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Ich "versuche, das Gefühl für die Musik zu visualisieren"

Musik in Bilder umzusetzen, ist eine Kunst. Olaf Heine beherrscht sie. Bekannt wurde er mit seinen Porträts von Stars wie Iggy Pop, Bon Jovi und The Eagles. Den Sprung nach Amerika ebnete ihm seine Arbeit mit Rammstein, erzählt der Fotograf im Corsogespräch.

Das Interview führte Uli Kniep | 07.01.2013
    Uli Kniep: Olaf Heine, angefangen hat alles hier in Hannover mit Coverfotos für die damals noch lokalen Bands Terry Hoax und Fury In The Slaughterhouse. Doch schon bald gelang der Sprung über den Atlantik Wie genau kam dieser – auch Karrieresprung – zustande?

    Olaf Heine: Ja, das war zu 50 Prozent Glück und zu 50 Prozent Tatendrang von mir: Ich hab Anfang der 90er-Jahre mich auf Musikfotografie konzentriert. Das machen viele junge Fotografen, aber ich hab gesagt: ich möchte nichts Anderes machen. Ich bin mit den Bands auf Tour gegangen, ich bin dabei gewesen hinter der Bühne, bei den Aufnahmen dabei gewesen, ich hab das wirklich gelebt – manchmal so als wäre ich ein weiteres Bandmitglied gewesen, ohne dass ich ein Instrument spielen konnte. Und ich glaube, das haben die Musiker gemerkt, und ich habe mit vielen Bands so intensiv gearbeitet, dass ich Nachfolgejobs bekommen habe, woraus Dokumentationen wurden. Eine dieser Bands war Rammstein, und die hab ich Mitte der 90er-Jahre mehrfach fotografiert. 1997/98 hat sich David Lynch zwei Musikstücke von Rammstein für seinen Film in "Lost Highway" ausgesucht. Die hatten durchschlagenden Erfolg in den Staaten. Sie sind dann dort hingegangen und haben dann eine Tournee gemacht und haben mich eingeladen. Ich war damals erstmals längere Zeit in den USA und habe einfach die Mappe mitgenommen mit Beispielarbeiten und bin dann einfach mal losgezogen und gesagt: Hier bin ich und möchte für euch fotografieren. Ich habe die ersten Kontakte zur amerikanischen Plattenindustrie durch Rammstein bekommen. Das ist das Schöne an den Amerikanern: Wenn man mit gewissem Selbstbewusstsein und Ehrgeiz auftritt, geben sie einem auch die Chance. Das hab ich dann relativ schnell gehabt. Nach Rammstein kamen bald schon Chris Cornell und Sting und daraus ist dann eine elf-, zwölfjährige Laufbahn geworden.

    Kniep: Das hört sich logisch und einfach an, aber es ist natürlich auch Glück, wenn man einen solchen Türöffner hat. Rammstein haben ja nie einen unumstrittenen Stand gehabt, gerade hier in Deutschland gehabt. Macht das Probleme?

    Heine: Für mich nicht, denn ich habe die Band früh kennengelernt und ich weiß ja wo sie herkommen: Ich weiß, dass sie eher aus der linken Alternativszene des Ostens kommen. Ich kann natürlich verstehen, dass gewisse Leute, die sich nur die Musik anhören, die Art, die Akzentuierung, die Tonalität von Till Lindemann, dem Sänger hören, dass deren Gedanken in eine bestimmte Richtung gehen. Aber letztendlich müsste man auch im Theater alle Provokationen rechter Natur verdammen. Für mich ist es aber Kunst. Und Kunst bedeutet auch anzuecken. Vielleicht hätte sich die Band hier und da den Mund aufmachen und sich auch einmal erklären müssen, aber das ist nicht das Prinzip der Band, das möchten die nicht. Deshalb hat es sehr lange gedauert, bis sie gesellschaftsfähig wurden. Kürzlich vor einige paar Monaten ist eine dreißigseitige Beilage in der "Süddeutschen" erschienen, nun in der bürgerlichen Mitte angekommen.
    Kniep: Natürlich haben auch ihre Videos dazu beigetragen. Kommen wir einmal zu den bewegten Bildern. Was macht denn den Unterschied zwischen der Fotografie und einem Video, das man für eine Band macht, aus?

