Susanne Luerweg: Er stand schon einmal mit einer Pistole in der Hand im Metropolitan Museum in New York und blickte finster drein, während ein Zettel zu seinen Füßen darauf hinwies: This man will not shoot. Dann wiederum sortierte er Schrauben auf einem prominenten Platz in Zürich oder steckte Wegstrecken ab, die er huldvoll entlangschritt. Außerdem verzockte er Teile seines nicht unbeträchtlichen Vermögens als Bankierssohn an den Pokertischen dieser Welt und spielte leidenschaftlich Golf in der Jugend Nationalmannschaft der Schweiz. Einem breiten Publikum ist er bekannt als Musiker - als eine Hälfte des legendären Duos Yello. In Amerika werden er und sein Kollege Boris Blank als Erfinder des Technos gefeiert. Über Yello und seine vielen anderen Aktivitäten habe ich mit Dieter Meier am Freitag auf der Buchmesse gesprochen. Dort hat er sein Buch "out of Chaos", ein autobiografisches Bilderbuch, vorgestellt.
Out of Chaos- heißt das bei ihnen war immer alles so chaotisch?
Dieter Meier: Am Anfang ist ja immer das Chaos. Aus dem Chaos heraus entsteht ja alles und ich bin sozusagen wie ein Kind, das die Dinge zuerst auseinandernehmen muss, um sie dann wieder zusammenzusetzen. Und die Dinge entstehen mir ja wie Pilze, die aus dem Boden schießen, wenn das Klima stimmt und die Nähe stimmt, dann entstehen mir die Dinge wie Pilze. Ich sehe sie an und ich staune wie ein Kind, dass so etwas entstanden ist. Ich habe gar nicht das Gefühl ich hab das gemacht.
Luerweg: Und Sie haben nie etwas geplant?
Meier: Natürlich, die eher industriellen Dinge, Landwirtschaft und Uhren und was ich sonst so mache und irgendeine Firma im Silicon Valley, da versuchte ich schon zu planen. Klar. Wobei: Planen ist natürlich eine sehr gute Sache, aber dort wo der Wind bläst, da segelt das Schiff. Und der Wind ist immer wieder anders.
Luerweg: Sie haben es gerade erzählt, was Sie so tun an nicht kreativen Dingen. Dann machen Sie aber auch noch alles Mögliche andere. Sie sind Musiker, Schriftsteller, Filmemacher, die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Universalgenie wäre dann der passende Ausdruck.
Meier: Nein, nein, nein. Das sehe ich ja überhaupt nicht so. Universalgenie ist überhaupt nicht der richtige Ausdruck. Allenfalls Universaldilletant, weil ich ja wirklich die Dinge, wie soll ich sagen, die sind ja Ausdruck meines Ganges durch die paar zehntausend Tage auf der Welt. Es geht ja darum sich in dem was man tut zu erkennen, um ein Stück Welt, nämlich sich selber kennenzulernen, um sich irgendwann fröhlich von diesem Planeten auch verabschieden zu können.
Luerweg: Wenn man sich ihr Buch anschaut, dann hat man das Gefühl der Wunsch ein erfolgreicher Musiker zu werden, war immer schon vorhanden. Auch schon vor der Zeit mit Yello. Sie haben sich da sehr versucht.
Meier: Dieser Wunsch der war eigentlich überhaupt nicht vorhanden ein bekannter Musiker zu werden. Wir haben in einer alten Fabrik auf einem Tisch mit allerlei Geräusch machenden Gegenständen hantiert. Wir haben Freude gehabt der Boris und ich, wie Kinder die in einem Sandhaufen sitzen und ihre Fantasie in einer Sandburg irgendwie spielen lassen. Die Idee, dass wir da einmal 14 Millionen CDs verkaufen und zu Stars werden in der amerikanischen Black Dance Community, das haben wir überhaupt nicht gehabt. Für uns ist Musik machen wie Sauerstoff, den man zum Leben braucht. Wir haben nie an einer Karriere gearbeitet, was die Karriere anbetrifft ist sie uns zufällig zugefallen und wir würden genauso Musik machen, wenn wir nie eine einzige CD verkauft hätten.
Luerweg: Aber Sie haben schon Musik gemacht bevor Sie Boris Blank getroffen haben?
Meier: Ja, da war ich so ein anarchischer Punksänger, der auf die Bühne gegangen ist, ohne mit den Bands wirklich zu üben. Ich habe in nicht existierenden Suaheli-Dialekten Laute von mir gegeben, Wortfetzen. Das Ganze war sehr dadaistisch, sehr anarchisch, sehr improvisiert, oft total katastrophal, manchmal lustig, selten wirklich gut und das war wie Farbe auf eine Leinwand schmeißen und mal schauen, was kleben bleibt.
