Herbert Wehner – sicher war er einer der umstrittensten und geheimnisvollsten Politiker der Bundesrepublik, ein Mann, der die Menschen polarisiert hat wie kaum ein anderer. Wehner ist nicht nur durch die Klugheit in Erinnerung geblieben, mit der er die SPD ins bürgerliche Lager führte, sondern auch durch seine Ausbrüche im Bundestag – wie etwa während einer hitzigen Bundestagsdebatte im Jahre 1975:
"Ich bin es gewohnt, ausgepfiffen und niedergebrüllt und geschlagen zu werden. Dessen schäme ich mich nicht. Es werden sich andere einmal dafür schämen müssen. Für die Deutschen so viel wie möglich von Deutschland zu retten, das ist die Aufgabe, der ich mich durch Eid verpflichtet habe und auch nicht durch Geschrei und Misstrauen davon abbringen lasse."
Christoph Meyer, sein Biograf, wurde in dem Jahr geboren, in dem Herbert Wehner die Große Koalition von 1966 zimmerte. Er nähert sich dem nach Willy Brandt wohl bekanntesten Sozialdemokraten also nicht mit dem Blick des Zeitgenossen, sondern als Historiker. Meyer hatte Zugang zu Quellen, die anderen bisher verschlossen blieben und ist deshalb in der Lage, ein privateres und vermutlich auch politisch genaueres Bild von Herbert Wehner zu zeichnen als andere vor ihm. Er tut das mit sehr viel Anteilnahme, zurückhaltend und dennoch auf keiner Seite des flüssig geschriebenen dicken Buches langweilig. Wir erfahren nicht nur Neues über Herbert Wehner, sondern über die linke Jugendkultur in Weimar, über den Widerstand der Kommunisten während der Nazizeit und über die politischen Anfänge nach 1945. Besonders anrührend sind die Kapitel über den sehr jungen und über den sehr alten Herbert Wehner. Man begreift mehr über den oft verbittert und zerrissen wirkenden Politiker, wenn man liest, wie sehr er in einer zerfallenden Familie mit einem alkoholkranken Vater Verantwortung übernahm, wie er um Zugang zu Bildung und Ausbildung kämpfen musste und mit wie viel Leidenschaft er in der chaotischen Zeit der Weimarer Republik nach einer politischen Heimat suchte und sie schließlich bei den Kommunisten fand. Der Historiker zitiert dazu Herbert Wehner:
"Mich hat es damals gedrängt, etwas zu tun und nicht nur zu reden und nicht nur zu deklarieren. Und ich fand, das war die Möglichkeit, organisiert etwas zu tun."
Wehner verachtete damals die in seinen Augen kleinbürgerliche, zaghafte SPD, landete als Jugendlicher zunächst bei den Anarchisten um den Schriftsteller Erich Mühsam, dann für viele Jahre bei der Kommunistischen Partei. Der Sohn aus einer verarmten Arbeiterfamilie war schon als Jugendlicher hochpolitisch, ein Idealist, der an den Ungerechtigkeiten der Zeit litt. 1930, mit 24 Jahren, saß Wehner, der begabte Schreiber, Redner und Organisator, schon für die KP im sächsischen Landtag und kassierte dort innerhalb eines halben Jahres 27 Ordnungsrufe. Den zornigen, den unbeherrschten Politiker gab es also auch damals schon. Und so sehr er sich geändert haben mag, sich vom Kommunisten zum überzeugten Demokraten wandelte, er blieb der leidenschaftliche, laute, verletzende Herbert Wehner, der zwar von vielen geachtet, aber gleichzeitig auch gefürchtet war. Für die einstigen Genossen war er der Abtrünnige, der Verräter, für viele Konservative und manche Sozialdemokraten blieb er zeitlebens der von Moskau gesteuerte Kommunist, dem nicht zu trauen war. Für wieder andere besaß er hohen Unterhaltungswert, weil er im Bundestag regelmäßig für Eklats sorgte. Wie etwa während jener hitzigen Debatte über die berühmt-berüchtigte Sonthofen–Rede von Franz Josef Strauß. Der Bayer hatte gesagt, in der SPD- und FDP-Bundestagsfraktion sitze "ein ganzer Haufen von Sympathisanten der Baader-Meinhof-Verbrecher" und Wehner zahlte ihm mit gleicher Münze zurück:
"Ihnen kommt es nicht darauf an, dass Terroristen lahm gelegt und unschädlich gemacht werden, sondern so vieldeutig wie möglich die Tastsache, dass es solche gibt, dazu auszunutzen, Dunstkreise zu beschreiben und möglichst viele als in diesem Dunstkreis befindlich zu verdächtigen. Das ist alles, was Sie am Kampf gegen den Terrorismus interessiert, denn Sie sind selbst geistig Terrorist. Der Herr Strauß ist geistig ein Terrorist, habe ich gesagt. Geistig!"
