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Sicherheitsrisiko
Wie Europa mit der wachsenden Bedrohung durch illegale Waffen umgeht

In der EU nimmt die Zahl der illegalen Schusswaffen seit Jahren zu. Oft werden sie aus Ländern des Westbalkans oder im Darknet verkauft - möglicherweise bald aus der Ukraine in die EU geschmuggelt. Eine Gefahr: Denn durch das wachsende Angebot sinkt auch die Hemmschwelle die Waffen zu nutzen.

Von Benjamin Dierks |
Diverse beschlagnahmte Waffen in einer Vitrine des Zolls Berlin
Diverse beschlagnahmte Waffen in einer Vitrine des Zolls Berlin (picture alliance / dpa Themendienst | Robert Guenther)
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat einen neuen Einsatzort ausgemacht: die Grenze zwischen der Ukraine und Moldau. Die Sorge der Beamten: Während es bislang vor allem darum geht, wie viele Waffen an die Ukraine geliefert werden, um sie im Abwehrkampf gegen Aggressor Russland zu unterstützen, dürften viele Waffen bald den umgekehrten Weg nehmen.

Sorge vor Waffenschmuggel

Und Frontex befürchtet, dass Kriminelle vor allem versuchen werden, über die Grenze zu Moldau Waffen in die Europäische Union zu schmuggeln. Das berichtete die Grenzschutzagentur den versammelten Innenministerinnen und Innenministern der EU in der vergangenen Woche bei einem informellen Treffen in Prag.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson ist alarmiert: „Wir haben erste Hinweise darauf und wir wissen auch aus Erfahrung, dass Feuerwaffen während eines Krieges oder danach außer Landes geschmuggelt werden. Und wir wissen ja, wie viele Waffen in der Ukraine sind und dass sich nicht alle von ihnen immer in den besten Händen befinden. Deshalb müssen wir darauf vorbereitet sein, uns davor zu schützen.“
Erste Schmuggelversuche seien bereits festgestellt worden, berichtet Frontex. Was dem noch zu folgen droht, dürfte das Problem mit illegalen Waffen in der EU erheblich verschärfen. Und es kommt zu einer Zeit, in der Europa noch immer mit den Folgen eines Krieges zu kämpfen hat, der bereits über 20 Jahre zurückliegt. 

Eine Lebensader der organisierten Kriminalität

„Wir haben die Erfahrungen mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien. Wir haben immer noch Probleme mit Schusswaffen, die von dort an organisierte kriminelle Banden geliefert werden. Die heizen hier die Gewalt in der organisierten Kriminalität an. Deswegen müssen wir jetzt vorbereitet sein und nicht nur in der EU gut zusammenarbeiten, sondern auch mit Moldau und der Ukraine", sagt EU-Innenkommissarin Johansson.
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson (picture alliance/dpa/CTK | Vit Simanek)
Was beim russischen Krieg gegen die Ukraine erschwerend hinzu kommt: In der Ukraine kommen modernere und auch mehr Waffen zum Einsatz als auf dem Westbalkan zum Ende der 1990er-Jahre. Der illegale Handel mit ihnen werde für die nächsten Jahrzehnte Thema bleiben, warnt Frontex. Dieses Bedrohungsszenario trifft Europa zu einer Zeit, in der sich das Problem mit illegalen Waffen nach Ansicht von Experten ohnehin verschärft.
Nils Duquet leitet das Flämische Friedensinstitut in Brüssel. Er erforscht seit Jahren, welche und wie viele Waffen in Europa erhältlich sind: „Von dem, was uns die nationalen Behörden berichten, scheint es ein größeres Angebot auf dem illegalen Waffenmarkt zu geben.“
Schusswaffen sind eine Lebensader der organisierten Kriminalität - in Europa, wie auch anderswo auf der Welt. Sie ermöglichen Verbrechen, weil sie Kriminellen in vielerlei Hinsicht dienen, vom Druckmittel bis hin zur Mordwaffe. Und der Handel mit ihnen steht oft in Verbindung mit anderen Formen der Kriminalität, mit Drogengeschäften oder Menschenhandel etwa.
„Es ist sehr schwierig zu schätzen, wie groß der Umfang von Besitz und Schmuggel von illegalen Schusswaffen in Europa ist. Die Daten, die die Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedsstaaten sammeln, sind einfach nicht präzise genug, um solche Schätzungen vorzunehmen.“

