern immer weniger zu tun haben will.
Müller: Aber wie soll die Bevölkerung denn damit umgehen?
Wendt: Die soll sich zum Beispiel selber schützen. Deshalb habe ich das ja auch sehr persönlich gesagt. Ich will wissen, wenn ein Serienvergewaltiger auf derselben Etage im Wohnhaus meiner Enkelin wohnt, damit ich die zum Beispiel selber zur Schule bringen kann und damit ich das organisieren kann, wie ich meine Kinder schützen kann. Es ist doch ein unglaublicher Zustand, dass den Menschen zugemutet wird, mit diesen Menschen auf einer Etage zu wohnen, ohne dass sie das wenigstens wissen, und tagtäglich ihre Kinder völlig arglos an diesen Menschen vorbei schicken.
Müller: Durch eine Veröffentlichung ist man sicherer?
Wendt: Na ja, dadurch gibt man den Menschen die Möglichkeit, ihre Kinder selber zu beschützen. Ich finde, das ist schon ein wertvolles Gut.
Müller: Wie macht man das, selbst beschützen?
Wendt: Noch einmal, indem man die Kinder selber zur Schule geleitet und sie auch selber wieder abholt.
Müller: Und die Polizei?
Wendt: Die Polizei wird davon völlig unberührt bleiben, denn die Polizei wird nach wie vor diese Menschen zu bewachen haben, denn wir reden ja nicht davon, dass die Menschen vor der Bevölkerung geschützt werden, sondern die Bevölkerung vor diesen Menschen.
Müller: Also die Polizeikräfte, die Sie da angeführt haben, 5.000, werden nach wie vor gebraucht?
Wendt: Ja, ganz bestimmt! Ich denke aber, dass sich auch durch eine solche Diskussion der politische Druck erhöhen wird, sodass endlich eine vernünftige Lösung gefunden wird, denn dass diese Lösung kein Dauerzustand ist, ergibt sich auch daraus, dass wir diese 5.000 Polizisten überhaupt nicht haben.
Müller: Bezieht sich denn Ihre Forderung nach dieser Internet-Veröffentlichung darauf, dass Sie das grundsätzlich jetzt erst einmal hinnehmen, dass es so kommen wird, oder geht es doch darum, Orte, Möglichkeiten zu finden, dass es keinen Kontakt von Schwerverbrechern mit der Bevölkerung gibt?
Wendt: Die letzte Variante ist die bessere, denn niemand wünscht sich diesen Internet-Pranger. Niemand wünscht sich aber auch, dass gefährliche Straftäter auf unsere Bevölkerung los gelassen werden, ohne dass die Bevölkerung darüber bescheid weiß. Das heißt, ich wünschte mir am liebsten, dass ein solcher Internet-Pranger überhaupt nicht erforderlich ist – das ist im Übrigen auch nicht mein Ausdruck -, dass eine solche Information der Bevölkerung überhaupt nicht notwendig ist, weil diese gefährlichen Täter dort sind, wo sie hingehören, nämlich hinter Schloss und Riegel. Aber wenn wir diese öffentliche Diskussion darüber nicht führen, dann passiert überhaupt nichts, dann streitet man sich in Berlin und anderswo weiter und tagtäglich werden neue Leute entlassen.
Müller: Internet-Pranger ist verfassungswidrig, argumentiert das Bundesinnenministerium.
Wendt: Na ja, da habe ich eine andere Fassung unseres Grundgesetzes ganz offensichtlich, denn die Argumentation, die dahinter steht, heißt ja, das Grundrecht auf Datenschutz ist höherwertig als das Grundrecht auf Leben der Bevölkerung. Das Grundgesetz, das ich kenne, sieht es genau anders herum.
Müller: Welchen politischen Weg halten Sie denn jetzt für gangbar und wichtig und richtig?
Wendt: Ich halte es für notwendig, dass die Länder die Voraussetzungen dafür schaffen, die gefährlichen Personen, die ja ihre Haft verbüßt haben, die auch nicht in Haft bleiben dürfen, unmittelbar im Anschluss an die Haft auf der Grundlage des Gesetzes über psychiatrische Krankheiten sofort in psychiatrische Kliniken einweisen, und zwar in geschlossene, und dort unter psychiatrischer Betreuung und mit regelmäßiger Therapie und mit neuer Begutachtung aber eben wegsperren.
Müller: Demnach hat Horst Seehofer Recht, wegsperren?
Wendt: Ja! Horst Seehofer hat selbstverständlich Recht. Nur er muss es ja auch tun. Wenn er es für Bayern regelt, sage ich, dann fehlen nur noch 15 Bundesländer, die das auch regeln müssen.
