Adalbert Siniawski: Köln ist ab heute eine Woche lang Zentrum des Designs. Die internationale Einrichtungsmesse "IMM Cologne" hat ihre Pforten geöffnet. Zeitgleich zeigt die größte, deutsche "Interior Design Week - Passagen" in dutzenden Ausstellungen Trends in Sachen Inneneinrichtung. Der deutsche "Rat für Formgebung" zum Beispiel zeigt im "Kölnischen Kunstverein" bis Sonntag die Gewinner des "Iconic Award 2018" - einem Preis für zukunftsweisende Designs in Wohnung und Architektur. Gestern Abend war die Preisverleihung und über die Siegerentwürfe und Trends möchte ich sprechen mit Barbara Friedrich, Fachjournalistin und Jury-Mitglied des "Iconic Award". Willkommen im Corso-Studio.
Barbara Friedrich: Vielen Dank, freue mich, hier zu sein.
Siniawski: Welches Produkt hat Sie persönlich am meisten begeistert? Wenn Sie auswählen müssten.
Friedrich: Es gab ja 30 Best-Ofs. Das ist natürlich schwierig, eins jetzt herauszuziehen, aber - vielleicht weil ich aus Hamburg komme - fällt mir jetzt gerade spontan ein, die Kollektion "Elbe" von dem jungen Designer-Paar Eva Marguerre und Marcel Besau, die für die Elbphilharmonie die Möblierung gemacht haben. Für den öffentlichen Lounge-Bereich. Das finde ich total spannend, vor allem, weil ich dieses junge Designerpaar auch total spannend finde. Jetzt startet deren Karriere, die sind sozusagen jetzt "talk in the town".
Klare Linien, öffentliche Probleme
Siniawski: Also Förderung sozusagen auch und vielleicht Emporkömmlinge. Aber was macht denn das Design aus? Können Sie es kurz beschreiben?
Friedrich: Das Design macht aus, dass es im Grunde sehr an dem Raum entlang gedacht ist. Das ist die Aufgabe der Funktionalität, woran man auch, würde ich sagen, gutes Design erkennt, dass es eben durchdacht ist für den Zweck, den es auch erfüllen soll. Und das ist eine ganz leichte Formsprache, die passt einfach hervorragend in diesen Raum - Elbphilharmonie -, aber wenn man das Drumherum der Elbphilharmonie wegdenkt, dann ist es auch wunderbar eine sehr schöne, klare Linie für einen privaten Raum. Es ist sehr schön durchdekliniert.
Siniawski: Was mich überrascht hat, ist, dass unter den prämierten Entwürfen nicht nur durchdeklinierte schicke Stühle, Sessel, Lampen und so weiter sind, sondern z.B. auch eine Vorrichtung zum barrierefreien Befüllen von Mülltonnen, so heißt es. Eine Lösung von "Evelyn Malinowska", Studentin der Kunsthochschule Weißensee, für die Berliner Stadtreinigung. Warum ist diese Idee preiswürdig?
Friedrich: Weil sie eben für den öffentlichen Raum ist und zwar für jedermann, das soll ja Design erfüllen, dass jemand sich Gedanken macht, wie ein Problem, ein Benutzerproblem zu lösen ist und natürlich gibt es gehandicapt People, die möglicherweise nicht in eine starre Tonne oben reinwerfen können, sondern brauchen immer jemanden, der ihren Müll entsorgt. Diese Idee ist letztendlich simpel, aber wirkungsvoll: Man kann die Tonne einfach kippen und das finde ich einfach super, dass sich ein Designbüro oder eine junge Designerin um so ein öffentliches Problem kümmert. Denn das ist auch Aufgabe von Design.
Design-Faktor: Benutzerfreundlichkeit
Siniawski: Also praktische Lösungen für den Alltag.
Friedrich: Ja absolut - Benutzerfreundlichkeit.
Siniawski: Auch eine App zur Steuerung von Geräten am Smartphone oder Tablet in einem so genannten vernetzten, intelligenten Haus – die "Gira"-App von "Hans Günter Schmitz" – wo ist dort der Design-Faktor?
Friedrich: Wir werden nicht umhin können, die digitale Welt erobert uns oder wir müssen sie erobern und Smart Home ist ein Begriff, der seit ein paar Jahren durch die Gegend wabert. Das ist nicht aufzuhalten, wir werden immer intelligentere Technik haben, die man möglichst einfach bedienen muss -
Siniawski: Und die miteinander vernetzt ist.