Schätzung: 35 Millionen illegale Schusswaffen in der EU

Das Small Arms Survey, ein unabhängiges Forschungsprojekt in Genf, hat es versucht. 2017 schätzte es, dass in der EU 35 Millionen illegale Schusswaffen in Privatbesitz sind. Damit liegt die Zahl höher als die der legal besessenen Schusswaffen. Es gibt auch Schätzungen, die weit darüber hinaus gehen. Die Waffen, die von Sicherheitsbehörden beschlagnahmt wurden, legen nahe, dass in Europa vor allem Pistolen, Gewehre oder Schrotflinten illegal im Verkehr sind. In Umlauf kommen sie besonders durch grenzübergreifenden Schmuggel - vor allem aus den ehemaligen Kriegsgebieten im Westbalkan.
“Die meisten illegalen Schusswaffen, die in Europa gefunden wurden, kamen aus südosteuropäischen Staaten", sagt Simonetta Grassi, Leiterin des weltweiten Schusswaffenprogramms beim Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, kurz UNODOC. „Und sie zirkulieren auch innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten. Es werden aber auch viele Waffen in Drittstaaten beschlagnahmt, die ursprünglich in Europa hergestellt wurden. Diese Waffen wurden wahrscheinlich irgendwann legal exportiert, wurden dann aber abgezweigt und landeten in den Händen von Kriminellen.”
Ein Polizeibeamter hält eine beschlangnahmte Maschinenpistole vom Typ Uzi in den Händen
Ein Polizeibeamter hält eine beschlangnahmte Maschinenpistole vom Typ Uzi in den Händen (picture alliance / dpa | Federico Gambarini)
Europa ist also Ursprung vieler Waffen, aber auch Ziel- und Transitregion. Wo die Waffen landen können, zeigt sich derzeit in Bayern: Ein Netzwerk aus mutmaßlichen Rechtsextremisten soll Waffen vom Westbalkan nach Deutschland geschmuggelt haben. In München stehen derzeit drei Beschuldigte vor Gericht. Die Generalstaatsanwaltschaft zählt insgesamt 14 Fälle, in denen 24 Pistolen, zwei Sturmgewehre, zwei Pumpguns, eine Uzi-Maschinenpistole, ein Gewehr und eine Handgranate an Abnehmer aus der extrem rechten Szene verkauft worden sein sollen.
Nils Duquet vom Flämischen Friedensinstitut erklärt, warum der Westbalkan auch gut 20 Jahre nach dem Ende der Kriege im früheren Jugoslawien noch wichtigste Quelle für illegale Waffenlieferungen nach Europa ist: „Schon während des Krieges gerieten die Waffen in die falschen Hände. Die Leute behielten sie dann zunächst, um sich zu schützen. Aber nach einigen Jahren fühlen sie sich sicherer. Vielleicht haben einige auch Geldprobleme bekommen. Und dann verkaufen sie die Waffen. Wir wissen, dass die Waffen in relativ kleinen Zahlen geschmuggelt werden. Aber Schusswaffen sind sehr haltbare Produkte. Sie können Jahrzehnte lang benutzt werden.“

Zahl verfügbarer Waffen steigt an

Hinzu kommt der stete Zufluss weiterer Waffen. Insgesamt wächst somit die Zahl der verfügbaren Waffen. Auf Initiative von Frankreich und Deutschland einigten sich die Staaten vom westlichen Balkan schon 2018 auf die “Roadmap 2024”. Sie sieht vor, dass die ehemaligen Kriegsgegner zusammenarbeiten, um die einst im Krieg genutzten Waffen aufzuspüren und zu vernichten. Eine UN-Mission überwacht in Belgrad seither die Umsetzung der Roadmap.
Doch noch immer weist der Westbalkan eine der höchsten Waffendichten der Welt auf. Das ist nicht nur eine Bedrohung für die Sicherheit der Menschen dort, sondern auch für die EU. Auch bei den Attentaten von Paris 2015 verwendeten die Terroristen Kalaschnikow-Sturmgewehre aus dem ehemaligen Jugoslawien. Vier Staaten des Westbalkans sind mittlerweile EU-Beitrittskandidaten. Gerade in Zeiten der Annäherung sollte mehr Gewicht auf die Frage illegaler Waffen gelegt werden, sagt Konstantin Kuhle, der innenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle (picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)
„Bei möglichen Beitrittsverhandlungen, bei möglichen Vorbeitrittshilfen mit den Staaten des westlichen Balkans, also zur Europäischen Union, muss das eine viel stärkere Rolle spielen. Also was kann man tun, um gegen illegalen Waffenbesitz und den Waffenschmuggel nach Deutschland und in die Europäische Union vorzugehen?“

