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Ilse Aigner: Facebook-Chef hat "ein anderes Verhältnis zum Datenschutz"

Mit einem Offenen Brief an den Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner gegen ein Aufweichen des Datenschutzes in dem sozialen Netzwerk protestiert.

Ilse Aigner im Gespräch mit Georg Ehring | 07.04.2010
    Georg Ehring: Das Internet verbindet. Im Netzwerk Facebook haben sich zum Beispiel 400 Millionen Menschen registrieren lassen. Doch die Betreiberfirma nimmt es mit dem Datenschutz nicht sonderlich genau. Zu diesem Ergebnis ist jüngst die Stiftung Warentest gekommen. Sie hat auch andere Netzwerke unter diesem Gesichtspunkt kritisiert, vor allem solche aus den USA kommen dabei nicht gut weg. Ilse Aigner, die Bundesministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz, forderte Verbesserungen im Datenschutz. Unter anderem das Netzwerk Facebook zeigte sich dabei aber wenig kooperativ. - Kurz vor dieser Sendung habe ich darüber mit Ilse Aigner gesprochen und ich habe sie zunächst gefragt, ob sie jetzt ihre Drohung wahr machen und ihr Facebook-Profil kündigen wird.

    Ilse Aigner: Erst einmal warte ich auf Antwort von Facebook, sie scheint wohl auch demnächst anzukommen, und davon werde ich auch meine Entscheidung abhängig machen, weil letztendlich das, was geplant ist in der Umsetzung oder in den Datenschutzrichtlinien, das kann ich dann nicht mehr akzeptieren, was ich sehr bedauere.

    Ehring: Facebook will jetzt Informationen, die Nutzer der Website preisgeben, auch an Partnerfirmen weiterleiten. Das wäre ja eher eine weitere Lockerung des Datenschutzes und keine Verschärfung, wie Sie das fordern.

    Aigner: Eben! Genau das ist das Problem. Sie wurden gerade jetzt angemahnt, ja auch von der Stiftung Warentest, zurecht angemahnt, und jetzt gehen sie noch in die andere Richtung: eine weitere Lockerung. Es geht hier um die Weitergabe von persönlichen Daten wie Namen, Profilbilder, Geschlecht, Alter, Nutzerkennung und so weiter, aber nicht nur meiner Daten, sondern selbst die meiner Freunde, die ich als Freunde akzeptiert habe, und das halte ich für nicht tragbar.

    Ehring: Ist es denn möglich, dagegen vorzugehen? Wer sich bei einem US-Netzwerk registriert, wird ja nach US-Recht behandelt. Ist das in Deutschland akzeptabel?

    Aigner: Nein. Es zieht hier auch das deutsche Telemediengesetz, nämlich der Paragraf 12, und der kann auch in Deutschland durchgesetzt werden, wenn man sich gezielt an diese Nutzer wendet. Die Rechtsdurchsetzung ist möglich über zum Beispiel Anbieter und Konkurrenten, oder Konkurrenten, die selbst Wettbewerbsverzerrungen dadurch erleiden, aber auch durch die Verbraucherverbände kann abgemahnt werden, was schon mal erfolgreich geschehen ist.

    Ehring: Und Sie meinen, dadurch kann Facebook und können andere Netzwerke dazu gezwungen werden, ihre Nutzungsbedingungen auch tatsächlich zu ändern?

    Aigner: Es war schon mal sozusagen der Fall und ich gehe davon aus, dass das auch noch kommen wird, weil diese neuen Änderungen, die sie jetzt planen, weit über das hinausgehen, was das deutsche Telemediengesetz überhaupt zulässt. Hier ist nämlich eindeutig geregelt, dass vor Preisgabe der Daten eigentlich der Nutzer eingewilligt haben muss.

    Ehring: In jedem einzelnen Fall oder gibt es da eine generelle Einwilligung?

    Aigner: Es ist in jedem einzelnen Fall, außer es gibt eine Rechtsvorschrift, die dieses ausdrücklich positiv regelt, aber die ist meines Erachtens hier nicht ziehend, sondern es ist jeder einzelne Nutzer gefragt.

    Aber noch mal, das Problem ist bei diesem konkreten Fall von Facebook: Selbst wenn ich mich dafür entscheide, hier nicht mitzumachen, meine Daten nicht preiszugeben, dann kann ich trotzdem mit reingezogen werden durch Freunde, die sozusagen mit mir verlinkt sind.

    Ehring: Ist denn im Umgang mit solchen Netzwerken auch eine Änderung von Gesetzen erforderlich oder reichen die Ihrer Meinung nach aus?

    Aigner: Das Telemediengesetz regelt dieses hier eindeutig. Es muss durchgesetzt werden, aber es muss auch immer wieder beobachtet werden, wie sich hier die Regeln letztendlich der Betreiber ändern. Ich kann generell - ich nutze ja selbst auch diese Netzwerke - nur dazu raten, einfach mit seinen Daten vorsichtig umzugehen, nicht zu Privates einfach reinzustellen. Es ist dann einfach auf der öffentlichen Plattform weltweit.

