Die Gründe für das Ende der DDR und den Fall der Mauer sind historisch gut aufgearbeitet und werden in diesen Tagen gern erinnert: Die Proteste formierten sich nach der Aufdeckung der gefälschten Kommunalwahl am 7. Mai 1989, schwollen an, und im Sommer begann die Massenflucht über Ungarn. Als Anfang September in der Wohnung der Witwe von Robert Havemann 30 Intellektuelle das "Neue Forum" gründeten, war all das natürlich nicht zu ahnen. Und heute wird die Rolle der Opposition bei der friedlichen Revolution ganz unterschiedlich bewertet.
Pro: Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker, Mitglied der Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit", Buchautor, z.B. "Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR" oder "Die Übernahme. Wie Ostdeutschland Teil der Bundesrepublik wurde"
"Die Opposition und die Bürgerrechtsbewegung in der DDR haben maßgeblich die Revolution 1989 vorangetrieben und auch motiviert. Es müssen viele Faktoren zusammenkommen, damit es zu einer revolutionären Situation kommt. Zugleich bedarf es in dieser Situation mutiger Männer und Frauen, die gewissermaßen das Heft des Handelns in die Hand nehmen, die die ersten Aktionen einleiten, die Öffentlichkeit herstellen und die darüber die Öffentlichkeit informieren. Genau das hat die Opposition, hat die Bürgerrechtsbewegung mit ihrer Erfahrung seit Mitte der Achtziger Jahre dann im Sommer und Herbst 1989 auch getan."
Contra: Detlef Pollack, Soziologe an der Universität Münster, er hat bereits im Jahr 2000 eine Studie zu Politischem Protest und politisch alternativen Gruppen in der DDR vorgelegt.
"Natürlich hat der Umbruch sehr viele Ursachen, innere Ursachen, äußere Ursachen. Entscheidend für den Sturz der SED war der Massenprotest und in den Wochen, als sich der Massenprotest formierte, waren die Oppositionsgruppierungen mit anderem beschäftigt als die Demonstrationen zu organisieren. Sie strebten, mit dem Neuen Forum an der Spitze, den Dialog an mit der Bevölkerung, auch mit verschiedenen Kräften in der Gesellschaft, nicht zuletzt mit der SED, und sie warnten vor einem blinden Aktionismus. Die Oppositionsgruppierungen sind insofern ein wichtiger Kristallisationspunkt des Umbruchs, aber nicht die Ursache. Ausschlaggebend für die Demonstrationen war vor allen Dingen die Ausreisewelle in meinen Augen, die jedem in der DDR klar machte, dass es so nicht weiter gehen kann."