Illegale Waffenquelle dürfte nicht versiegen

Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass in Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Albanien insgesamt sechs Millionen Waffen im Umlauf sind. Die illegale Waffenquelle für die EU dürfte also auf längere Zeit hin nicht versiegen. Das allein erklärt aber nicht die wachsende Zahl illegaler Waffen in Europa, von der Behörden und Experten ausgehen. Im Jahr 2021 etwa wurden sowohl vom deutschen als auch vom französischen Zoll deutlich mehr Waffen und Munition sichergestellt als noch in den vorherigen Jahren. Mehr Waffen sind ein Problem.
Denn eine Schusswaffe zu besitzen, senke auch die Hemmschwelle, sie einzusetzen, berichtete Marieke Liem von der niederländischen Universität Leiden in einer Online-Videokonferenz, in der sie ihre Forschungsergebnisse über den Einfluss von Waffenbesitz auf Gewaltverbrechen in der Gesellschaft vorstellte. „Studierende von mir sagen oft, wenn es keine Schusswaffen gibt, werden Menschen andere Wege finden, um sich wehzutun. Schusswaffen senken auch die Hemmschwelle, Gewalttaten zu begehen. Das trifft vor allem auf kriminelle Auseinandersetzungen zu, aber auch auf Konflikte im privaten Umfeld, die tödlich enden, einfach weil die Feuerwaffe da ist.“
Eine Internetseite für Schusswaffen eines Shops im Darknet bei einer Pressekonferenz im Landeskriminalamt Brandenburg
Eine Internetseite für Schusswaffen eines Shops im Darknet bei einer Pressekonferenz im Landeskriminalamt Brandenburg (picture alliance / Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa | Patrick Pleul)
Der noch immer anhaltende Schmuggel von Feuerwaffen aus dem ehemaligen Jugoslawien ist aber nicht der einzige Grund für die befürchtete Zunahme illegal gehandelter Waffen in Europa. Längst haben sich neue Bezugsquellen aufgetan. Beispiel Hessen, 5. April 2022, Großraum Kassel. Zollfahnder aus Frankfurt am Main fanden bei Durchsuchungen insgesamt 16 Schusswaffen.
„Darunter waren Pistolen, halbautomatische Schusswaffen, die Kolleginnen und Kollegen haben Repetierflinten sichergestellt und Maschinenpistolen", sagt Carina Orth vom Zollfahndungsamt Frankfurt am Main. Außerdem stießen ihre Kollegen auf Waffenteile, Munition und Spezialwerkzeuge.
16 beschlagnahmte Waffen scheinen zunächst nicht viel zu sein. Aber kleinere Funde an der Grenze oder bei Schmugglern sind typisch für den Kampf gegen den illegalen Handel mit Waffen. Denn die würden in der Regel in kleinen Mengen bewegt, beschreibt die EU-Grenzschutzbehörde Frontex in ihrer jährlichen Risikoanalyse von 2021.