Das war die eine Seite Herbert Wehners. Die andere gab es auch: nämlich den Mann, der ganz im Stillen über menschliche Erleichterungen für DDR-Bürger verhandelte, der Häftlinge freikaufen ließ und zahllosen Familien half. Und er war der Mann, der kühl und klug an der ideologischen Veränderung der SPD zu einer links-bürgerlichen Partei arbeitete, um sie regierungsfähig zu machen. Die Große Koalition von 1966 war vor allem sein Werk – und sie kam gegen heftigen Widerstand aus der eigenen Fraktion zustande. Deshalb taktierte er zunächst ruhig, abwartend und vorsichtig, um sein Ziel nicht zu gefährden:
"Die SPD ist nicht bereit, in ein solch zerwühltes ungemachtes Bett zu steigen, wenn ich mich dieses nicht ganz passenden Bildes bedienen darf. Die SPD wird von jedem, der auf sie zukommen wird, wissen wollen, wohin die Reise gehen soll, damit sie sich Punkt für Punkt dazu äußern und ihre eigene Auffassung dazu sagen kann."
Ohne Herbert Wehner wäre die sozial-liberale Koalition von 1969 nicht möglich gewesen, die er übrigens keineswegs favorisierte. Ohne Herbert Wehner hätte sie vermutlich nicht 13 Jahre lang gehalten, denn er hielt den bald auseinanderstrebenden Laden zusammen. Auch hier aber gibt es die andere Seite des rätselhaften Herbert Wehner. Etwa die Kälte, mit der er an der Demontage Willy Brandts gearbeitet hat, längst bevor die Guillaume-Affäre hohe Wellen schlug. Bei der Beschreibung der bald zerstrittenen Troika Willy Brandt – Helmut Schmidt – Herbert Wehner ist der Historiker Christoph Meyer nicht unparteiisch. Den Bundeskanzler vor allem als gelähmten, depressiven Zauderer zu beschreiben, ist eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Stimmig wirkt dagegen folgende Interpretation des Autors:
"Während Brandts Weg zur Sozialdemokratie in Schlangenlinien als kurvenreiche, langsame Wandlung zum demokratischen Sozialisten verlief, war Wehners Entscheidung für die SPD ein schmerzhaft empfundener totaler Bruch. (...) Herbert Wehner missfielen Arbeitsweise, Leichtlebigkeit und Unverbindlichkeit Brandts."
