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Ilowajsk
Ukrainischer Präsident in der Kritik

In Ilowajsk befinden sich etwa 7.000 ukrainische Soldaten eingekesselt von Separatisten. Dort könnte sich die erste große Niederlage für die ukrainischen Streitkräfte ereignen, seit Petro Poroschenko Präsident ist. "Unsere Generäle sind einfach unfähig", beschweren sich Demonstranten am Mittwochabend vorm Präsidentenpalast in Kiew.

Von Florian Kellermann |
    Ein ukrainischer Soldat in Lemberg
    Ein ukrainischer Soldat in Lemberg (Ivan Boberskyy, dpa)
    Gestern Abend vor dem Präsidentenpalast in Kiew: Manches erinnert an den November des vergangenen Jahres. Auch damals kamen ein paar hundert Menschen, spontan über das Internet verabredet, hierher in die Bankowa-Straße. Damals demonstrierten sie gegen den Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, daraus wurde eine Millionenbewegung. Nun wollen die Menschen seinen Nachfolger sehen, "Poroschenko, komm raus", rufen sie.
    Eingekesselte ukrainische Einheiten in Ilowajsk
    Ein Teil der ukrainischen Armee ist im Osten in eine beinahe hoffnungslose Lage geraten, auch eine 55-Jährige Frau, die sich als Halina vorstellt, will eine Erklärung.
    "Mein Sohn hat gerade angerufen, er ist verletzt. Das heißt, ein Kamerad hat angerufen, mein Sohn hat ihm wohl das Telefon gegeben. Ich weiß auch nicht genau, was los ist. Der Kamerad sagt, er sei verletzt, aber er lebt, aber vielleicht will er mich auch nur beruhigen. Sie sitzen mitten in Ilowajsk in einer Schule und werden mit Raketen beschossen. Sie haben nur Maschinengewehre, um sich zu verteidigen. Keiner hilft ihnen."
    "Sofort, sofort" skandieren die Menschen vor dem Präsidentenpalast. Sie verlangen, dass die in Ilowajsk eingekesselten Einheiten sofort Verstärkung bekommen. Seit Tagen verspricht die Armeeführung das, aber passiert ist bisher nichts. Nicht einmal die Verletzten werden abtransportiert.
    Ilowajsk könnte die erste große Niederlage für die ukrainischen Streitkräfte werden, seit Petro Poroschenko Präsident ist. Vor allem Bataillone des Innenministeriums sitzen dort fest - also Einheiten, in denen Freiwillige dienen, so auch der Sohn von Halina.
    "Er ist eigentlich wehruntauglich, er hatte eine Operation am Herzen. Er hat den ganzen Winter auf dem Unabhängigkeitsplatz gestanden und gegen Ex-Präsident Janukowitsch demonstriert. Dann hat er sich bei der Nationalgarde gemeldet. Wer soll das Land verteidigen, wenn nicht wir selbst, hat er gesagt. Er ist eben ein Patriot."
    Forderung nach Austausch der Armeeführung
    Etwa 7.000 ukrainische Soldaten befinden sich im Kessel von Ilowajsk. Die Separatisten drohten ihnen schon vorgestern: Wer sich nicht ergibt, werde sterben. Sie wollen die Stadt unbedingt zurückerobern, von ihr aus lässt sich die östliche Ausfallstraße von Donezk kontrollieren.
    Auch der Kommandeur des Freiwilligenbataillons Donbas Semen Sementschenko erhebt schwere Vorwürfe gegen die Armeeführung. "Wir sind betrogen worden", schreibt er bitter auf seiner Seite im Internet.
    Die Demonstranten vor dem Präsidentenpalast sind sich einig: Die Armeeführung müsse ausgetauscht, der Verteidigungs- und der Innenminister entlassen werden. Valentin Owlijenko hat zwei Freunde, die gerade in Ilowajsk festsitzen.
    "Unsere Generäle sind einfach unfähig, das sind keine Generäle, sondern fette Bonzen. Manchmal scheint es mir, die Staatsführung zieht den Krieg sogar absichtlich in die Länge. Denn so lange Krieg herrscht, müssen die Politiker keine Reformen auf den Weg bringen. Auch eine Lustration wird so lange nicht geben - also die Überprüfung, wer alles vom alten System unter Präsident Janukowitsch profitiert hat. Alles, was für die Nation wichtig ist, bleibt auf der Strecke."
    Diverse Verschwörungstheorien
    Auch Verschwörungstheorien kursieren unter den Demonstranten. Manche mutmaßen, dass sich hochrangige Mitarbeiter des Geheimdienstes und des Militärs an dem Krieg bereichern, indem sie den Separatisten Informationen zustecken.
    Einer, der zum Megafon greift, will Präsident Poroschenko zum Rücktritt auffordern. "Oder ist das noch zu früh", fragt er und schaut sich um. "Ja", sagen die Umstehenden. Die meisten hier haben das Staatsoberhaupt gewählt und wollen ihm ihr Vertrauen nicht entziehen - zumindest noch nicht.