Christoph Sterz: Wenn heute Abend die Champions League-Saison beginnt, können Sie die Spiele erstmals nicht mehr im frei empfangbaren Fernsehen anschauen. Nur der Pay-TV-Sender Sky und das Internetportal DAZN haben die Übertragungsrechte in Deutschland. Immer mehr Fans greifen hierzulande daher auf illegale Livestreams im Internet zurück. Das ist auch im arabischen Raum der Fall und davon sind auch deutsche Fußballvereine betroffen. Matthis Jungblut, Inwiefern?
Matthis Jungblut: Die Deutsche Fußball-Liga, also der Zusammenschluss der deutschen Profivereine, will ihr Produkt, also die Bundesliga, exklusiv vermarkten. Deshalb ist es natürlich ein Problem, wenn illegale Streams auf den Markt sind. Ein neues Problem mit der Piraterie liegt im arabischen Raum. Die DFL verkauft weltweit Sendelizenzen für die Übertragung der Bundesliga, also auch in den arabischen Raum. Und dort hat der Sender beIN Sports die Rechte und darf die Bundesliga in Saudi-Arabien, Iran, Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigen. Aber - und jetzt kommen wir zum Problem bei der ganzen Sache - beIN Sports kommt aus Katar und mehrere arabische Staaten beteiligen sich derzeit an einem wirtschaftlichen und politischen Boykott gegen das Land. Und deshalb darf beIN Sports derzeit beispielsweise in Saudi-Arabien gar nicht senden. Der Piratensender beoutQ greift aber seit einiger Zeit das TV-Signal des eigentlichen Rechteinhabers ab und zeigt illegal Sportveranstaltungen - so zum Beispiel die Fußball-WM, die Bundesliga, aber auch eben die heute beginnende Champions League.
Internetpiraterie mit politischer Komponente
Sterz: Jetzt haben Sie gerade gesagt beIN Sports heißt der Rechteinhaber und beoutQ der Piratensender. Das hört sich schon sehr sehr ähnlich an. Ist das gewollt?
Jungblut: Ja, man kann ziemlich sicher sagen, dass das so gewollt ist, denn das Ganze ist nämlich auf den zweiten Blick viel mehr als "einfache" Internetpiraterie - das Ganze hat eine politische Komponente. beoutQ strahlt sein Programm nämlich über einen Satelliten des Unternehmens Arabsat aus, dessen Sitz ist in Riad - die Hauptstadt von Saudi-Arabien. Arabsat befindet sich zu 30 Prozent im Besitz von Saudi-Arabien. Und der europäische Fußballverband UEFA vermutet daher auch folgerichtig, dass beoutQ ein saudischer Sender ist. Saudi-Arabien wirft Katar die Unterstützung von Terrorvereinigungen vor, in einer Stellungnahme des saudischen Informationsministeriums heißt es zum Beispiel, dass Al Jazeera - als Muttersender des Rechteinhabers beIN Sports - Terroristen eine Medienplattform zur Verfügung stelle. Vermutlich ist beoutQ also eine staatliche Piraterie aus Saudi-Arabien, die sich gegen Katar wendet und das Sportprogramm des katarischen Senders torpedieren soll. Ein weiterer Beleg wie ich finde: Das "Q" in beoutQ steht wohl ziemlich sicher für die englische Schreibweise von Katar: Qatar.
Sterz: Und genau dort wird ja auch die Champions League und die Bundesliga gezeigt. Die Deutsche Fußball Liga hat rechtliche Schritte angekündigt. Was genau bedeutet das in dem Fall?
DFL behält sich Schritte gegen beoutQ vor
Jungblut: Bei diesen großen Sportevents gibt es immer die Rechteinhaber und Lizenznehmer. Also diejenigen, die das Produkt vermarkten und die originären Rechte an dem Produkt besitzen, sind die Rechteinhaber. Bei der Champions League ist das zum Beispiel die UEFA, bei der WM die FIFA und bei der Bundesliga die DFL, also die Deutsche Fußball Liga. Diese Rechteinhaber verkaufen Lizenzpakete an TV-Sender, wie die ARD oder eben im arabischen Raum an beIN Sports, das sind die so genannten Lizenznehmer. Salopp gesagt: Die zahlen viel Geld, um selbst mit dem Produkt der Rechteinhaber Geld zu verdienen. Wenn jetzt ein Piratensender das Produkt der FIFA oder DFL illegal und kostenlos verbreitet, dann schmälert das natürlich den Wert des verkauften Produkts erheblich. Und das ermöglicht dann einen Anspruch auf Schadensersatz, das hat mir Rechtsanwalt Ralf Kitzberger erklärt:
"Bei dem Schadensersatzanspruch ist es sehr interessant, weil da eben nicht nur DFL oder FIFA, sondern gegebenenfalls auch die Sender, also die Lizenznehmer, eigene Rechte haben. Wenn die dort aufzeichnen, entsteht dort das Senderecht. Die können dann eben aus urheberrechtlichen Ansprüchen Unterlassungs-, Schadens-, und Auskunftsansprüche geltend machen."
Also können sowohl die UEFA, als auch FIFA, die DFL und beIN Sports klagen.
Sterz: Und passiert das schon?
Jungblut: Bisher halten sich die Beteiligten relativ bedeckt. Die DFL hat vor kurzem ein Statement herausgegeben, dass sie bereits aktiv sei und sie sich weitere Schritte vorbehält. Konkret äußern wollten sich Sprecher der DFL dazu aber nicht. Die FIFA hat sich bei der ganzen Geschichte lange zurückgehalten, hat sich dann aber doch noch zu Wort gemeldet und will nun auch gegen beoutQ vorgehen. Das Pikante an der ganzen Sache ist: FIFA-Chef Gianni Infantino ist eng mit den Machthabern und Investoren in Saudi-Arabien verbunden. Er hatte zum Beispiel vor kurzem ein Milliarden-Angebot von saudischen Investoren vorgestellt, welches zwei neue Turnierformate auf FIFA-Ebene finanzieren soll, bei denen gleichzeitig die Übertragungsrechte exklusiv bei den Saudis liegen soll. Die FIFA um Gianni Infantino steht ein bisschen zwischen Stühlen: Sie muss eigentlich ihre Lizenznehmer schützen und als mächtiger Weltverband ein Zeichen gegen solche Piraterie setzen. Andererseits sind da natürlich auch wirtschaftliche Interessen dabei - die FIFA will sich natürlich möglichst gut zu stellen mit den Machthabern aus Saudi-Arabien und Katar. Viele arabische Unternehmen investieren nämlich seit kurzer Zeit massiv in Übertragungsrechte von Sport-Großveranstaltungen, so zum Beispiel auch bei der Handball-WM oder Olympia. Sie wollen durch die Übertragung dieser Sportevents ihren Machteinfluss vergrößern - davor warnen jedenfalls Kritiker.
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