Ärgerlicher aber ist der durch Sympathie getrübte Blick bei der Beschreibung der Moskauer Jahre Herbert Wehners im berüchtigten Emigrantenhotel Lux und seiner Zeit in schwedischer Haft. Meyer unterschlägt keine Fakten, und er zitiert aus zahlreichen Quellen. Doch bei seiner Interpretation dieser Fakten neigt sich die Waagschale stets zu Gunsten Herbert Wehners. Merkwürdig verschwommen wird das sonst so klare Buch, wenn der Autor sich mit den inzwischen ja gut belegten Vorwürfen auseinandersetzt, Wehner habe in diesen angstbesetzten lebensgefährlichen Jahren in Moskau Genossen verraten. Als er ab 1937 für die Komintern arbeitete, war er sowohl als Täter wie auch als Opfer in die brutalen innerkommunistischen Säuberungen verstrickt. Rätselhaft bleibt auch nach der Lektüre, warum er sich 1941 zur Überprüfung deutscher Kommunisten nach Schweden schicken ließ und nicht schon bei der Ankunft dort dem Stalinschen Kommunismus abgeschworen hat. Christoph Meyer bilanziert erstaunlich milde:
"Herbert Wehner erlag in seiner Jugend und als junger Erwachsener schweren politischen Irrtümern. Seine Zugehörigkeit und die aufgrund seiner Talente bald führende Tätigkeit in der Kommunistischen Partei Deutschlands bezahlte er mit seiner Verstrickung in die stalinistischen Säuberungen. Er erkannte seinen Irrtum und zog die Konsequenz, den Sozialismus nur mit demokratischen Mitteln und mit demokratischer Zielsetzung innerhalb des demokratischen Staates zu erstreben."
Herbert Wehner bleibt dennoch ein Rätsel: Er war konspirativ, misstrauisch, hart, extrem machtbewusst, aber eben auch weich bis zur Sentimentalität, großzügig, ein bedingungsloser Familienmensch. Seine Auftritte und Ausbrüche im Bundestag: Waren sie kühl kalkuliert, zeigte sich hier sein Jähzorn oder die nackte Verzweiflung eines Mannes, der sich ewig missverstanden fühlte? Die Antwort darauf bleibt offen. Sein gesundheitlicher Verfall fiel zusammen mit dem Verfall der sozial-liberalen Koalition. Die Intensität, mit der Christoph Meyer über diese Jahre schreibt, lässt niemanden unbeteiligt, der sich auf dieses Buch einlässt. Aus dem Zuchtmeister der SPD wurde ein hilfloser und wegen seines Gedächtnisverlusts oft verängstigter und verwirrter Mensch. Die Wiedervereinigung hat er bewusst nicht mehr erlebt. Auch das ist eine besondere Tragik in seinem Leben, denn auf dieses Ziel hatte er während all der Jahrzehnte in der Politik hingearbeitet.
Christoph Meyer: Herbert Wehner. Biographie.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006
579 Seiten, 16 Euro
"Ich bin es gewohnt, ausgepfiffen und niedergebrüllt und geschlagen zu werden. Dessen schäme ich mich nicht. Es werden sich andere einmal dafür schämen müssen. Für die Deutschen so viel wie möglich von Deutschland zu retten, das ist die Aufgabe, der ich mich durch Eid verpflichtet habe und auch nicht durch Geschrei und Misstrauen davon abbringen lasse."
Christoph Meyer, sein Biograf, wurde in dem Jahr geboren, in dem Herbert Wehner die Große Koalition von 1966 zimmerte. Er nähert sich dem nach Willy Brandt wohl bekanntesten Sozialdemokraten also nicht mit dem Blick des Zeitgenossen, sondern als Historiker. Meyer hatte Zugang zu Quellen, die anderen bisher verschlossen blieben und ist deshalb in der Lage, ein privateres und vermutlich auch politisch genaueres Bild von Herbert Wehner zu zeichnen als andere vor ihm. Er tut das mit sehr viel Anteilnahme, zurückhaltend und dennoch auf keiner Seite des flüssig geschriebenen dicken Buches langweilig. Wir erfahren nicht nur Neues über Herbert Wehner, sondern über die linke Jugendkultur in Weimar, über den Widerstand der Kommunisten während der Nazizeit und über die politischen Anfänge nach 1945. Besonders anrührend sind die Kapitel über den sehr jungen und über den sehr alten Herbert Wehner. Man begreift mehr über den oft verbittert und zerrissen wirkenden Politiker, wenn man liest, wie sehr er in einer zerfallenden Familie mit einem alkoholkranken Vater Verantwortung übernahm, wie er um Zugang zu Bildung und Ausbildung kämpfen musste und mit wie viel Leidenschaft er in der chaotischen Zeit der Weimarer Republik nach einer politischen Heimat suchte und sie schließlich bei den Kommunisten fand. Der Historiker zitiert dazu Herbert Wehner:
"Mich hat es damals gedrängt, etwas zu tun und nicht nur zu reden und nicht nur zu deklarieren. Und ich fand, das war die Möglichkeit, organisiert etwas zu tun."
