Immer wieder schreibt Barbara Honigmann autobiografisch über verschiedene Kapitel ihres Lebens. Vor einigen Jahren hat sie sogar einem Roman den Titel "Ein Kapitel aus meinem Leben" gegeben. Doch bei "Bilder von A." liegen die Dinge ein wenig anders, denn schon mit dem Akronym A. beginnt ein mehr oder weniger gekonnt unternommener Versuch der Verschleierung. Barbara Honigmann erklärt, warum für sie die Liebesgeschichte zwischen der Ich-Erzählerin und einem Theaterregisseur einige Schwierigkeiten barg:
"Ich weiß nicht, ob das von mir irgendwie ein Wahn ist, aber das ist das erste Mal, dass ich mich beeinträchtigt fühle in meiner Freiheit darüber hinaus darüber zu sprechen, was da steht. Ich will mich nicht reinziehen lassen in so eine Art Schlüsselroman-Auflösung, weil es auch wirklich nicht interessant ist. Es gibt ja nichts geheim zu halten. Es passieren ja nicht so aufregende Geschichten, dass man sagt, wer kann denn der Mann gewesen sein? Ist auch unwichtig. Es ist ja offensichtlich, dass es aus einer Erfahrung kommt, dass da jemand ist, um den ich klage. Oder um die Beziehung, die ich klage und das bleibt natürlich einseitig."
Sie bezeichnet den ehemaligen Geliebten nur mit A., weil er, wie es an einer Stelle heißt, einen für einen Juden unaussprechlichen Vornamen trug – gemeint ist vermutlich der vor zehn Jahren verstorbene Theaterregisseur Adolf Dresen, mit dem Honigmann in den 70er-Jahren zusammen am Deutschen Theater in Ost-Berlin arbeitete.
"Wenn ich an A. denke, bin ich verletzt, beleidigt, fühle mich abgewiesen und ausgenutzt. Er ist mir fern, fremd, unverständlich, und ich liebe ihn. Wir sind, wie man so sagt, im Bösen auseinandergegangen. Unversöhnt. A. ist jetzt tot."
Fast gebetsmühlenartig wiederholt sich der Satz "A. ist jetzt tot" in dieser Totenklage, die detailgetreu das Private ausstellt und dabei doch recht stark verknappt. Wie auch ihre anderen Bücher bleibt auch dieses autobiografische Kapitel unter 200 Seiten.
Die Beziehung zu dem 15 Jahre älteren Mann beschreibt Honigmann als eine "Ich-weiß-nicht-was-Bindung". Liebe sei es gewesen. Oder vielleicht auch nicht. Freundschaft jedenfalls nicht. Oder man habe es nicht so nennen wollen. Im Grunde besteht das ganze Buch in dem Versuch einer nachträglichen Selbstvergewisserung. Barbara Honigmann erzählt klar und unverblümt von ihrer ehemaligen Liebesgeschichte, die sich in einem Milieu abspielte, in dem man, wenn nicht Künstler, dann zumindest Lebenskünstler sein wollte. Über das wilde, rauschhafte Sehnen und Schwanken in den Jahren ihres jungen Erwachsenenlebens, schreibt sie nun fast nüchtern und ein wenig augenzwinkernd.
Passagen der reflektierenden Autorstimme wechseln sich mit einzelnen, zum Teil in Anführungszeichen oder kursiv gesetzten Formulierungen, die die Ebene der ehemaligen Sprechhaltungen evozieren, ab. So entsteht die das Buch bestimmende Spannung. Sicher eine Technik, die Honigmann nicht erfunden hat, findet sie sich häufig in autobiografischen Texten. Doch Barbara Honigmann verbrämt und stilisiert nichts, sie ist einfach ihrem Alter Ego verdächtig ähnlich. Auch in ihrem Hang, ein wenig zu plaudern und scheinbar unwichtige Details aneinanderzureihen. Aber man nimmt ihr diesen Wahrhaftigkeitstick nicht übel, hat er doch einen eleganten, zuweilen humorvollen sprachlichen Ausdruck gefunden.
"Die Begegnung, das, was mich daran sehr gereizt hat, weswegen ich es auch schreiben wollte, war eben dieses große Durcheinander von diesem großen Kunstanspruch und Liebesanspruch, wo man nicht so genau weiß, wo die Grenze zwischen echt und Theater ist, falls es die überhaupt gibt. Und falls nicht das Theater das Echte und das Leben das Theater ist. Und es lag dann eben auch in der Begegnung, die dann so was Meister-Schülerinnenhaftes hatte. Es ist zu klassisch, um nicht sozusagen anfällig für Klischees zu sein."