Müller: Und das Problem der Nachträglichkeit – das war ja ein Kritikpunkt, der aus Straßburg gekommen ist – ist damit gelöst?
Wendt: Nein! Das ist ja aber eine ganz andere Baustelle. Da reden wir ja über den Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin, die das Instrument der vorsorglichen Sicherungsverwahrung erleichtert hat. Das begrüße ich ausdrücklich, diese vorsorgliche Sicherungsverwahrung. Allerdings müssen die Gerichte dann auch davon Gebrauch machen.
Müller: Und nachträgliche Sicherungsverwahrung kommt nicht mehr in Frage?
Wendt: Nein! Die ist rechtswidrig. Das hat der Europäische Gerichtshof festgestellt. Ich glaube auch nicht, dass es Sinn macht, wie Herr Seehofer und andere es fordern, das jetzt wieder ins Gesetz reinzuschreiben, weil das spätestens in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht scheitern wird.
Müller: Der bayerische Innenminister Herrmann hat vor wenigen Monaten, er hat auch in der vergangenen Woche hier im Deutschlandfunk argumentiert, vor wenigen Monaten hat er gesagt, das eigentliche Problem ist lebenslänglich, das ist viel zu kurz. Hat er da Recht?
Wendt: Da hat er ausdrücklich Recht. Während die Straftäter immer jünger werden, nimmt diese Strafe immer mehr ab. Ich könnte mir auch eine viel höhere Strafe vorstellen, aber das muss die Rechtsprechung entwickeln. Da ist die deutsche Polizeigewerkschaft der falsche Ansprechpartner.
Müller: Aber noch mal nachgefragt: 15 Jahre ist für Sie eigentlich indiskutabel?
Wendt: Ist eigentlich viel zu wenig. Das stimmt! Wir diskutieren schon viel zu schnell wieder darüber, was danach passiert. Und die Strafe? Aber das ist ein persönliches Empfinden, keine Auffassung, die irgendeiner Beschlusslage entspricht. Meine persönliche Empfindung ist, dass die Strafe viel länger dauern soll.
Müller: Reden wir zu viel über die Täter?
Wendt: Das ohnehin. Wir haben ein völlig täterorientiertes Strafrecht, aber auch eine täterorientierte Politik. Man sieht es auch an dieser Diskussion wieder. Jeder redet über die Persönlichkeitsrechte der Täter; kein Mensch denkt an die Persönlichkeitsrechte der Opfer, die ja auch da sind.
Müller: Haben Sie, Herr Wendt, schon mit Ihrem Gewerkschaftskonkurrenten Konrad Freiberg telefoniert, der gegen Ihren Vorschlag ist?
Wendt: Er ist nur zur Hälfte gegen meinen Vorschlag, nur gegen diesen Teil des Vorschlages. Die andere Hälfte des Vorschlages, nämlich eine sichere Unterbringung gefährlicher Straftäter, die teilt Herr Freiberg ja ausdrücklich. Außerdem haben wir nicht telefoniert; wir sehen uns gelegentlich und tauschen uns dann aus.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Wendt: Gerne! Auf Wiederhören!
Rainer Wendt: Guten Morgen!
Müller: Herr Wendt, sind Sie ein Provokateur?
Wendt: Ich bin kein Provokateur. Ich mache mir Sorgen um die Sicherheit der Menschen und um die Sicherheit derjenigen, die völlig arglos ihre Kinder demnächst wieder zur Schule schicken, nicht wissend, dass die Politik es fertig bringt, ihnen schwere Sexualverbrecher in die unmittelbare Nachbarschaft hineinzupflanzen und das auch noch geheim zu halten.
Müller: Deswegen soll das jeder wissen?
Wendt: Ich finde, die betroffenen Menschen haben ein Anrecht darauf, welche Gefahren ihnen die Politik beschert und welche Gefahren aus dem Versagen von Politik sich ergeben.
Müller: Warum ist das ein Versagen der Politik?
Wendt: Na ja, es kann doch niemand ernsthaft daran interessiert sein und ernsthaft glauben, dass es ein Funktionieren von Politik ist, wenn demnächst 5000 Polizisten damit beschäftigt sind, frei gelassene gefährliche Schwerverbrecher zu beschützen. Das ist doch ein absurder Zustand.
Müller: Nun gibt es Urteile des Menschengerichtshofs beispielsweise. Soll man die ignorieren?
Wendt: Nein, die soll man nicht ignorieren; man soll sie nur vernünftig lesen, denn der Europäische Gerichtshof hat mitnichten festgestellt, dass die alle frei gelassen werden müssen, sondern er hat sich gegen die Art und Weise und auch gegen die gesetzlichen Regelungen der Sicherungsverwahrung gestellt. Das kann man anders gesetzlich regeln.
