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ID-Festival Berlin
Als Israeli eine Identität in Deutschland entwickeln

Beim ID-Festival in Berlin treten israelische Künstler auf, die in Deutschland leben. Sie begeben sich mit unterschiedlichen Kunstformen auf die Suche nach einer Identität - zum Beispiel mit einem eigenen Orchester.

Von Ruth Kinet |
    Der Geiger und Dirigent Guy Braunstein
    Guy Braunstein dirigiert das israelische Orchester. (Ofer Plesser/ID-Festival Berlin)
    In der Ausstellung des ID-Festivals im Berliner Kulturzentrum Radialsystem hängt ein großformatiges Stillleben des israelischen Künstlers Olaf Kühnemann. In seiner Mitte ein Nussknacker, der, wenn er seinen Kopf nur leicht nach rechts wenden würde, aus der Glasfront im vierten Stock hinunter auf die bunt beleuchteten Ausflugsschiffe blicken könnte, die auf der Spree vorbeischaukeln.
    "Dieses Bild, der Nussknacker, beruht auf einer Fotografie aus meiner Kindheit. Ich bin Israeli, bin aber kein Jude. Ich bin Deutscher, aber ich bin nicht in Deutschland geboren und habe nie hier gelebt, sondern erst in der Schweiz, dann in Kanada und seit meinem achten Lebensjahr in Israel. Vor sechs Jahren bin ich dann mit meiner Frau und meinen Kindern nach Berlin gezogen. Meine Muttersprache war verloren. Im Rückblick sehe ich, dass es in diesem Bild um meine Identität geht. Ob du es willst oder nicht, deine Identität ist ein Teil von dir."
    Eigenes israelisches Orchester
    Als der israelische Pianist und Komponist Ohad Ben-Ari nach Berlin zog, wollte er ein israelisches Orchester gründen. Mit Unterstützung des Staatsministeriums für Kultur und Medien entwickelte sich aus dieser Idee das Konzept für etwas Größeres: ein israelisches Kulturfestival in Berlin.
    "Wir sind eine neue Gemeinde hier und ein Großteil von uns sind Künstler. Und um uns definieren zu können, suchen wir als unsere neue Identität, neue Symbole und Traditionen, durch die wir uns besser definieren können."
    Inzwischen existiert das Orchester, das Ben-Ari im Sinn hatte, wirklich. Die 45 israelischen Musiker eröffneten das Festival am Freitag mit Werken von Beethoven, Saint-Saëns und Ödön Pártos. Sie spielten unter der Leitung des Violinisten Guy Braunstein, der bis vor zwei Jahren Erster Konzertmeister der Berliner Philharmoniker war:
    "Natürlich sind wir alle Israelis, die hier nach Deutschland gekommen sind, gekommen, um die deutsche Kultur zu studieren. Aber wir kommen nicht mit leeren Händen. Es produziert auch Entwicklung in der Kultur hier und deswegen sind wir hier, um das zu zeigen und auszuprobieren wie unser kultureller gemischter Salat funktioniert."
    Diskurs im Rahmen eines Philosophischen Kabaratts
    Elad Lapidot ist Philosoph und Übersetzer deutscher Philosophen wie Husserl, Hegel und Heidegger ins Hebräische. Er hat den Diskurshorizont des Festivals entworfen: In drei Runden eines sogenannten Philosophischen Kabaretts wurden Fragen des Zionismus, des sozialistischen Kibbuz-Experiments und der neuen Diaspora umkreist:
    "Ich verstehe mich selbst nicht mehr als Israeli, sondern als Ex-Israeli. Und das bedeutet mehrere Sachen: Das bedeutet, dass man auch nicht irgendwie diasporisch denkt. Durch diese Bewegung kommt man in eine Situation von Frage. Vielleicht ist das eine richtige Definition davon, was Exil bedeutet. Das heißt, man hat keine klare, einfache Antwort auf Identität, sondern lehnt Identitäten ab und versucht, neue Traditionen zu denken, was kann man Neues machen."
    Der Nussknacker von Olaf Kühnemann stieg 2007 in einem Atelier im Süden Tel Avivs aus einem Familienfoto in ein Gemälde. Jetzt hängt er am Ufer der Spree und wirkt so, als sei er in seinem natürlichen Habitat angekommen. Wären da nicht die Leerstellen um ihn herum, an denen die Struktur der Holzplatte sichtbar ist, auf die Olaf Kühnemann seine Ölfarben aufgetragen hat.
    Beim ID-Festival Berlin haben die israelischen Musiker, Tänzer, Schauspieler, bildenden Künstler und Philosophen ihre Existenz in Berlin künstlerisch und intellektuell abgetastet, befragt und gefeiert. Hier waren sie keine als Repräsentanten Israels in Deutschland Hinzugeladenen, sondern Subjekte einer neuen Geschichte:
    "Dieses Festival markiert für uns einen bewegenden Moment. Das Festival ist ein Zeichen, dass unsere Existenz hier mehr ist als nur vorübergehend. Dass sie tiefer geht. Dies ist der Anfang einer Verwurzelung. Und das ist schön."