Die Klischees hat Barbara Honigmann recht gut ausgespart. Höchstens, dass er sie in Anlehnung an Else-Lasker-Schüler Prinz Jussuf nennt, mag man vielleicht als klischeehaft empfinden, aber es war diese Zeit in der DDR: Else Lasker-Schüler, Thomas Brasch, Wolf Biermann. Briefe unter der Türe und Gespräche am Küchentisch bilden den Hintergrund für eine schmerzliche Künstlerbeziehung, in der die Frau pausenlos auf den Mann wartet. Er ist sehr unstet in seinen Liebesbezeugungen, immer wieder wendet er sich ihr zu, um sich bald wieder zu entziehen. Jeglicher Liebesalltag ist ihm ein Greuel. Liebe bedeutet für ihn Leiden, glaubt die Ich-Erzählerin.
"Ich glaube, wir wollten beide vermeiden, uns beim Frühstück gegenüberzusitzen und zu fragen, möchtest du Käse oder Marmelade? Nur kein Alltag, sondern nur Poesie! Nur Kleist!"
Zum ersten Mal treffen sich der Meister und seine junge Elevin, um gemeinsam ein Stück von Kleist zu inszenieren. Zwar kommt es schließlich nicht dazu, aber der Kern für ihre Beziehung ist gelegt. Es geht ihnen um die Kunst, um Literatur, um Malerei und vor allem ums Theater. Sie lesen einander vor und sprechen in literarischen Zitaten, die die Autorin durch Kursivdruck kenntlich macht, mal ist es ein Satz aus Schillers "Räubern", dann eine Zeile von Novalis, dann wieder ein Auszug aus einem Kleist-Brief:
"Meine Seele ist so wund, dass mir, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe tut, das mir darauf scheint."
In 22 Kapiteln, die Barbara Honigmann bewusst nicht "Roman" nennt, gibt sie dem Leser fiktiv-dokumentarische Briefe von A. zu lesen, oder Gedächtnisprotokolle von vergangenen Unterhaltungen. Überwiegend ist ihre Perspektive jedoch die einer gereiften Frau, die auf ihre einstige Liebesblödigkeit mit sanftem Blick zurückschaut. Dabei kommen ihre lebensklugen Bemerkungen immer betont beiläufig daher.
"Ein Problem, das A. nicht lösen konnte und das auch ich nicht lösen konnte, weil wir uns offensichtlich überhaupt nicht voneinander lösen konnten, weiß der Himmel, warum. So resignierten wir schließlich in der fatalen Erkenntnis, dass es ja auch für so viele andere Probleme im Leben keine Lösung gibt. Und räsonierten, es sei doch geradezu ein Lebensgesetz "an sich", dass alle Probleme, wie beim Kasperltheater immer wieder, nur mit anderen Köpfen, irgendwoher auftauchten, um sich über uns lustig zu machen."
Als sie von A. ungewollt schwanger wird, verschweigt sie ihre Bauchhöhlenschwangerschaft, begreift sie als Beweis, dass sich die Frucht dieser unausgegorenen Liebe nicht richtig einnisten konnte. Bald verlieren sich die Liebenden aus den Augen. Die Ich-Erzählerin beginnt nach ihren jüdischen Wurzeln zu suchen, schließlich heiratet sie einen Juden und zieht nach Frankreich. All dies tut A. nur ab. Für ihn sind diese Anfälle von Jüdisch-Sein nur fehl geleitete Wünsche.
"Das war nicht seine Welt, das konnte er nicht teilen. Er hat's irgendwie abgelehnt, aber vielleicht auch, weil's etwas war, was von ihm weg geführt hat. Das war ja auch eine vielschichtige Haltung, dass man dann in der Generation nach dem Krieg so hilflos war, dass man gesagt hat: Juden, Deutsche, davon wollen wir jetzt nicht mehr reden. Und wir sind ja alle Menschen und wenn dann Klassen, als Marxist ja sowieso. Und in dem Zusammenhang ist es eben interessant, weil die Begegnung zwischen einer Jüdin und einem Deutschen immer problematisch bleibt. Und je mehr man zusammengehören möchte, um so schwieriger wird es dann."