Müller: Sie sind für eine Haft nach der Haft?
Wendt: Nein! Ich bin dafür, dass man im Anschluss an die Haft Gefahrenabwehr betreibt, das heißt die Bevölkerung vor nachweislich gefährlichen Straftätern beschützt - dafür sind die Länder zuständig - und deshalb muss es eine sichere Unterbringung dieser gefährlichen Menschen geben.
Müller: Wir reden ja, Herr Wendt, über 70 bis 80 Schwerverbrecher, die demnächst frei kommen könnten. Dann haben Sie in dem Zusammenhang gesagt, 5.000 Polizisten sind ungefähr notwendig, um diese Schwerverbrecher zu bewachen. Wenn das ja alles öffentlich wird und wenn man weiß, dass der Schwerverbrecher in der Nachbarschaft wohnt, dann brauchen Sie immer noch 5.000 Polizisten.
Wendt: Ich finde zunächst einmal die Argumentation, die da teilweise von Teilen der deutschen Politik auch kommt, dass nun die deutsche Bevölkerung Lynchjustiz üben würde und sich zu einem wütenden Mob zusammenschließen würde, die finde ich schon ausgesprochen aufschlussreich, wie nämlich deutsche Politiker über die deutsche Bevölkerung denken. Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn die deutsche Bevölkerung mit den deutschen Politikern immer weniger zu tun haben will.
Müller: Aber wie soll die Bevölkerung denn damit umgehen?
Wendt: Die soll sich zum Beispiel selber schützen. Deshalb habe ich das ja auch sehr persönlich gesagt. Ich will wissen, wenn ein Serienvergewaltiger auf derselben Etage im Wohnhaus meiner Enkelin wohnt, damit ich die zum Beispiel selber zur Schule bringen kann und damit ich das organisieren kann, wie ich meine Kinder schützen kann. Es ist doch ein unglaublicher Zustand, dass den Menschen zugemutet wird, mit diesen Menschen auf einer Etage zu wohnen, ohne dass sie das wenigstens wissen, und tagtäglich ihre Kinder völlig arglos an diesen Menschen vorbei schicken.
Müller: Durch eine Veröffentlichung ist man sicherer?
Wendt: Na ja, dadurch gibt man den Menschen die Möglichkeit, ihre Kinder selber zu beschützen. Ich finde, das ist schon ein wertvolles Gut.
Müller: Wie macht man das, selbst beschützen?
Wendt: Noch einmal, indem man die Kinder selber zur Schule geleitet und sie auch selber wieder abholt.
Müller: Und die Polizei?
Wendt: Die Polizei wird davon völlig unberührt bleiben, denn die Polizei wird nach wie vor diese Menschen zu bewachen haben, denn wir reden ja nicht davon, dass die Menschen vor der Bevölkerung geschützt werden, sondern die Bevölkerung vor diesen Menschen.
Müller: Also die Polizeikräfte, die Sie da angeführt haben, 5.000, werden nach wie vor gebraucht?
Wendt: Ja, ganz bestimmt! Ich denke aber, dass sich auch durch eine solche Diskussion der politische Druck erhöhen wird, sodass endlich eine vernünftige Lösung gefunden wird, denn dass diese Lösung kein Dauerzustand ist, ergibt sich auch daraus, dass wir diese 5.000 Polizisten überhaupt nicht haben.
Müller: Bezieht sich denn Ihre Forderung nach dieser Internet-Veröffentlichung darauf, dass Sie das grundsätzlich jetzt erst einmal hinnehmen, dass es so kommen wird, oder geht es doch darum, Orte, Möglichkeiten zu finden, dass es keinen Kontakt von Schwerverbrechern mit der Bevölkerung gibt?
Wendt: Die letzte Variante ist die bessere, denn niemand wünscht sich diesen Internet-Pranger. Niemand wünscht sich aber auch, dass gefährliche Straftäter auf unsere Bevölkerung los gelassen werden, ohne dass die Bevölkerung darüber bescheid weiß. Das heißt, ich wünschte mir am liebsten, dass ein solcher Internet-Pranger überhaupt nicht erforderlich ist – das ist im Übrigen auch nicht mein Ausdruck -, dass eine solche Information der Bevölkerung überhaupt nicht notwendig ist, weil diese gefährlichen Täter dort sind, wo sie hingehören, nämlich hinter Schloss und Riegel. Aber wenn wir diese öffentliche Diskussion darüber nicht führen, dann passiert überhaupt nichts, dann streitet man sich in Berlin und anderswo weiter und tagtäglich werden neue Leute entlassen.