Wehner verachtete damals die in seinen Augen kleinbürgerliche, zaghafte SPD, landete als Jugendlicher zunächst bei den Anarchisten um den Schriftsteller Erich Mühsam, dann für viele Jahre bei der Kommunistischen Partei. Der Sohn aus einer verarmten Arbeiterfamilie war schon als Jugendlicher hochpolitisch, ein Idealist, der an den Ungerechtigkeiten der Zeit litt. 1930, mit 24 Jahren, saß Wehner, der begabte Schreiber, Redner und Organisator, schon für die KP im sächsischen Landtag und kassierte dort innerhalb eines halben Jahres 27 Ordnungsrufe. Den zornigen, den unbeherrschten Politiker gab es also auch damals schon. Und so sehr er sich geändert haben mag, sich vom Kommunisten zum überzeugten Demokraten wandelte, er blieb der leidenschaftliche, laute, verletzende Herbert Wehner, der zwar von vielen geachtet, aber gleichzeitig auch gefürchtet war. Für die einstigen Genossen war er der Abtrünnige, der Verräter, für viele Konservative und manche Sozialdemokraten blieb er zeitlebens der von Moskau gesteuerte Kommunist, dem nicht zu trauen war. Für wieder andere besaß er hohen Unterhaltungswert, weil er im Bundestag regelmäßig für Eklats sorgte. Wie etwa während jener hitzigen Debatte über die berühmt-berüchtigte Sonthofen–Rede von Franz Josef Strauß. Der Bayer hatte gesagt, in der SPD- und FDP-Bundestagsfraktion sitze "ein ganzer Haufen von Sympathisanten der Baader-Meinhof-Verbrecher" und Wehner zahlte ihm mit gleicher Münze zurück:
"Ihnen kommt es nicht darauf an, dass Terroristen lahm gelegt und unschädlich gemacht werden, sondern so vieldeutig wie möglich die Tastsache, dass es solche gibt, dazu auszunutzen, Dunstkreise zu beschreiben und möglichst viele als in diesem Dunstkreis befindlich zu verdächtigen. Das ist alles, was Sie am Kampf gegen den Terrorismus interessiert, denn Sie sind selbst geistig Terrorist. Der Herr Strauß ist geistig ein Terrorist, habe ich gesagt. Geistig!"
Das war die eine Seite Herbert Wehners. Die andere gab es auch: nämlich den Mann, der ganz im Stillen über menschliche Erleichterungen für DDR-Bürger verhandelte, der Häftlinge freikaufen ließ und zahllosen Familien half. Und er war der Mann, der kühl und klug an der ideologischen Veränderung der SPD zu einer links-bürgerlichen Partei arbeitete, um sie regierungsfähig zu machen. Die Große Koalition von 1966 war vor allem sein Werk – und sie kam gegen heftigen Widerstand aus der eigenen Fraktion zustande. Deshalb taktierte er zunächst ruhig, abwartend und vorsichtig, um sein Ziel nicht zu gefährden:
"Die SPD ist nicht bereit, in ein solch zerwühltes ungemachtes Bett zu steigen, wenn ich mich dieses nicht ganz passenden Bildes bedienen darf. Die SPD wird von jedem, der auf sie zukommen wird, wissen wollen, wohin die Reise gehen soll, damit sie sich Punkt für Punkt dazu äußern und ihre eigene Auffassung dazu sagen kann."