Friedrich: Die auch miteinander kommunizieren können. Ob die das immer müssen, also ich brauche keinen Kühlschrank, der mir meine Milch bestellt - also das nicht, aber es ist selbstverständlich, dass, wenn die Heizung reguliert wird je nach Tageszeit und das automatisch oder ich das von Ferne auch bedienen kann, das ist schon hilfreich. Also so eine App, mit dieser vernetzen Intelligenz dahinter, das ist einfach Zukunft und es gibt es heute schon, aber das wird in der Zukunft noch wichtiger werden und insofern haben wir diese App beurteilt, wie benutzerfreundlich, wie bedienerfreundlich sie ist - und das ist sie, sie ist wirklich sehr einfach zu bedienen und deswegen hat sie auch den Preis gewonnen.
Siniawski: Auch für Leute, die vielleicht auch ein bisschen scheu haben vor so einer Technik.
Friedrich: Das ist natürlich auch ein Problem. Ich kann Ihnen versichern, in zwanzig Jahren gibt es keine Leute mehr, die Angst haben vor dieser Technik. Die neuen, die jungen Leute haben keine Angst mehr, dieses Zeug zu benutzen.
Gute Produkte neu gedacht
Siniawski: Und wenn wir nochmal kurz auf ein anderes Beispiel schauen: Da gab es einen braunen Ledersessel mit Drehfuß "Healey Soft" von "Pearson-Lloyd" - so heißen die Designer - könnte so ähnlich in der 60ern gestaltet worden sein. Vieles Moderne ist dann vielleicht doch Zitat des Alten und Bewährten. Sehe ich das richtig?
Friedrich: Da sprechen Sie etwas an, was eines meiner Lieblingsthemen ist: Déjà-vu. Die Welt besteht einfach aus Déjà-vu: Irgendwie habe ich's schon gesehen, aber es ist anders und neu interpretiert, die ganze Kunstszene lebt ja letztendlich davon. Ich finde das gar nicht schlimm, ich finde, wenn es so genutzt wird, dass ein gutes Produkt weitergedacht wird, dann darf es auch gerne einen nostalgischen Aspekt haben, hauptsache es hat einen moderneren, neuzeitlicheren Aspekt. Und dann finde ich das gut.
Simplicity, Colour & Geometry
Siniawski: Ist vielleicht auch das, was einer dieser vier Megatrends, den sie benennen als Jury auch widerspiegelt - "Modern Simplicity", das klingt nach reduzierter Formsprache in der Tradition von früheren Entwürfen. Bauhaus taucht ja auch häufiger auf. Und weitere Trends sind dann: "Traditionals", "Colour Boost" und "Geometrics & Structure". Was steckt hinter diesen Schlagworten?
Friedrich: Englische Begriffe. Man muss ja heutzutage, um die Dinge zu benennen, gerne in so Trends hinein setzen. Ich persönlich bin nicht so der Trendmensch. Ich glaube, dass es einen Trend nie gibt, das sind immer zusammenfließende Erscheinungen und mit der Zeit hat es heute natürlich zu tun, dass viele jüngere Designer wieder einen Schritt zurückgehen und nicht dieses überfließende Dekor für wichtig finden, sondern eher so den skandinavischen Stil, also einfach in der Materialität, in der Formsprache, aber schön. Einfach eine schöne Ästhetik, das ist, was man unter diesem "Modern Simplicity" versteht.
"Colour Boost" ist - gerade in Krisenzeiten möchte man wieder ein bisschen Farbe sehen und gerade jüngere Designer benutzen Farbe wieder ganz anders. Also nicht so knallig, sondern so pastellig, aber sehr schön, edel irgendwie. Und die "Geometry & Structure". Alles ist ja Geometrie: Wenn ich einen Tisch habe, dann ist der entweder quadratisch oder rund oder länglich. Dieses in den Patterns wiederzufinden, das ist einfach ein Grundtrend überhaupt, das finden Sie immer, in allen Epochen finden Sie geometrische Strukturen. Also ist fast schon wieder ein bisschen ein Retrotrend.
Siniawski: Also es bedingt sich immer gegenseitig.
Friedrich: Ja und es ist auch fließend. Ich bin wirklich ein Feind von diesem festgesetzten Trend: Das ist jetzt der Trend XY. Nein, die Trends gehen immer fließend ineinander über und das ist auch gut so. Das ist wie bei der Mode, da gibt es ja auch nicht mehr nur eine Version, wie man sich anziehen kann.
Siniawski: Die Gewinnerausstellung "Iconic Awards 2018" ist im "Kölnischen Kunstverein" zu sehen, bis zum 21. Januar. "Barbara Friedrich" sitzt in der Jury und hat uns die Designtrends 2018 vorgestellt - dafür vielen Dank und Danke für den Besuch im Studio.
Friedrich: Ganz herzlichen Dank Ihnen, war mir ein Vergnügen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.