Luerweg: Anarchisch ist ein gutes Stichwort. Das trifft auch auf die ein oder andere Kunstaktion zu, die Sie gemacht haben. Im Buch nachzulesen und zu sehen ist eine Aktion in New York, da haben sie sich auf die Straße gestellt und gesagt, ich gebe jedem Geld der mir ein Yes oder ein No verkauft. Da gab es ein wenig Stress, oder?
Meier: Ja, da kam dann die Polizei, weil das verboten war. Aber ich konnte das dann den Leuten erklären, die haben mich dann gewähren lassen. Ich habe 400 Mal das Wort Ja oder das Wort Nein gekauft. Ich verstehe mich tatsächlich als Anarchist, nicht im Sinne des Bombenlegens, sondern im Sinne des eigentlich permanenten Hinterfragens der Systeme. Es gibt ja nichts Schlimmeres, auch wenn die Systeme gut gemeint sind, als starre Systeme. Das ist von Freud zu Marx und retour immer ein Unheil gewesen. Und nur die Anarchie die eigentlich das System an sich immer wieder hinterfragt hat meiner Meinung nach eine Zukunft.
Luerweg: Sie sind sehr reich geboren. Hatten sie jemals das Gefühl, Sie müssten Geld verdienen?
Meier: Ich hab die ersten 35 Jahre meines Lebens mit einfachsten Arbeiten Geld verdient. Als unsere älteste Tochter auf die Welt kam, habe ich mit meiner Frau Monique in einer anderthalb Zimmer Wohnung gewohnt und mit ganz wenig Geld gelebt, aber natürlich wie ein König, weil ich war ja totel frei. Und auch meine Ausstellungen Kunsthaus Zürich, Documenta, New York das hat ja alles kein Geld gebracht, weil ich als sogenannter Konzeptkünstler nicht wirklich was zu verkaufen hatte. Dass die Musik mir das Glück gebracht hat auch Geld zu verdienen war eine schöne Sache, aber ich hätte auch sonst genauso bescheiden leben können. Ich bin völlig einfach aufgewachsen und ich könnte so lange ich ein freier Mensch bin in einem Wohnwagen leben und irgendwo ein kleines Tischchen rausstellen und sehen, dass ich einen Bleistift habe, um irgendetwas aufzuschreiben.
Luerweg: Stichwort schreiben. Sie haben schon ein Buch geschrieben,das Sie nach ihrer Schreibmaschine "Hermes Baby" genannt haben. Hier auf der Buchmesse ist alles dem Digitalen gewidmet. Können Sie damit was anfangen oder sind Sie noch sehr dem Analogen verhaftet?
Meier: Ich bin sehr dem Analogen verhaftet und ich finde viele Dinge, E-Mail schreiben, Internet, das ist im Grunde ein totaler Leerlauf. Ich habe ja verschiedene Firmen und ich versuche den Leuten immer wieder zu sagen: Mensch, nehm doch das Telefon, sprich mit den Leuten, die tun da tagelang hin und her e-mailen und kommen nie auf den Punkt. Man muss die anderen Leute spüren. Wenn ich heute irgendwo sitze im Zug, am Flughafen oder auf Bahnhöfen dann sehe ich sehr viele immer in ihre Dinger reingaffen und sind immer am tippen und am haspeln und die können eigentlich gar nicht mehr den Augenblick genießen. Dieser verdamme Zwang immer online erreichbar zu sein und sofort antworten zu müssen, das ist ja eine Perversion.
Luerweg: Herr Meier – "out of chaos" liest sich so, da brauchten andere Menschen 100 Jahre für. Kommt noch was oder ziehen sie sich auf ihre argentinische Rinderfarm oder einen anderen Ort zurück. Sie haben ja viele zur Auswahl?
Meier: Nein, nein. Ich empfinde ja das Tun als die schönste Zeit in meinem Leben und wenn sich diese Türen öffnen, die Räume in denen ich etwas machen darf, dann ist das für mich Glück. Ich empfinde mich in keiner Sekunde mehr, als wenn ich an einer Schreibmaschine sitze oder an einem Filmset. Das ist für mich das Wunderbarste überhaupt. Das ist für mich wie atmen und sicher werde ich das betreiben, bis der letzte Nagel in meinem Sarg ist. Für mich ist ja das, was das Leben überhaupt ausmacht. Weil ich tatsächlich das Privileg gehabt habe, meine Arbeitskraft nie verkaufen zu müssen und dann froh zu sein, dass es endlich vorbei ist. Für mich ist es einen Tritt gefunden zu haben, in etwas das ich tun darf, das ist das Schönste und Größte überhaupt.