    Ehring: Sie verweisen jetzt aber auf die Verbraucherverbände, auf Konkurrenten. Ist der Gesetzgeber da aus dem Schneider oder, wenn man es negativ formuliert, kann der Gesetzgeber da gar nichts mehr machen?

    Aigner: Es ist im Gesetz geregelt. Deshalb muss derjenige, der negativ betroffen ist, wie zum Beispiel Konkurrenten, die dadurch Wettbewerbsnachteile haben könnten, dagegen vorgehen, oder die Verbraucherverbände, die wir ja auch unterstützen von Bundesseite her.

    Ehring: Was ist aus Ihrer Sicht der besonders kritische Punkt? Was kann man den Netzwerken auf keinen Fall durchgehen lassen?

    Aigner: Einfach die Weitergabe der Daten von Personen und die dann einfach an Nutzer, die man nicht erkennen kann. Sie führen hier einige Beispiele an, aber es ist noch nicht ganz klar, wohin das dann letztendlich geht, und die werden dann zu Persönlichkeitsprofilen verarbeitet, für Werbezwecke genutzt, und das ist einfach das, was ich nicht für akzeptabel halte.

    Ehring: Braucht man da europäische oder unter Umständen auch weltweite Regeln? Muss man da in internationalen Verhandlungen auf eine Änderung des Umgangs mit dem Datenschutz bei solchen Netzwerken hinwirken?

    Aigner: Ich meine auch, dass das weiter ein Thema sein wird. Es ist nur nicht ganz einfach, dieses zu regeln. Ich glaube, es sind auch unterschiedliche Philosophien offensichtlich, und wenn ich mir die Aussagen von Herrn Zuckerberg durchlese, hat der einfach ein anderes Verhältnis auch zum Datenschutz. Das scheint mir eigentlich ein Grundproblem zu sein.

    Ehring: Herr Zuckerberg hat sinngemäß gesagt, das Zeitalter des Datenschutzes ist vorbei. Aber da müsste dann doch eigentlich das Recht vor sein, wenn er als Privatperson dieser Ansicht ist?

    Aigner: Er nutzt das natürlich für seine Zwecke, sozusagen um sein Geschäftsmodell auch aufzubauen. Ich kann nur immer wieder wie gesagt an die Nutzer appellieren oder sie warnen sozusagen. Jeder kann sich ins Schaufenster stellen, das ist ja jedem selbst benommen, es ist ja auch freiwillig, hier teilzunehmen. Aber man muss sich dessen auch bewusst sein, und deshalb muss auch klar geregelt sein, wer bekommt meine Daten, und dieses ist hier noch nicht so ganz klar herausgekommen. Mit den Änderungen, die hier vorgeschlagen sind, ist es schon sehr deutlich, dass alles weitergegeben wird.

    Ehring: Hat es denn bei den Netzwerken jetzt im Zuge der Diskussion Verbesserungen gegeben, oder ist alles beim Alten und wird noch schlimmer?

    Aigner: Hier ist die Entscheidung gefallen, noch nicht gefallen oder zumindest angedacht, in die falsche Richtung zu gehen, eben mit weniger Datenschutz. Es gibt aber andere Mitbieter, die auch bessere Vorkehrungen treffen, zumindest zurzeit. Man muss sich das einfach immer bei den einzelnen Betreibern anschauen, wie die Einstellungen sind, ob erst mal die Sicherheitseinstellungen hoch sind und ich sozusagen die Türen aufmachen muss, die Fenster und Türen aufmachen, oder ob erst mal alle Fenster und Türen offen sind und ich mühsam alle zumachen muss. Das ist dann die Entscheidung der einzelnen Nutzer selbst, wo sie sich dann sozusagen auch mit beteiligen.

    Ehring: Allen Bedenken zum Trotz sind soziale Netzwerke attraktiv. Sie nutzen sie ja auch. Welchen Rat geben Sie Verbrauchern, was soll man vorher prüfen, bevor man so etwas nutzt?

    Aigner: Erst mal muss man sagen, die Netzwerke sind natürlich attraktiv, sie eröffnen weltweite Kommunikationsmöglichkeiten. Die Vorsicht ist einfach angebracht und bei der Einstellung, wenn ich einsteige, muss ich überprüfen, wer hat Zugang zu meinen Daten. Das ist die Frage eben, ob alle Fenster offen sind, ob es weltweit für alle offen ist und ich die Fenster einzeln zumachen muss, oder ob erst mal in den Sicherheitseinstellungen es so geregelt ist, dass erst mal alle Türen und Fenster zu sind und ich aufmachen kann für bestimmte Nutzer, für Familie, für Freunde, für die Allgemeinheit. Dies muss ich selbst erkennen bei den Nutzereinstellungen.