Ohne Herbert Wehner wäre die sozial-liberale Koalition von 1969 nicht möglich gewesen, die er übrigens keineswegs favorisierte. Ohne Herbert Wehner hätte sie vermutlich nicht 13 Jahre lang gehalten, denn er hielt den bald auseinanderstrebenden Laden zusammen. Auch hier aber gibt es die andere Seite des rätselhaften Herbert Wehner. Etwa die Kälte, mit der er an der Demontage Willy Brandts gearbeitet hat, längst bevor die Guillaume-Affäre hohe Wellen schlug. Bei der Beschreibung der bald zerstrittenen Troika Willy Brandt – Helmut Schmidt – Herbert Wehner ist der Historiker Christoph Meyer nicht unparteiisch. Den Bundeskanzler vor allem als gelähmten, depressiven Zauderer zu beschreiben, ist eine sehr einseitige Sicht der Dinge. Stimmig wirkt dagegen folgende Interpretation des Autors:
"Während Brandts Weg zur Sozialdemokratie in Schlangenlinien als kurvenreiche, langsame Wandlung zum demokratischen Sozialisten verlief, war Wehners Entscheidung für die SPD ein schmerzhaft empfundener totaler Bruch. (...) Herbert Wehner missfielen Arbeitsweise, Leichtlebigkeit und Unverbindlichkeit Brandts."
Ärgerlicher aber ist der durch Sympathie getrübte Blick bei der Beschreibung der Moskauer Jahre Herbert Wehners im berüchtigten Emigrantenhotel Lux und seiner Zeit in schwedischer Haft. Meyer unterschlägt keine Fakten, und er zitiert aus zahlreichen Quellen. Doch bei seiner Interpretation dieser Fakten neigt sich die Waagschale stets zu Gunsten Herbert Wehners. Merkwürdig verschwommen wird das sonst so klare Buch, wenn der Autor sich mit den inzwischen ja gut belegten Vorwürfen auseinandersetzt, Wehner habe in diesen angstbesetzten lebensgefährlichen Jahren in Moskau Genossen verraten. Als er ab 1937 für die Komintern arbeitete, war er sowohl als Täter wie auch als Opfer in die brutalen innerkommunistischen Säuberungen verstrickt. Rätselhaft bleibt auch nach der Lektüre, warum er sich 1941 zur Überprüfung deutscher Kommunisten nach Schweden schicken ließ und nicht schon bei der Ankunft dort dem Stalinschen Kommunismus abgeschworen hat. Christoph Meyer bilanziert erstaunlich milde:
"Herbert Wehner erlag in seiner Jugend und als junger Erwachsener schweren politischen Irrtümern. Seine Zugehörigkeit und die aufgrund seiner Talente bald führende Tätigkeit in der Kommunistischen Partei Deutschlands bezahlte er mit seiner Verstrickung in die stalinistischen Säuberungen. Er erkannte seinen Irrtum und zog die Konsequenz, den Sozialismus nur mit demokratischen Mitteln und mit demokratischer Zielsetzung innerhalb des demokratischen Staates zu erstreben."
Herbert Wehner bleibt dennoch ein Rätsel: Er war konspirativ, misstrauisch, hart, extrem machtbewusst, aber eben auch weich bis zur Sentimentalität, großzügig, ein bedingungsloser Familienmensch. Seine Auftritte und Ausbrüche im Bundestag: Waren sie kühl kalkuliert, zeigte sich hier sein Jähzorn oder die nackte Verzweiflung eines Mannes, der sich ewig missverstanden fühlte? Die Antwort darauf bleibt offen. Sein gesundheitlicher Verfall fiel zusammen mit dem Verfall der sozial-liberalen Koalition. Die Intensität, mit der Christoph Meyer über diese Jahre schreibt, lässt niemanden unbeteiligt, der sich auf dieses Buch einlässt. Aus dem Zuchtmeister der SPD wurde ein hilfloser und wegen seines Gedächtnisverlusts oft verängstigter und verwirrter Mensch. Die Wiedervereinigung hat er bewusst nicht mehr erlebt. Auch das ist eine besondere Tragik in seinem Leben, denn auf dieses Ziel hatte er während all der Jahrzehnte in der Politik hingearbeitet.
Christoph Meyer: Herbert Wehner. Biographie.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006
579 Seiten, 16 Euro