Seine ablehnende Haltung gegenüber dem Judentum, die in einen verkappten Antisemitismus mündet, führt schließlich zum Zerwürfnis. Zwar halten beide den Kontakt durch Briefwechsel noch lange aufrecht, doch spüren sie den Riss in ihrer Beziehung und versuchen lange Zeit darüber hinweg zu sehen, aber das Unverständnis für die Lebensentscheidungen des Anderen wird größer. Aus der Klage über die verlorene Liebe wird zuweilen eine Anklage.
"Tatsächlich schrieb er immer häufiger und immer deutlicher, wie befremdlich ihm meine "Flucht aus der Realität" vorkäme, denn er sah ja das, was ich als meinen Aufbruch ins Innere des Judentums erlebte, als eine Art Krankheit an und berief sich dabei auf Freud, der die Religion als Neurose betrachtete. Ich solle stattdessen doch lieber nach Berlin zurückkehren, dort würde ich jetzt gebraucht. Er wünsche sich, ich gäbe all das andere, das ihm so fremd sei und sich in Gefilden abspiele, in die er mir nicht folgen könne, wieder auf. In der DDR, bemerkte er ein andermal, habe es zwar keine Alpen gegeben, aber man habe wenigstens nicht über Juden und Antisemitismus reden müssen. Das sei besser gewesen. Und ich hätte bloß einen Spleen."
Noch einmal gibt es schließlich eine Chance für eine gemeinsame Arbeit am alten Ort Berlin. Wieder geht es um ein Theaterprojekt über Kleist und fast scheint es, als könnte noch mal alles gut werden. Doch das Projekt wird abgesagt, wie beim ersten Mal, diesmal nicht wegen der Zensur in der DDR, sondern aus organisatorischen Gründen im Westen. Und dann erfährt die Ich-Erzählerin von A's Tod, eine Krankheit hat ihn sehr plötzlich weggerafft. Und sie bleibt mit ihrer amerikanischen Blech-Keks-Schachtel, in der sie alle Erinnerungen und Briefe an A. aufbewahrt hat, zurück. Nun bleibt ihr nicht mehr, als über das alles zu schreiben, über ihre inneren und über die tatsächlich gemalten Bilder. Das Buchcover des Romans: "Bilder von A." zeigt ein Ölgemälde mit dem Titel: "Der Radfahrer". Auf ein Regalbrett gemalt, hängt das Original noch heute in Barbara Honigmanns Straßburger Wohnung.
Buchinfos:
Barbara Honigmann: Bilder von A. Hanser, München 2011. 144 Seiten, Preis: 16,90 Euro
"Ich weiß nicht, ob das von mir irgendwie ein Wahn ist, aber das ist das erste Mal, dass ich mich beeinträchtigt fühle in meiner Freiheit darüber hinaus darüber zu sprechen, was da steht. Ich will mich nicht reinziehen lassen in so eine Art Schlüsselroman-Auflösung, weil es auch wirklich nicht interessant ist. Es gibt ja nichts geheim zu halten. Es passieren ja nicht so aufregende Geschichten, dass man sagt, wer kann denn der Mann gewesen sein? Ist auch unwichtig. Es ist ja offensichtlich, dass es aus einer Erfahrung kommt, dass da jemand ist, um den ich klage. Oder um die Beziehung, die ich klage und das bleibt natürlich einseitig."
Sie bezeichnet den ehemaligen Geliebten nur mit A., weil er, wie es an einer Stelle heißt, einen für einen Juden unaussprechlichen Vornamen trug – gemeint ist vermutlich der vor zehn Jahren verstorbene Theaterregisseur Adolf Dresen, mit dem Honigmann in den 70er-Jahren zusammen am Deutschen Theater in Ost-Berlin arbeitete.
"Wenn ich an A. denke, bin ich verletzt, beleidigt, fühle mich abgewiesen und ausgenutzt. Er ist mir fern, fremd, unverständlich, und ich liebe ihn. Wir sind, wie man so sagt, im Bösen auseinandergegangen. Unversöhnt. A. ist jetzt tot."
Fast gebetsmühlenartig wiederholt sich der Satz "A. ist jetzt tot" in dieser Totenklage, die detailgetreu das Private ausstellt und dabei doch recht stark verknappt. Wie auch ihre anderen Bücher bleibt auch dieses autobiografische Kapitel unter 200 Seiten.
