Das ist noch relativ neu: Wenn die Arbeitgeber nicht spuren, nicht flott auf die Lohnforderung mit einem ein Angebot reagieren, ruft auch die IG Metall zu Warnstreiks auf.
Die mit 2,3 Millionen Mitgliedern noch vor Verdi größte Einzelgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund hat wieder Oberwasser. Die Jahre sinkender Mitliederzahlen sind vorbei. Christine Benner, die Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, holt auch gerne Zahlen hervor, die beweisen sollen, dass die richtigen Leute beitreten, die die Gewerkschaft zukunftsfähig halten:
"Erfreulicherweise wachsen wir bei den für uns strategisch wichtigen Zielgruppen: bei Frauen, bei Angestellten und bei jungen Menschen. 42 Prozent unserer neuen Mitglieder aus dem letzten Jahr sind junge Beschäftigte bis 27 Jahre. Und das sind 42 Prozent frische Energie für die IG Metall."
Sie selbst hat ihr Amt erst seit vorigem Jahr inne und war sich der Bedeutung ihrer Wahl dankbar bewusst:
"Ich bin so stolz, als erste Frau an der Spitze der IG Metall stehen zu können. Ich bedanke mich für eure Unterstützung."
So viel Jubel stand gewiss nicht am Anfang der Gewerkschaft. 1891, vor 125 Jahren also, als mit dem Deutschen Metallarbeiter-Verband der wichtigste Vorläufer der IG Metall gegründet wurde, hatten Arbeitervereine eine schwere Zeit hinter sich. Reichskanzler Bismarck hatte ihrem Klientel zwar die Sozialversicherung beschert, es aber politisch mit den Sozialistengesetzen unterdrückt. Danach machten sich auch Gewerkschafter immer wieder mit einem alten Arbeiterlied Mut:
"Brüder, zur Sonne, zur Freiheit."
Durch Weltkriege, Weltwirtschaftskrise und Gleichschaltung unter den Nazis konnten die Metallarbeiter aber eine große Geschichte retten:
Nachkriegsparole der IG Metall: "Samstags gehört Vati mir"
Weniger Arbeitszeit, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn – das blieb trotz Krisen in Erinnerung und ließ die Metallgewerkschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wieder neu entstehen. Der freie Samstag, erkämpft unter dem Motto "Samstags gehört Vati mir", gehörte zu den Nachkriegserfolgen der IG Metall. Ihr erster Vorsitzender nach dem Krieg, Walter Freitag, zuvor Gewerkschaftsführer in der britischen und in der Bizone, stand schon für eine Politik, die für die IG Metall zum Markenzeichen wurde: Laut im Ton, auch selbstbewusst, aber immer voller Verständnis für die Kuh, die man zu melken gedachte:
"Davon zu reden, dass auf der ganzen Linie jetzt Lohnerhöhungen gefordert werden, halte ich für außerordentlich unklug. Das Gefälle der Löhne ist zu verschieden als dass man sagen kann, überall müssen Lohnerhöhungen gewährt werden. Genauso unklug halte ich es aber, wenn von Arbeitgeberseite gesagt wird, grundsätzlich werden keine Lohnerhöhungen mehr gewährt."
Die Aufgaben heute: Die Flexibilität wieder einfangen, die Bundeskanzler Schröders Agenda 2010 gekommen war, die Zeit- und Leiharbeit. Und vor allem die Digitalisierung der Arbeitswelt gewerkschaftlich begleiten. Das heißt: Arbeit regeln, die ortsunabhängig, in Echtzeit, über Zeitzonen hinweg von steuerungsabhängigen Robotern erledigt werden kann. Der erste Vorsitzende, Jörg Hofmann, sagt, die Digitalisierung werde eine Nagelprobe für die Tarifpolitik:
"Gute Arbeit in der digitalen Arbeitswelt ist möglich. Ja. Aber nur dann, wenn wir uns einmischen. Unser Pfund ist: Sie brauchen uns. Innovationsstrategien gegen die Belegschaft scheitern. Innovation funktioniert nur mit Eurem Wissen, mit Eurer Erfahrung, mit Eurem Engagement. Genau hier liegt unsere Chance."
Schutz ist das eine, was die IG Metall sich für die Zukunft auf die Fahnen geschrieben hat. Das andere: Bildung