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"Ich möchte ehrlich und moralisch integer leben"

Er war Kleinkrimineller, Frontmann von "Marky Mark and The Funky Bunch" und Unterhosenmodel für Calvin Klein. Inzwischen ist Mark Wahlberg nicht nur vierfacher Vater, sondern hat sich längst als seriöser Schauspieler etabliert. "Broken City" heißt sein neuer Kinofilm.

Sigrid Fischer im Gespräch mit Mark Wahlberg | 17.04.2013
    Sigrid Fischer: Für diesen Film Broken City gibt es offensichtlich ein paar Vorbilder aus den 70er Jahren – Ihre Kindheit Mark Wahlberg, richtig?

    Mark Wahlberg: Ja, als ich noch nicht zur Schule ging, hat mich mein Vater nach der Arbeit oft mitgenommen ins Kino. Er ging gerne ins Kino. Dieser Film erinnert mich z.B. an China Town, French Connection, oder Serpico. Der erste Film übrigens, den ich im Kino gesehen habe, war "Ein stahlharter Mann" mit Charles Bronson. Der hat mich schwer beeindruckt. 23

    Fischer: Sie spielen in Broken City einen Privatdetektiv, es gibt vermutlich Rollen, auf die Sie sich mehr vorbereiten mussten, oder?
    Wahlberg: Die Rolle war schon ziemlich gut geschrieben. Der Regisseur wollte nur gerne, dass ich soviel wie möglich abnehme. Ich habe nämlich ein bisschen gemogelt und war schon dabei, mich auf einen Bodybuilderfilm danach vorzubereiten und hatte schon einiges zugelegt. Aber er wollte mich so dünn wie möglich sehen. Ich hatte aber auch als Produzent so viel zu tun, um den Film zusammenzukriegen, die Finanzierung sicherzustellen, und alle davon zu überzeugen, für wenig Geld zu arbeiten. Zum Glück hatten wir gutes Material, so dass wir gute Leute bekommen haben. Jedenfalls hatte ich alle Hände voll zu tun und konnte sowieso nur noch meinen Text lernen und zusehen, dass ich pünktlich am Set erscheine.

    Fischer: Sie haben immerhin Russel Crowe bekommen, als Ihren Gegenspieler, den korrupten Bürgermeister von New York.

    Wahlberg: Ihm gefiel das Drehbuch und die Rolle, und ich fand’s toll, dass da endlich mal noch jemand gut vorbereitet war. Und sich verantwortlich fühlt. Manche Leute kommen ja ans Set und können ihren Text nicht. Aber dafür werden sie bezahlt, das ist ihr Job. Russel und ich waren uns nur in einem Punkt uneinig: Er wollte, dass der Bürgermeister am Ende davon kommt. Weil er ein zu mächtiger Mann ist, alles andere fand er unrealistisch. Naja, hab ich gesagt, wir müssen kein Happy End haben, aber dass Du am Ende davon kommst ,das geht nicht.


    Fischer: Vertrauen Sie Politikern im Allgemeinen?

    Wahlberg: Ich würde schon gerne glauben, dass die, die man gewählt hat, für die Menschen und für die Stadt das richtige tun. Aber Macht und Geld korrumpieren die Leute leider sehr schnell.

    Fischer: Sie, Mark Wahlberg, scheinen davor gefeit zu sein. Woran liegt das ?

    Weil ich von ganz woanders her komme. Ich weiß zu schätzen, was ich habe, und das würde ich nie aufs Spiel setzen. Außerdem holt mich meine Familie, meine Frau und meine Kinder immer wieder auf den Boden zurück. Und wie gesagt, das Wissen um meine Herkunft ist immer in meinem Hinterkopf. Ich möchte ehrlich und moralisch integer leben.

    Fischer: Korruption in der Politik ist ja schon ein ziemlich heißes Eisen, Aber ich habe nicht das Gefühl, dass Sie einen politischen Film drehen wollten? Das Politische ist eher Kulisse für den Krimiplot, oder?

    Wahlberg: Ja, ich wurde schon öfter gefragt, ob die Geschichte von realen Ereignissen inspiriert ist oder ob sie eine Botschaft hat. Nein, das ist nur der Hintergrund. So etwas gefällt den Leuten, sie mögen Skandale und Kontroversen und so. Was allerdings wirklich passiert ist, ist, dass die Polizei gedroht hat, mich festzunehmen. Und die Drehgenehmigung wollte man uns auch entziehen. Es gibt diese Szene, in der meine Figur wieder anfängt, zu trinken, durch die Straßen von New York läuft und Leute anmacht, sich prügelt, mit Sachen wirft. Das stand alles nicht im Drehbuch. Und dann hab ich die Flasche auf das vorbeifahrende Auto geworfen, das hab ich einfach gemacht, und die Kamera war dabei. Aber die Polizei meinte: Sie können nicht einfach fremdes Eigentum beschädigen. Da musste ich den Bürgermeister anrufen und mich entschuldigen. Zur Premiere in Chicago hab ich den Bürgermeister mitgenommen, der ist der Bruder meines Agenten. Und Chicago ist berühmt für Korruption, der Ex-Gouverneur sitzt für 14 Jahre im Gefängnis, weil er versucht hat, Obamas früheren Senatssitz meistbietend zu verkaufen.