Der sogenannte Ameisenhandel

„Die in Europa vorherrschende Form des Schusswaffenschmuggels ist der sogenannte Ameisenhandel, grenzübergreifender Schmuggel von Schusswaffen und Munition in relativ kleiner Menge. Dafür werden meistens Pkw benutzt. Ausgeführt wird der Schmuggel von Gruppen aus der organisierten Kriminalität oder von Einzelpersonen. Oft kommen die Waffen aus Ländern, in denen es bewaffnete Konflikte gegeben hat. In den vergangenen Jahren wurden zunehmend weitere Trends beobachtet. Dazu gehört der Schmuggel von unscharfen Waffen, die aber leicht wieder umzuwandeln sind, oder der Online-Erwerb von Waffenteilen, die per Post geliefert werden.“
Die zwei Männer aus dem Raum Kassel erfüllten viele dieser von Frontex aufgeführten Merkmale. Besonders die zuletzt genannten Trends trügen einen bedeutenden Teil dazu bei, dass das Angebot auf dem illegalen Waffenmarkt in Europa immer größer wird, sagt Nils Duquet vom Flämischen Friedensinstitut. „Wir wissen, dass es in vielen Ländern bis vor ein paar Jahren möglich war, deaktivierte Feuerwaffen zu kaufen, die nicht vollständig unbrauchbar gemacht worden waren. In der Slowakei etwa wurde das einfach nicht gut gemacht. Wer also an einer Waffe interessiert war, konnte legal eine deaktivierte Waffe kaufen, dann illegal ins eigene Land einführen und zur scharfen Waffe umbauen. So sind zum Beispiel eine ganze Reihe automatischer Waffen auf dem illegalen Waffenmarkt gelandet.“
Die Polizei Zwickau präsentiert Ende 2021 einen Fund an Schnellfeuerwaffen und und Waffenteile, die sie in den vergangenen Tagen bei Razzien sichergestellt haben
Die Polizei Zwickau präsentiert Ende 2021 einen Fund an Schnellfeuerwaffen und und Waffenteile, die sie in den vergangenen Tagen bei Razzien sichergestellt haben (picture alliance/dpa/TNN | Mike Müller)
Solche deaktivierten Waffen sind zum Beispiel sogenannte Dekowaffen. Dabei kann es sich um unbrauchbar gemachte Originalwaffen handeln. Für die europäische Polizeibehörde Europol seien die unterschiedlichen Gesetze innerhalb der EU und in Lieferstaaten eines der wesentlichen Probleme bei der Bekämpfung von Waffenkriminalität, sagt Martin van der Meij, Teamleiter des Europol-Analyseprojekts Waffen und Sprengstoffe.
„Einst legal angebotene Waffen umzulenken, ist eine wesentliche Quelle von illegalen Waffen in der EU. Das Problem liegt dazwischen, in der Grauzone. Der Verkauf startet einmal legal, aber am Ende ist die Waffe illegal. Anders als zum Beispiel Drogen werden Feuerwaffen ja meistens legal hergestellt. Und es gibt einen legalen Markt dafür. Und irgendwann können sie umgelenkt werden, von rechtmäßigem zu unrechtmäßigem Besitz. Und dieser Wandel passiert häufig im internationalen Transfer", so von der Meij bei der Präsentation eines Forschungsprojekts des Flämischen Friedensinstituts.

Der Mord an Peter de Vries

Im Januar 2022 gelang Europol in Abstimmung mit 24 EU-Staaten ein Schlag gegen eine Waffengattung, die den Strafermittlungsbehörden seit einiger Zeit Sorgen bereitet: umgebaute Gas- und Schreckschusspistolen. Unter Leitung der rumänischen Polizei durchsuchten Beamte 260 Immobilien und stellten über 1.500 Waffen sicher. Noch einmal Nils Duquet vom Flämischen Friedensinstitut: „Diese einfach umzubauenden Schreckschusspistolen sind eine dritte wesentliche Quelle für mehr Waffenschmuggel in die und in der EU. Besonders türkische Fabrikate sind so stark, dass sie auch dem Druck standhalten, wenn scharfe Munition abgefeuert wird. Wir haben gesehen, dass gerade jüngere Kriminelle sie nutzen, um an scharfe Waffen zu kommen, weil sie relativ billig und vielerorts frei verkäuflich sind.“
Mit solch einer umgebauten Waffe soll im Juli 2021 der niederländische Kriminalreporter Peter de Vries in Amsterdam erschossen worden sein. Die Türkei hat ihre Gesetze bereits angepasst. „Kriminelle Banden nutzen die Vielfalt der Gesetze in der EU aus. Und der freie Warenverkehr in der EU macht den Transport von Waffen nach dem Kauf ziemlich einfach. Durch den freien Verkauf von Gas- und Schreckschusspistolen und ihre Konstruktionsweise bieten sie sich an, um in scharfe Waffen umgewandelt zu werden", sagt Richard Mertens, Waffenexperte der niederländischen Polizei, der sich ebenfalls an einem Forschungsvorhaben des Flämischen Friedensinstituts beteiligt hat.
Um Unterschiede in den Waffengesetzen ausfindig zu machen, muss man aus Deutschland nicht weit schauen. In Österreich kann jeder 18-jährige EU-Bürger mit dortigem Wohnsitz eine Waffe der sogenannten Kategorie C kaufen. Das sind vor allem Büchsen und Flinten. Dort ist es auch möglich, Waffenteile zu erwerben. Der 18-jährige Attentäter, der im Januar 2022 in einem Hörsaal in Heidelberg um sich feuerte und eine Studentin erschoss, hatte die Tatwaffe in Österreich gekauft. FDP-Politiker Konstantin Kuhle fordert, die Gesetze in der EU anzupassen.
„Ganz wichtig ist, dass wir eine Harmonisierung bekommen in der Europäischen Union mit Blick auf den Zugang zu Waffen. Wir haben ja bei der Diskussion über illegale legale Waffen immer wieder das Argument, dass im Grunde jede illegale Waffe irgendwann auch mal eine legale Waffe war. Ich glaube, da ist auch was dran. Und wir sehen an Taten, die es jüngst auch in Deutschland gegeben hat, Stichwort Heidelberg, dass jemand, der eine Schusswaffe im Ausland legal erwirbt und die dann in Deutschland illegal besitzt und zum Einsatz bringt, dass das natürlich Sicherheitsprobleme mit sich bringt.“