Luerweg: Der Universaldilletant Dieter Meier, wie er sich selbst bezeichnet über sein Buch "out of chaos". Das Buch ist bei Edel erschienen und kostet 49,95 Euro.
Out of Chaos- heißt das bei ihnen war immer alles so chaotisch?
Dieter Meier: Am Anfang ist ja immer das Chaos. Aus dem Chaos heraus entsteht ja alles und ich bin sozusagen wie ein Kind, das die Dinge zuerst auseinandernehmen muss, um sie dann wieder zusammenzusetzen. Und die Dinge entstehen mir ja wie Pilze, die aus dem Boden schießen, wenn das Klima stimmt und die Nähe stimmt, dann entstehen mir die Dinge wie Pilze. Ich sehe sie an und ich staune wie ein Kind, dass so etwas entstanden ist. Ich habe gar nicht das Gefühl ich hab das gemacht.
Luerweg: Und Sie haben nie etwas geplant?
Meier: Natürlich, die eher industriellen Dinge, Landwirtschaft und Uhren und was ich sonst so mache und irgendeine Firma im Silicon Valley, da versuchte ich schon zu planen. Klar. Wobei: Planen ist natürlich eine sehr gute Sache, aber dort wo der Wind bläst, da segelt das Schiff. Und der Wind ist immer wieder anders.
Luerweg: Sie haben es gerade erzählt, was Sie so tun an nicht kreativen Dingen. Dann machen Sie aber auch noch alles Mögliche andere. Sie sind Musiker, Schriftsteller, Filmemacher, die Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Universalgenie wäre dann der passende Ausdruck.
Meier: Nein, nein, nein. Das sehe ich ja überhaupt nicht so. Universalgenie ist überhaupt nicht der richtige Ausdruck. Allenfalls Universaldilletant, weil ich ja wirklich die Dinge, wie soll ich sagen, die sind ja Ausdruck meines Ganges durch die paar zehntausend Tage auf der Welt. Es geht ja darum sich in dem was man tut zu erkennen, um ein Stück Welt, nämlich sich selber kennenzulernen, um sich irgendwann fröhlich von diesem Planeten auch verabschieden zu können.
Luerweg: Wenn man sich ihr Buch anschaut, dann hat man das Gefühl der Wunsch ein erfolgreicher Musiker zu werden, war immer schon vorhanden. Auch schon vor der Zeit mit Yello. Sie haben sich da sehr versucht.
Meier: Dieser Wunsch der war eigentlich überhaupt nicht vorhanden ein bekannter Musiker zu werden. Wir haben in einer alten Fabrik auf einem Tisch mit allerlei Geräusch machenden Gegenständen hantiert. Wir haben Freude gehabt der Boris und ich, wie Kinder die in einem Sandhaufen sitzen und ihre Fantasie in einer Sandburg irgendwie spielen lassen. Die Idee, dass wir da einmal 14 Millionen CDs verkaufen und zu Stars werden in der amerikanischen Black Dance Community, das haben wir überhaupt nicht gehabt. Für uns ist Musik machen wie Sauerstoff, den man zum Leben braucht. Wir haben nie an einer Karriere gearbeitet, was die Karriere anbetrifft ist sie uns zufällig zugefallen und wir würden genauso Musik machen, wenn wir nie eine einzige CD verkauft hätten.
Luerweg: Aber Sie haben schon Musik gemacht bevor Sie Boris Blank getroffen haben?
Meier: Ja, da war ich so ein anarchischer Punksänger, der auf die Bühne gegangen ist, ohne mit den Bands wirklich zu üben. Ich habe in nicht existierenden Suaheli-Dialekten Laute von mir gegeben, Wortfetzen. Das Ganze war sehr dadaistisch, sehr anarchisch, sehr improvisiert, oft total katastrophal, manchmal lustig, selten wirklich gut und das war wie Farbe auf eine Leinwand schmeißen und mal schauen, was kleben bleibt.
Luerweg: Anarchisch ist ein gutes Stichwort. Das trifft auch auf die ein oder andere Kunstaktion zu, die Sie gemacht haben. Im Buch nachzulesen und zu sehen ist eine Aktion in New York, da haben sie sich auf die Straße gestellt und gesagt, ich gebe jedem Geld der mir ein Yes oder ein No verkauft. Da gab es ein wenig Stress, oder?
