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Idealmaß erwünscht

Rund 28 Millionen Tannenbäume stehen bereits oder werden spätestens zu Weihnachten in den deutschen Wohnzimmern stehen. Am beliebtesten ist die Nordmanntanne, weil sie kerzengerade ist und die Äste dicht und gleichmäßig verteilt sind. Doch wie kriegen die Produzenten das eigentlich hin?

Von Katrin Jäger | 23.12.2009
    Kleine Sämlinge, Knie hohe Zöglinge und mannshohe Bäume. Tannen, so weit das Auge reicht. Auf den großen Plantagen im südlichen Schleswig-Holstein trimmen die Weihnachtsbaumproduzenten ihre Nordmanntannen auf Idealmaß. Einer von ihnen ist Henning Pein. Stolz steht der Züchter vor seinem Produkt.

    "Schön dunkelgrün, schmaler Baum, dicht benadelt, bis oben hin, also ein eins A Baum ist das, absolut. Die Nadelfestigkeit, man sieht das dem Baum an. Die Spitze, die sollte auch nicht zu lang sein, etwa vierzig Zentimeter, ist ein perfekter Baum."

    Das Erfolgsgeheimnis liegt im Samen. Einmal im Jahr fährt Henning Pein in die kaukasischen Wäldern Russlands und Georgiens. Dort wachsen weltweit die prächtigsten Nordmanntannen.

    "Von einem Baum kann man bei einer Vollernte nur ein, oder zwei Kilo reinen Samen ernten. Und man bekommt dann aus einem Kilo drei- bis viertausend Pflanzen."

    Henning Pein und seine Mitarbeiter pflücken die Zapfen. Mit speziellen Maschinen filtern sie die Samen heraus. Einen Großteil liefern sie an Baumschulen in ganz Deutschland. Den Rest säen sie im Frühjahr auf ihren eigenen Keimbeeten aus. Acht bis zwölf Jahre Erziehung in der Baumschule bringen den Zögling in Form, sagt der Forstwissenschaftler Doktor Frank Schoppa, Geschäftsführer im Landesverband Schleswig-Holstein im Bund deutscher Baumschulen

    "Die Pflanzen müssen als junge, kleine Keimlinge das erste Mal verschult werden. Verschulen heißt, dass man sie aus dem Beet, wo die zunächst stehen, herausnimmt, die Pflanzabstände vergrößert und immer wieder verpflanzt. Dadurch kann man die Abstände regulieren, so dass beim Weihnachtsbaum gewährleistet ist, dass er nicht etwa von den Konkurrenten zusammengedrückt wird beim größer Werden, sondern immer den entsprechenden Freistand hat."

    Wenn Henning Pein seine Bäumchen verpflanzt, dann nutzt er die Gelegenheit, um die Wurzel zu beschneiden. Das verhindert, dass die Triebe zu lang werden. Wie die meisten Weihnachtsbaumproduzenten setzt auch Henning Pein Dünger, Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel ein. Die Substanzen steigern die Erträge. Sie lassen die Nadeln glänzen: tiefgrün, silbrig, bläulich, je nach Bedarf. Sie vergiften aber auch die Böden, sagt Doktor Rudolf Fenner, Baumreferent bei der Umweltschutzorganisation Robin Wood.

    "Das Gift kann auch, teils direkt, teils als Abbauprodukt, in das Grundwasser sickern und geht dann dadurch auch in die nächsten Gewässer, in den nächsten Graben, in den nächsten See. Das sind alles Belastungen, die unserer Natur überhaupt nicht gut tun und die sie eh schon stark belasten."

    Rudolf Fenner empfiehlt Weihnachtsbäume aus ökologischem Anbau. Oder aus Förstereien mit dem FSC Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft. Allerdings entsprechen diese unbehandelten Tannen oft nicht dem Schönheitsideal. Die Bäume von Henning Pein schon. Vorausgesetzt, sie überstehen die Baumschulzeit. Baumzüchter Pein:

    "In der Baumschule muss auch selektiert werden, was zu klein, zu schwach ist. Beim Verschulvorgang wird sicherlich schon mal so zehn, 15 Prozent aussortiert. Wir müssen ausgewählte Bestände hier in Deutschland vermehren und da dann auch Samenplantagen anlegen. Um eben unabhängiger zu werden von Georgien oder Russland."

    Versuche dieser Art sind kürzlich in Schleswig-Holstein angelaufen. Ob die Samenqualität hiesiger Nordmanntannen mit den kaukasischen Wäldern mithalten können, wird sich in etwa 15 Jahren zeigen. Erst dann sind die Bäume geschlechtsreif und können beerntet werden.