Die Beziehung zu dem 15 Jahre älteren Mann beschreibt Honigmann als eine "Ich-weiß-nicht-was-Bindung". Liebe sei es gewesen. Oder vielleicht auch nicht. Freundschaft jedenfalls nicht. Oder man habe es nicht so nennen wollen. Im Grunde besteht das ganze Buch in dem Versuch einer nachträglichen Selbstvergewisserung. Barbara Honigmann erzählt klar und unverblümt von ihrer ehemaligen Liebesgeschichte, die sich in einem Milieu abspielte, in dem man, wenn nicht Künstler, dann zumindest Lebenskünstler sein wollte. Über das wilde, rauschhafte Sehnen und Schwanken in den Jahren ihres jungen Erwachsenenlebens, schreibt sie nun fast nüchtern und ein wenig augenzwinkernd.
Passagen der reflektierenden Autorstimme wechseln sich mit einzelnen, zum Teil in Anführungszeichen oder kursiv gesetzten Formulierungen, die die Ebene der ehemaligen Sprechhaltungen evozieren, ab. So entsteht die das Buch bestimmende Spannung. Sicher eine Technik, die Honigmann nicht erfunden hat, findet sie sich häufig in autobiografischen Texten. Doch Barbara Honigmann verbrämt und stilisiert nichts, sie ist einfach ihrem Alter Ego verdächtig ähnlich. Auch in ihrem Hang, ein wenig zu plaudern und scheinbar unwichtige Details aneinanderzureihen. Aber man nimmt ihr diesen Wahrhaftigkeitstick nicht übel, hat er doch einen eleganten, zuweilen humorvollen sprachlichen Ausdruck gefunden.
"Die Begegnung, das, was mich daran sehr gereizt hat, weswegen ich es auch schreiben wollte, war eben dieses große Durcheinander von diesem großen Kunstanspruch und Liebesanspruch, wo man nicht so genau weiß, wo die Grenze zwischen echt und Theater ist, falls es die überhaupt gibt. Und falls nicht das Theater das Echte und das Leben das Theater ist. Und es lag dann eben auch in der Begegnung, die dann so was Meister-Schülerinnenhaftes hatte. Es ist zu klassisch, um nicht sozusagen anfällig für Klischees zu sein."
Die Klischees hat Barbara Honigmann recht gut ausgespart. Höchstens, dass er sie in Anlehnung an Else-Lasker-Schüler Prinz Jussuf nennt, mag man vielleicht als klischeehaft empfinden, aber es war diese Zeit in der DDR: Else Lasker-Schüler, Thomas Brasch, Wolf Biermann. Briefe unter der Türe und Gespräche am Küchentisch bilden den Hintergrund für eine schmerzliche Künstlerbeziehung, in der die Frau pausenlos auf den Mann wartet. Er ist sehr unstet in seinen Liebesbezeugungen, immer wieder wendet er sich ihr zu, um sich bald wieder zu entziehen. Jeglicher Liebesalltag ist ihm ein Greuel. Liebe bedeutet für ihn Leiden, glaubt die Ich-Erzählerin.
"Ich glaube, wir wollten beide vermeiden, uns beim Frühstück gegenüberzusitzen und zu fragen, möchtest du Käse oder Marmelade? Nur kein Alltag, sondern nur Poesie! Nur Kleist!"
Zum ersten Mal treffen sich der Meister und seine junge Elevin, um gemeinsam ein Stück von Kleist zu inszenieren. Zwar kommt es schließlich nicht dazu, aber der Kern für ihre Beziehung ist gelegt. Es geht ihnen um die Kunst, um Literatur, um Malerei und vor allem ums Theater. Sie lesen einander vor und sprechen in literarischen Zitaten, die die Autorin durch Kursivdruck kenntlich macht, mal ist es ein Satz aus Schillers "Räubern", dann eine Zeile von Novalis, dann wieder ein Auszug aus einem Kleist-Brief:
"Meine Seele ist so wund, dass mir, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe tut, das mir darauf scheint."
In 22 Kapiteln, die Barbara Honigmann bewusst nicht "Roman" nennt, gibt sie dem Leser fiktiv-dokumentarische Briefe von A. zu lesen, oder Gedächtnisprotokolle von vergangenen Unterhaltungen. Überwiegend ist ihre Perspektive jedoch die einer gereiften Frau, die auf ihre einstige Liebesblödigkeit mit sanftem Blick zurückschaut. Dabei kommen ihre lebensklugen Bemerkungen immer betont beiläufig daher.
