Es gibt nur wenige Disney-Autoren, die es dermaßen krachen lassen: Gerade noch wird der geschrumpfte Micky Maus von Riesen-Insekten verfolgt, da muss er sich auch schon gegen die Dekonstruktion seines Heldenmythos' wehren, weil Kommissar Hunter ihn absetzen will und nicht mal mehr die Jungs auf der Straße ihm helfen – und schon wirft Comic-Autor Lewis Trondheim Micky Maus in den mittelamerikanischen Dschungel zum Stamm der Inkas oder sind es die Azteken? Nicht mal das weiß der sonst stets neunmalkluge Micky bei Trondheim so genau.
"Ich bin ein bisschen zynisch. Deshalb gibt es tatsächlich einige Stellen, an denen ich mich lustig mache. Bei Disney gibt es aber auch die Spielregel: Man bekommt ein Spielzeug ausgeliehen und muss es in gutem Zustand wieder zurückgeben. Man sollte also nicht zu weit gehen. Aber in den 30er Jahren waren die Disney-Figuren viel frecher als heute. Und ich versuche, das wieder zurückzuholen.
"Ich bin ein bisschen zynisch. Deshalb gibt es tatsächlich einige Stellen, an denen ich mich lustig mache. Bei Disney gibt es aber auch die Spielregel: Man bekommt ein Spielzeug ausgeliehen und muss es in gutem Zustand wieder zurückgeben. Man sollte also nicht zu weit gehen. Aber in den 30er Jahren waren die Disney-Figuren viel frecher als heute. Und ich versuche, das wieder zurückzuholen.
Inka-Schätze, Verkleinerungsmaschinen und Weltraumabenteuer
Die 30er Jahre waren auch für den Zeichner Nicolas Keramidas ein Vorbild – der Mickys Abenteuer im Stil der damaligen Zeitungscomics mit grob gerasterten Farben entwirft. Auch Trondheim zitiert die damals üblichen Zeitungscomics und erzählt sein Abenteuer als Fortsetzungsgeschichte, bei der jede Seite eine kleine, in sich abgeschlossene Handlung enthält. Der Clou dabei: Er tut einfach so, als seien ein paar dieser Geschichten verloren gegangen - und verdichtet so die Geschichte auf die typischen Micky-Maus-Motive, wie Inka-Schätze, Verkleinerungsmaschinen oder Weltraumabenteuer.
"Mickey's Craziest Adventures" von Lewis Trondheim und dem Zeichner Keramidas sind der Auftakt für eine Reihe von Micky-Maus-Geschichten von berühmten französischen Comicautoren. Trondheim kam zu dem Projekt, weil sein Zeichner da unbedingt mitmachen wollte – aber selbst kein guter Geschichtenerzähler ist. Deshalb hat er Trondheim gefragt die Handlung zu entwerfen.
"Mickey's Craziest Adventures" von Lewis Trondheim und dem Zeichner Keramidas sind der Auftakt für eine Reihe von Micky-Maus-Geschichten von berühmten französischen Comicautoren. Trondheim kam zu dem Projekt, weil sein Zeichner da unbedingt mitmachen wollte – aber selbst kein guter Geschichtenerzähler ist. Deshalb hat er Trondheim gefragt die Handlung zu entwerfen.
"Mir ist wichtig, dass die Figuren interessant und glaubwürdig sind"
Das kommt häufiger vor, meint Lewis Trondheim, dass Zeichner ihn fragen, ob er eine Geschichte für sie schreiben will – und das ist ein Grund, warum seine Arbeiten so unglaublich vielfältig sind. Bei der Albenreihe "Maggie Garrisson" war das auch so. Der Zeichner Stéphane Oiry kam gerade aus London wollte einen Krimi machen, der dort spielt.
Natürlich ist dieser Comic nicht im Funny-Stil gezeichnet, sondern viel kantiger und mit satten, scheinbar regendurchtränkten Farben. Trondheim lässt in diesem, oft eher abgerissenen, Ambiente die Privatdetektivin Maggie Garrisson ermitteln.
"Es sollte auf keinen Fall eine Femme Fatale sein, sondern eine ganz normale Frau, nicht zu hübsch, eher pfiffig. Gleichzeitig ist sie etwas durch den Wind, ein bisschen alkoholabhängig und kommt im Leben nicht so richtig klar. Mich interessiert das Menschliche, ganz gleich, ob ich Science-Fiction, Krimis oder ein ganz anderes Genre mache - mir ist immer wichtig, dass die Figuren interessant und glaubwürdig sind."