    Heine: Bei einem Musikvideo ist es das Ziel noch viel mehr, den Kern eines einzelnen Songs zu treffen. In der Fotografie versuche ich, das Gefühl für die Musik zu visualisieren. Ich hab für mich immer das Ziel gesetzt, dass ich mit jedem Einzelfoto eine Geschichte erzählen möchte. Das Schöne am Video ist, dass man drei, vier Minuten Zeit. Ich habe recht viele Videos gemacht und immer Spaß daran gehabt. Heutzutage nicht mehr so. So wie ich mit meinen Bildern Ausstellungen gemacht und immer gerne groß gezeigt habe, genau so gerne habe ich meine Videos auf den entsprechenden Kanälen gesehen. Leider gibt es diese Kanäle nicht mehr. So habe ich das zurückgefahren und dreh nicht mehr so viel.
    Kniep: Das Abenteuer Amerika war trotzdem beendet – aber freiwillig. Warum zurück nach Deutschland?

    Heine: Zunächst muss ich sagen, dass ich nie vollkommen nach Amerika gegangen bin. Ich habe schon nach einigen Jahren festgestellt, dass ich gar nicht so ignorant sein kann, um all die Schattenseiten in Amerika links liegen zu lassen: Die Politik, die Wirtschaft, Aspekte der Kultur. Und ich habe schlicht und einfach erst im Ausland gemerkt, was ich doch an Deutschland, an der Heimat habe. Vor ein paar Jahren kamen mehrere Sachen zusammen: Die Attacke auf das World Trade Center. Jetzt 2008 die Wirtschaftskrise. Zeitgleich bin ich Vater geworden. Ich habe mich verändert. Da drüber die Wirtschaft war gelähmt, die ganze Stimmung war depressiv Musikindustrie hatte sich verändert. Eines Morgens bin ich aufgewacht, und habe festgestellt, nun ist es Zeit, ein bisschen mehr in Deutschland zu machen. Ich bin noch vier, fünf Mal im Jahr in den Staaten, hab auch noch eine Agentur dort, aber ich verbringe nicht mehr soviel Zeit dort.
    Kniep: Wenn wir einmal einen berühmten Kollegen wie Jim Rakete zum Vergleich nimmt. Hat er so eine Art Vorbildfunktion gehabt?

    Heine: Er war schon ein Mentor für mich. Das geht zurück bis in die alten Tage in Hannover und Fury in the Slaughterhouse. Er hat ein paar Plattencover für die Band fotografierte, ich habe auch für sie fotografiert. So haben wir uns kennengelernt. Ich war damals Anfang 20, und er war sicher ein Mentor für mich, vor allem auch in seiner Radikalisierung und seiner Reduktion auf Schwarz-weiß. Das haben wir sicherlich gemein. Ansonsten konzentriert er sich auf Gesichter, ich bin jemand, der gern eine Geschichte erzählt mit meinen Bildern.
    Kniep: Wenn ich mir vorstelle, einen Mann wie Iggy Pop und Jon Bon Jovi vor meiner Kamera zu haben, muss man den mit Glacee Handschuhen anfassen und wie ein rohes Ei behandeln?

    Heine: Die größten Allüren haben immer die, die es sich eigentlich nicht erlauben dürften, nämlich die, die gerade erst am Anfang stehen oder unbekannter sind. Die Künstler, die schon lange dabei sind, denen begegnet man auf Augenhöhen. Viel von dem, was da transportiert wird, oder was Leute über sogenannte Stars denken, kommt natürlich eher aus der Yellow Press. Ich kann nur sagen, ich hab immer gute Erfahrungen gemacht: Mit einem Jon Bon Jovi – hab ich erlebt – ist ein Mann, mit dem man auch durch New York latschen und in eine Kneipe gehen und ein Bier trinken kann, ohne 15 Leute drum herum. Das geht mit dem.

    Kniep: Es ist also noch nichts geplatzt, wenn man einen Auftrag oder schon eine Vereinbarung hatte, und dann aber festgestellt hat: die Chemie stimmt nicht?

    Heine: Doch das ist auch vorgekommen, und ich find, das ist auch normal. Ich kann ja nicht mit jedem auf derselben Wellenlänge sein. Jeder hat auch mal einen schlechten tag. Manchmal stimmt es einfach nicht, manchmal kommen die Ideen nicht zueinander. Oder man mag sich schlicht und einfach nicht. Man trifft man sich zum ersten Male, wenn man schon die Kamera in der Hand hält und die Fotos machen soll und man stellt fest, da springt kein Funke über.

    Kniep: Kann man da Namen nennen?

    Heine: Ne, da bin ich loyal. Wie gesagt: Ich respektiere das auch. Ich habe mit Sicherheit auch mal schlechte Tage gehabt, die Künstler haben schlechte Tage. Das kann schon mal vorkommen, dass man dann nicht unbedingt zu den gewohnten Ergebnissen kommt.

    Kniep: Vielen Dank für das Gespräch.

    Heine: Ja, hey, ich habe zu danken.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.