    Fischer: Sie haben Broken City auch produziert, andere Ihrer Filme nicht. Wonach entscheiden Sie, welchen Film Sie produzieren und warum ist Ihnen das manchmal wichtig?
    Wahlberg: Ich habe nichts dagegen, manchmal nur als Schauspieler engagiert zu werden und dabei zu helfen, die Vision eines Regisseurs umzusetzen. Da muss ich mich um nichts sonst kümmern und kann meine freie Zeit selbst bestimmen. Aber ich setze schon sehr gerne den Produzentenhut auf, weil ich dann die kreative Kontrolle habe. Das heiß, wenn wir’s vermasseln, trage ich die Verantwortung, Ich benutze da immer gerne dieses Bild: Wenn man mit 200 über den Highway rast, sitzt du dann lieber hinterm Steuer oder auf der Rückbank? Ich sitze lieber am Steuer. Ich traue niemandem so wie mir selbst. Es gibt zwei Sorten Menschen, die einen denken positiv, die anderen negativ. Ich gehöre zu denen, die positiv denken.

    Fischer: Wenn man sich ihre nächsten Projekte anschaut, sind das fast nur Blockbuster, viele actionbetonte, auch die Fortsetzung der Teddybärkomödie Ted ist dabei. Dabei ist doch das interessante und clevre an Ihrer Karriere immer gewesen, dass Sie independent und Mainstream mischen. Tun Sie das jetzt nicht mehr?

    Wahlberg: Doch, ich gucke immer nach dem Gegenteil dessen, was ich zuletzt gedreht habe. Was die Größe, die Wichtigkeit und die Tonlage des Films angeht. Nach Ted habe ich Broken City gedreht, weil ich mir danach gar nicht sicher war, was daraus wohl werden würde. Also mir gefiel das Drehbuch schon und ich habe mich darin auch wohl gefühlt, aber man weiß ja nie. Und dann wurde das der größte Film meiner Karriere.

    Fischer: Ja Ted hat allein in den USA über 200 Miollionen Dollar eingespielt. Wenn man die erste Fernsehserie 1993 mitrechnet, dann sind Sie, Mark Wahlberg, jetzt genau 20 Jahre im Filmgeschäft. Da könnten Sie schon eine kleine Bilanz ziehen, wie würde die denn ausfallen?

    Wahlberg: Ich habe auf jeden Fall mehr gute als schlechte Filme auf meinem Konto, das allein ist schon ein Sieg. Es ist schwer, gute Film zu drehen. Man versucht immer sein bestes, aber manchmal werden sie einfach nicht so, wie man es hofft. Es gibt nur ein paar, die ich besser nicht gedreht hätte, aber damals war ich ein junger Schauspieler, der mit talentierten Regisseuren zusammen arbeiten wollte, da hab ich auf vieles noch nicht geachtet. Ich wollte etwas lernen.

    Fischer: Sie sind ein ausgesprochener Familienmensch. Sie haben acht Geschwister, sind Vater von vier Kindern. Lassen Sie Ihre Familie eigentlich an Ihrem aufregenden Berufsleben teilhaben?

    Wahlberg: Bei diesem Film war es schwierig, weil wir meist nachts gedreht haben. Und wenn die Familie dann zu Besuch kam, und ich gegen sieben oder acht Uhr morgens Feierabend hatte, waren die Kinder wach und wollten mit mir spielen. Die verstehen ja nicht, dass man um die Zeit müde sein kann. Ich versuch den Job dann auszublenden und ihn von den Kindern fern zu halten. Gut, wenn wir unterwegs sind und Leute nach Autogrammen fragen, kriegen sie’s schon mit. Ich habe auch nichts dagegen, fotografiert zu werden oder Autogramme zu geben, ich sag dann nie Nein, außer wenn meine Kinder dabei sind. Ich will denen einfach keine Zeit mit so was stehlen. Dann sag ich den Leuten: Jederzeit gerne, aber nicht, wenn meine Kinder dabei sind.













    Fischer: Träumen Sie manchmal davon, ganz was anders zu machen? Sie haben ja mit Ihren Brüdern ein Burgerrestaurant in Ihrer Heimatstadt Boston.

    Wahlberg: Ja, und wenn wir in Boston sind, gehen wir auch jeden Tag dahin, nachschauen, ob sich die Leute da wohl fühlen. Und wenn ich irgendwo im Nirgendwo bin, es ist kalt, jemand verhaut mich, oder tritt mich oder schießt auf mich, oder wenn ich gefesselt in einem Helikopter ohne Türen sitze, dann denke ich schon mal: Warum hab ich dem bloß nur zugestimmt? Aber wenn der Film abgedreht ist, sind Frust und Quälerei wie weggeblasen. Dann hat man hoffentlich alles gegeben, ohne Kompromisse, wie ein Athlet. Man hat alles auf dem Platz gegeben und fühlt sich gut. Und man hofft, dass es den Leuten gefällt. Und dann geht’s weiter zum nächsten Job.

    Fischer: Woher nehmen Sie dafür immer wieder die Energie?

    Wahlberg: Ich weiß es nicht. Ich bin immer sehr beschäftigt und aktiv, ich bin hungrig, ich habe viel Antrieb und Ehrgeiz. Ich hatte nichts und ich will alles erreichen. Ich will alles mitnehmen. Ich bin eben ein verrückter Typ.