Müller: Internet-Pranger ist verfassungswidrig, argumentiert das Bundesinnenministerium.
Wendt: Na ja, da habe ich eine andere Fassung unseres Grundgesetzes ganz offensichtlich, denn die Argumentation, die dahinter steht, heißt ja, das Grundrecht auf Datenschutz ist höherwertig als das Grundrecht auf Leben der Bevölkerung. Das Grundgesetz, das ich kenne, sieht es genau anders herum.
Müller: Welchen politischen Weg halten Sie denn jetzt für gangbar und wichtig und richtig?
Wendt: Ich halte es für notwendig, dass die Länder die Voraussetzungen dafür schaffen, die gefährlichen Personen, die ja ihre Haft verbüßt haben, die auch nicht in Haft bleiben dürfen, unmittelbar im Anschluss an die Haft auf der Grundlage des Gesetzes über psychiatrische Krankheiten sofort in psychiatrische Kliniken einweisen, und zwar in geschlossene, und dort unter psychiatrischer Betreuung und mit regelmäßiger Therapie und mit neuer Begutachtung aber eben wegsperren.
Müller: Demnach hat Horst Seehofer Recht, wegsperren?
Wendt: Ja! Horst Seehofer hat selbstverständlich Recht. Nur er muss es ja auch tun. Wenn er es für Bayern regelt, sage ich, dann fehlen nur noch 15 Bundesländer, die das auch regeln müssen.
Müller: Und das Problem der Nachträglichkeit – das war ja ein Kritikpunkt, der aus Straßburg gekommen ist – ist damit gelöst?
Wendt: Nein! Das ist ja aber eine ganz andere Baustelle. Da reden wir ja über den Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin, die das Instrument der vorsorglichen Sicherungsverwahrung erleichtert hat. Das begrüße ich ausdrücklich, diese vorsorgliche Sicherungsverwahrung. Allerdings müssen die Gerichte dann auch davon Gebrauch machen.
Müller: Und nachträgliche Sicherungsverwahrung kommt nicht mehr in Frage?
Wendt: Nein! Die ist rechtswidrig. Das hat der Europäische Gerichtshof festgestellt. Ich glaube auch nicht, dass es Sinn macht, wie Herr Seehofer und andere es fordern, das jetzt wieder ins Gesetz reinzuschreiben, weil das spätestens in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht scheitern wird.
Müller: Der bayerische Innenminister Herrmann hat vor wenigen Monaten, er hat auch in der vergangenen Woche hier im Deutschlandfunk argumentiert, vor wenigen Monaten hat er gesagt, das eigentliche Problem ist lebenslänglich, das ist viel zu kurz. Hat er da Recht?
Wendt: Da hat er ausdrücklich Recht. Während die Straftäter immer jünger werden, nimmt diese Strafe immer mehr ab. Ich könnte mir auch eine viel höhere Strafe vorstellen, aber das muss die Rechtsprechung entwickeln. Da ist die deutsche Polizeigewerkschaft der falsche Ansprechpartner.
Müller: Aber noch mal nachgefragt: 15 Jahre ist für Sie eigentlich indiskutabel?
Wendt: Ist eigentlich viel zu wenig. Das stimmt! Wir diskutieren schon viel zu schnell wieder darüber, was danach passiert. Und die Strafe? Aber das ist ein persönliches Empfinden, keine Auffassung, die irgendeiner Beschlusslage entspricht. Meine persönliche Empfindung ist, dass die Strafe viel länger dauern soll.
Müller: Reden wir zu viel über die Täter?
Wendt: Das ohnehin. Wir haben ein völlig täterorientiertes Strafrecht, aber auch eine täterorientierte Politik. Man sieht es auch an dieser Diskussion wieder. Jeder redet über die Persönlichkeitsrechte der Täter; kein Mensch denkt an die Persönlichkeitsrechte der Opfer, die ja auch da sind.
Müller: Haben Sie, Herr Wendt, schon mit Ihrem Gewerkschaftskonkurrenten Konrad Freiberg telefoniert, der gegen Ihren Vorschlag ist?
Wendt: Er ist nur zur Hälfte gegen meinen Vorschlag, nur gegen diesen Teil des Vorschlages. Die andere Hälfte des Vorschlages, nämlich eine sichere Unterbringung gefährlicher Straftäter, die teilt Herr Freiberg ja ausdrücklich. Außerdem haben wir nicht telefoniert; wir sehen uns gelegentlich und tauschen uns dann aus.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Wendt: Gerne! Auf Wiederhören!