Natürlich ist dieser Comic nicht im Funny-Stil gezeichnet, sondern viel kantiger und mit satten, scheinbar regendurchtränkten Farben. Trondheim lässt in diesem, oft eher abgerissenen, Ambiente die Privatdetektivin Maggie Garrisson ermitteln.
"Es sollte auf keinen Fall eine Femme Fatale sein, sondern eine ganz normale Frau, nicht zu hübsch, eher pfiffig. Gleichzeitig ist sie etwas durch den Wind, ein bisschen alkoholabhängig und kommt im Leben nicht so richtig klar. Mich interessiert das Menschliche, ganz gleich, ob ich Science-Fiction, Krimis oder ein ganz anderes Genre mache - mir ist immer wichtig, dass die Figuren interessant und glaubwürdig sind."
"Eine Geschichte erzählen, ohne auf die Tränendrüse zu drücken"
Diese Geschichten sind alles andere als abgedreht. Maggie Garrison ermittelt in eher kleinen Fällen in der Nachbarschaft. So entwirft Trondheim eine Sozialstudie, die an die Filme des Briten Mike Leigh erinnern. So richtig dokumentarisch wird Lewis Trondheim aber erst beim Comic "Mohnblumen aus dem Irak" – einer Autobiografie seiner Frau Brigitte Findakly, Koloristin, in Mossul geboren, mit 14 nach Frankreich geflüchtet.
"Das Schwierigste war, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen, ohne am Ende die Scheidung einreichen zu müssen. Brigitte war sehr wichtig, dass der Leser jede Situation versteht und ihre Ideen nachvollziehen kann. Ich wiederum fand es spannender, mit der Intelligenz des Lesers zu spielen und sagte deshalb oft: Man muss dem Leser nicht alles erklären."
"Das Schwierigste war, gemeinsam eine Geschichte zu erzählen, ohne am Ende die Scheidung einreichen zu müssen. Brigitte war sehr wichtig, dass der Leser jede Situation versteht und ihre Ideen nachvollziehen kann. Ich wiederum fand es spannender, mit der Intelligenz des Lesers zu spielen und sagte deshalb oft: Man muss dem Leser nicht alles erklären."
Tatsächlich sind die Mohnblumen eine ebenso komplex, wie subtil, erzählte Geschichte über Brigittes Kindheit im Irak und den nicht ganz freiwilligen Umzug der Eltern nach Frankreich. Es geht um kulturelle Unterschiede, um die Bedeutung von Heimat und Religion. Die Handlung haben beide zusammen entwickelt - Trondheim hat sie gezeichnet und Findakly hat die Bilder mit strahlenden Aquarellfarben versehen.
"Wir haben sehr darauf geachtet, dass wir keine Gespräche erfinden oder eigene Aspekte hinzufügen. Wir wollten streng bei den Fakten bleiben und kein übertriebenes Pathos produzieren. Das war für mich wirklich sehr wichtig, eine Geschichte zu erzählen, ohne auf die Tränendrüse zu drücken."
Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut Trondheim alle Genres und Stimmungen bedienen kann, ohne bei all den Veröffentlichungen routiniert zu wirken. Ein anarchistisch wilder Micky Maus geht genauso, wie eine kaltschnäuzig melancholische Maggy Garrisson oder eben eine berührende Biografie. Jeder einzelne dieser Comics ist großartig - aber erst, wenn man sie zusammen liest, sieht man, zu welcher Vielfalt Trondheim fähig ist.
"Wir haben sehr darauf geachtet, dass wir keine Gespräche erfinden oder eigene Aspekte hinzufügen. Wir wollten streng bei den Fakten bleiben und kein übertriebenes Pathos produzieren. Das war für mich wirklich sehr wichtig, eine Geschichte zu erzählen, ohne auf die Tränendrüse zu drücken."
Es ist immer wieder erstaunlich, wie gut Trondheim alle Genres und Stimmungen bedienen kann, ohne bei all den Veröffentlichungen routiniert zu wirken. Ein anarchistisch wilder Micky Maus geht genauso, wie eine kaltschnäuzig melancholische Maggy Garrisson oder eben eine berührende Biografie. Jeder einzelne dieser Comics ist großartig - aber erst, wenn man sie zusammen liest, sieht man, zu welcher Vielfalt Trondheim fähig ist.