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Russischer Staatssender RT DE
Illegal auf Sendung?

Seit wenigen Tagen gibt es in Deutschland mit RT DE einen neuen Fernsehsender. Das staatliche Programm aus Russland hat allerdings in Deutschland keine Rundfunklizenz. Deswegen gibt es nun Streit – mit ungewissem Ausgang.

Von Christoph Sterz | 20.12.2021
RT DE sendet neben Dokus und Talks auch Live-Nachrichten aus Berlin.
Dokumentationen, Gesprächsrunden und Live-Nachrichten aus dem modernen Fernsehstudio in Berlin: So sieht das Programm des neuen Fernsehsenders RT DE aus. Für das Programm des deutschen Ablegers vom russischen Staatssender RT arbeiten nach eigenen Angaben 80 Menschen in Berlin.
Programmchef von RT DE ist Alexander Korostelev, der seinen Sender im Gespräch mit dem Deutschlandfunk auf eine Ebene mit staatsfernen, redaktionell unabhängigen Medien stellt. „Wenn Sie ein vollständiges Bild vom Weltgeschehen möchten, dann macht es doch Sinn, Informationen aus verschiedenen Quellen zu schöpfen. Schauen Sie sich die Tagesschau an, BBC, eine Doku bei Netflix, aber eben auch RT“, so Korostelev vor einigen Monaten.

Berichte mit Schlagseite

Kritik an Russland ist bei RT DE kaum zu finden, wohl aber ausführlich an den USA und Deutschland. Außerdem haben die Berichte eine zum Teil deutliche Schräglage: Ohne tagesaktuellen Aufhänger darf zum Beispiel der Chef des Lehrerverbands Diversität an Berliner Schulen als wenig wichtiges Thema abtun. Die Gegenseite kommt nicht zu Wort.
Und auch fragwürdige Gesprächspartner dürfen sich äußern, etwa Stefan Schubert – ein Mann, der im rechts-orientierten Kopp-Verlag Bücher rausgebracht hat wie „Der Bürgerkrieg kommt!“ oder „Vorsicht Diktatur!“; und der sich auch mal interviewen lässt von dem inzwischen als „gesichert extremistisch“ eingestuften Compact-Magazin.

"Klare deutsche Zuständigkeit"

Neben dem Inhaltlichen gibt es aber noch ein Problem: RT DE hat in Deutschland keine Sendelizenz beantragt – obwohl das notwendig sei, sagt Eva Flecken. Die Chefin der zuständigen Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) meint, dass „das Programm in deutscher Sprache und auf den ersten Blick und nach den ersten Prüfungen auf den deutschen Markt ausgerichtet“ sei. „Und für dieses Programm wurde bei der MABB weder eine Rundfunkzulassung beantragt und erteilt. Daher haben wir am vergangenen Freitag, am 17.12., dann ein förmliches Verfahren eingeleitet. Wir sehen hier eine klare deutsche Zuständigkeit, damit auch eine Zuständigkeit der MABB.“
Eine Reporterin des Russischen Senders RT DE berichtet
RT DE ist schon länger mit Reporterinnen und Reportern in aller Welt unterwegs. (IMAGO / Uwe Meinhold)
Es gilt als aussichtlos, dass RT DE in Deutschland eine Lizenz bekommt, weil Staatssender hierzulande keine Lizenz erhalten können. Wohl auch deshalb hatte sich RT zwischenzeitlich in Luxemburg darum bemüht, war aber an Deutschland verwiesen worden.

Lizenz aus Serbien

RT verweist auf Anfrage darauf, dass nun die gemeinnützige Organisation TV-Novisti für RT DE in Serbien eine Lizenz für die Kabel- und Satellitenübertragung erhalten habe. RT DE sei ein europaweites Programm und nicht ausschließlich auf Deutschland ausgerichtet. Die meisten Mitarbeitenden seien in Moskau und nicht in Berlin. RT beruft sich auf ein Übereinkommen des Europarats, das sich auf die freie Ausstrahlung grenzüberschreitender Fernsehprogramme bezieht.
RT ist ein vom russischen Staat finanzierter Auslands-Fernsehsender. RT startete nach eigenen Angaben 2005 mit einem internationalen Nachrichtensender und war bis 2009 unter dem Namen Russia Today bekannt. Mittlerweile bietet RT Nachrichtenkanäle in englischer, französischer, arabischer, spanischer und deutscher Sprache an.

Das deutschsprachige Angebot firmierte zunächst unter RT Deutsch und bot Videos zum Online-Abrufen an. Zum Teil gab es auch unkommentierte Live-Übertragungen, zum Beispiel von Pegida-Aufmärschen und Demonstrationen der selbsternannten „Querdenken“-Bewegung. Seit Mitte Dezember 2021 gibt es einen eigenen deutschsprachigen Fernsehsender mit 24-Stunden-Programm.
In dem Übereinkommen steht allerdings ein entscheidendes Detail, sagt der Medienrechtler Mark Cole von der Universität Luxemburg. „Demnach ist derjenige Mitgliedsstaat primär zuständig, wo der Fernsehveranstalter seinen Sitz hat. Und nur wenn kein anderer Staat, der das Übereinkommen ratifiziert hat, vorrangig zuständig ist, weil es einen Sitz gibt, nur dann gibt es diese Möglichkeit, diese Ausnahme über den sogenannten Satelliten-Uplink zu bestimmen. Sollte sich herausstellen, dass in Berlin ganze Strukturen aufrechterhalten werden, so Dinge wie Chefredakteure, Mitarbeiter journalistischer Art, im Prinzip das gesamte Personal, das man braucht, um ein Fernsehprogramm zu veranstalten, dann sind das die Indizien, die darauf hindeuten, dass das Unternehmen, das eigentlich der Veranstalter ist, tatsächlich das Berliner Unternehmen ist.“

Kaum Aussicht auf schnelle Lösung

Und weil zu erwarten ist, dass die MABB genau das feststellt, könnte es zu einem langen Rechtsstreit kommen zwischen der MABB und dem russischen Fernsehsender. Das heißt aber nicht, dass RT DE in Deutschland bis zu einem endgültigen Urteil munter weitersenden darf.
Die Medienaufsicht könnte eine einstweilige Verfügung erwirken, meint Cole. „Dann könnte es schon sein, dass relativ schnell die Weitersendung unterbunden wird“, so der Medienrechtler. Das könnte dazu führen, dass externe technische Dienstleister RT DE abschalten müssen.
Dass so eine Sperrung lauten Protest aus Moskau nach sich ziehen kann, hat YouTube schon in den letzten Tagen erlebt: Die Videoplattform hatte den Kanal mit dem Live-Programm von RT DE mit Verweis auf die hauseigenen Nutzungsbedingungen schon nach wenigen Stunden gesperrt. Die russische Medienaufsichtsbehörde sprach von einem „Akt der Zensur“ und kündigte an, gegebenenfalls den Zugriff auf YouTube „teilweise oder vollständig“ einzuschränken.