Meier: Ja, da kam dann die Polizei, weil das verboten war. Aber ich konnte das dann den Leuten erklären, die haben mich dann gewähren lassen. Ich habe 400 Mal das Wort Ja oder das Wort Nein gekauft. Ich verstehe mich tatsächlich als Anarchist, nicht im Sinne des Bombenlegens, sondern im Sinne des eigentlich permanenten Hinterfragens der Systeme. Es gibt ja nichts Schlimmeres, auch wenn die Systeme gut gemeint sind, als starre Systeme. Das ist von Freud zu Marx und retour immer ein Unheil gewesen. Und nur die Anarchie die eigentlich das System an sich immer wieder hinterfragt hat meiner Meinung nach eine Zukunft.
Luerweg: Sie sind sehr reich geboren. Hatten sie jemals das Gefühl, Sie müssten Geld verdienen?
Meier: Ich hab die ersten 35 Jahre meines Lebens mit einfachsten Arbeiten Geld verdient. Als unsere älteste Tochter auf die Welt kam, habe ich mit meiner Frau Monique in einer anderthalb Zimmer Wohnung gewohnt und mit ganz wenig Geld gelebt, aber natürlich wie ein König, weil ich war ja totel frei. Und auch meine Ausstellungen Kunsthaus Zürich, Documenta, New York das hat ja alles kein Geld gebracht, weil ich als sogenannter Konzeptkünstler nicht wirklich was zu verkaufen hatte. Dass die Musik mir das Glück gebracht hat auch Geld zu verdienen war eine schöne Sache, aber ich hätte auch sonst genauso bescheiden leben können. Ich bin völlig einfach aufgewachsen und ich könnte so lange ich ein freier Mensch bin in einem Wohnwagen leben und irgendwo ein kleines Tischchen rausstellen und sehen, dass ich einen Bleistift habe, um irgendetwas aufzuschreiben.
Luerweg: Stichwort schreiben. Sie haben schon ein Buch geschrieben,das Sie nach ihrer Schreibmaschine "Hermes Baby" genannt haben. Hier auf der Buchmesse ist alles dem Digitalen gewidmet. Können Sie damit was anfangen oder sind Sie noch sehr dem Analogen verhaftet?
Meier: Ich bin sehr dem Analogen verhaftet und ich finde viele Dinge, E-Mail schreiben, Internet, das ist im Grunde ein totaler Leerlauf. Ich habe ja verschiedene Firmen und ich versuche den Leuten immer wieder zu sagen: Mensch, nehm doch das Telefon, sprich mit den Leuten, die tun da tagelang hin und her e-mailen und kommen nie auf den Punkt. Man muss die anderen Leute spüren. Wenn ich heute irgendwo sitze im Zug, am Flughafen oder auf Bahnhöfen dann sehe ich sehr viele immer in ihre Dinger reingaffen und sind immer am tippen und am haspeln und die können eigentlich gar nicht mehr den Augenblick genießen. Dieser verdamme Zwang immer online erreichbar zu sein und sofort antworten zu müssen, das ist ja eine Perversion.
Luerweg: Herr Meier – "out of chaos" liest sich so, da brauchten andere Menschen 100 Jahre für. Kommt noch was oder ziehen sie sich auf ihre argentinische Rinderfarm oder einen anderen Ort zurück. Sie haben ja viele zur Auswahl?
Meier: Nein, nein. Ich empfinde ja das Tun als die schönste Zeit in meinem Leben und wenn sich diese Türen öffnen, die Räume in denen ich etwas machen darf, dann ist das für mich Glück. Ich empfinde mich in keiner Sekunde mehr, als wenn ich an einer Schreibmaschine sitze oder an einem Filmset. Das ist für mich das Wunderbarste überhaupt. Das ist für mich wie atmen und sicher werde ich das betreiben, bis der letzte Nagel in meinem Sarg ist. Für mich ist ja das, was das Leben überhaupt ausmacht. Weil ich tatsächlich das Privileg gehabt habe, meine Arbeitskraft nie verkaufen zu müssen und dann froh zu sein, dass es endlich vorbei ist. Für mich ist es einen Tritt gefunden zu haben, in etwas das ich tun darf, das ist das Schönste und Größte überhaupt.
Luerweg: Der Universaldilletant Dieter Meier, wie er sich selbst bezeichnet über sein Buch "out of chaos". Das Buch ist bei Edel erschienen und kostet 49,95 Euro.