"Ein Problem, das A. nicht lösen konnte und das auch ich nicht lösen konnte, weil wir uns offensichtlich überhaupt nicht voneinander lösen konnten, weiß der Himmel, warum. So resignierten wir schließlich in der fatalen Erkenntnis, dass es ja auch für so viele andere Probleme im Leben keine Lösung gibt. Und räsonierten, es sei doch geradezu ein Lebensgesetz "an sich", dass alle Probleme, wie beim Kasperltheater immer wieder, nur mit anderen Köpfen, irgendwoher auftauchten, um sich über uns lustig zu machen."
Als sie von A. ungewollt schwanger wird, verschweigt sie ihre Bauchhöhlenschwangerschaft, begreift sie als Beweis, dass sich die Frucht dieser unausgegorenen Liebe nicht richtig einnisten konnte. Bald verlieren sich die Liebenden aus den Augen. Die Ich-Erzählerin beginnt nach ihren jüdischen Wurzeln zu suchen, schließlich heiratet sie einen Juden und zieht nach Frankreich. All dies tut A. nur ab. Für ihn sind diese Anfälle von Jüdisch-Sein nur fehl geleitete Wünsche.
"Das war nicht seine Welt, das konnte er nicht teilen. Er hat's irgendwie abgelehnt, aber vielleicht auch, weil's etwas war, was von ihm weg geführt hat. Das war ja auch eine vielschichtige Haltung, dass man dann in der Generation nach dem Krieg so hilflos war, dass man gesagt hat: Juden, Deutsche, davon wollen wir jetzt nicht mehr reden. Und wir sind ja alle Menschen und wenn dann Klassen, als Marxist ja sowieso. Und in dem Zusammenhang ist es eben interessant, weil die Begegnung zwischen einer Jüdin und einem Deutschen immer problematisch bleibt. Und je mehr man zusammengehören möchte, um so schwieriger wird es dann."
Seine ablehnende Haltung gegenüber dem Judentum, die in einen verkappten Antisemitismus mündet, führt schließlich zum Zerwürfnis. Zwar halten beide den Kontakt durch Briefwechsel noch lange aufrecht, doch spüren sie den Riss in ihrer Beziehung und versuchen lange Zeit darüber hinweg zu sehen, aber das Unverständnis für die Lebensentscheidungen des Anderen wird größer. Aus der Klage über die verlorene Liebe wird zuweilen eine Anklage.
"Tatsächlich schrieb er immer häufiger und immer deutlicher, wie befremdlich ihm meine "Flucht aus der Realität" vorkäme, denn er sah ja das, was ich als meinen Aufbruch ins Innere des Judentums erlebte, als eine Art Krankheit an und berief sich dabei auf Freud, der die Religion als Neurose betrachtete. Ich solle stattdessen doch lieber nach Berlin zurückkehren, dort würde ich jetzt gebraucht. Er wünsche sich, ich gäbe all das andere, das ihm so fremd sei und sich in Gefilden abspiele, in die er mir nicht folgen könne, wieder auf. In der DDR, bemerkte er ein andermal, habe es zwar keine Alpen gegeben, aber man habe wenigstens nicht über Juden und Antisemitismus reden müssen. Das sei besser gewesen. Und ich hätte bloß einen Spleen."
Noch einmal gibt es schließlich eine Chance für eine gemeinsame Arbeit am alten Ort Berlin. Wieder geht es um ein Theaterprojekt über Kleist und fast scheint es, als könnte noch mal alles gut werden. Doch das Projekt wird abgesagt, wie beim ersten Mal, diesmal nicht wegen der Zensur in der DDR, sondern aus organisatorischen Gründen im Westen. Und dann erfährt die Ich-Erzählerin von A's Tod, eine Krankheit hat ihn sehr plötzlich weggerafft. Und sie bleibt mit ihrer amerikanischen Blech-Keks-Schachtel, in der sie alle Erinnerungen und Briefe an A. aufbewahrt hat, zurück. Nun bleibt ihr nicht mehr, als über das alles zu schreiben, über ihre inneren und über die tatsächlich gemalten Bilder. Das Buchcover des Romans: "Bilder von A." zeigt ein Ölgemälde mit dem Titel: "Der Radfahrer". Auf ein Regalbrett gemalt, hängt das Original noch heute in Barbara Honigmanns Straßburger Wohnung.
Buchinfos:
Barbara Honigmann: Bilder von A. Hanser, München 2011. 144 Seiten, Preis: 16,90 Euro