Der Waffenhandel im Darknet

Erschwert wird die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden dadurch, dass viele Verkäufe im sogenannten Darknet angebahnt werden, also auf Online-Marktplätzen, die durch besonders sichere Server stark anonymisiert sind. Die Zollfahnder in Frankfurt am Main gehen den Verkäufen in diesem verborgenen Teil des Internets seit Jahren mit einer eigenen Ermittlungskommission nach. Im vergangenen Jahr konnten sie so ein gutes Dutzend Waffen sicherstellen.
„Im Darknet ist es so, dass da ein spezieller Sprech herrscht. Da erfordert es viel Einarbeitung und Expertise durch die Kollegen, dass sie dort als Ermittlungsbehörde, die im Auftrag der Staatsanwaltschaft im Darknet ermittelt, nicht auffliegt", sagt Carina Orth vom Zollfahndungsamt Frankfurt. Die Ermittler in Hessen hatten vor allem von sich Reden gemacht, als sie kurz nach dem Amoklauf in einem Einkaufszentrum in München 2016 im Darknet durch ein Scheingeschäft in Marburg den Waffenhändler stellten, der die Tatwaffe verkauft hatte.
Aber so gut läuft die Ermittlungsarbeit nicht immer. Unterschiedliche Gesetze, offene Grenzen, abgeschottete Online-Marktplätze und findige Händler: das ist eine Mischung, die den Kampf gegen illegale Waffen in Europa erschwert. Hinzu kommt eine Technik, die bedrohliches Potenzial hat: Waffen aus dem 3D-Drucker. Bislang ist in Deutschland nur ein Fall bekannt, in dem eine solche Waffe zum tödlichen Einsatz kam. Der Attentäter, der im Oktober 2019 die Synagoge von Halle angriff und zwei Menschen ermordete, benutzte zusammengebaute Waffen mit Bauplänen aus dem Internet. Doch auch Richard Mertens von der niederländischen Polizei berichtet, dass dort immer mehr selbst gedruckte Waffenteile beschlagnahmt würden. Das habe ihn gegenüber einem Vorgesetzten kürzlich zu einer düsteren Prognose verleitet, berichtet Mertens.
„Terrorristen werden in zwei Jahren keine Feuerwaffen mehr kaufen, sondern 3D-Drucker.“ Erste Anzeichen dafür gibt es bereits: Im April spürte die spanische Polizei eine illegale Werkstatt mit zwei 3D-Druckern auf. Darin fanden sie 3D-gedruckte Waffen, Waffenteile, ein nachgebautes Sturmgewehr und mehrere Handbücher über den städtischen Guerillakrieg sowie rassistische Propaganda. Einen Monat später nahmen Beamte im britischen Keighley zwei Männer und eine Frau bei einem Einsatz gegen Rechtsterroristen fest. Alle drei wurden angeklagt, weil sie Teile für 3D-Waffen besaßen. Europa hat offenbar eine weitere, wachsende Quelle für illegale Waffen.