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Im Einsatz gegen Parkinson

Medizin. - Der Gentherapie erging es wie vielen voreilig hochgejubelten Talenten: Schnelle Erfolge blieben aus, es gab sogar Rückschläge und der Heilsbringer verschwand in der Versenkung. Mittlerweile haben die Genetiker bessere Methoden und neue Ansätze entwickelt, mit denen sie wieder in die Klinik, weniger aber an die Öffentlichkeit gehen. Den derzeitigen Stand beleuchtete die Tagung der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie in Berlin.

Von Volkart Wildermuth |
    Die Behandlung der Schüttellähmung ist eine Erfolgsgeschichte der Medizin. Mit dem Medikament L-Dopa können die Ärzte Parkinsonpatienten über viele Jahre zu einer ruhigen Hand und flüssigen Bewegungen verhelfen. Aber die Krankheit schreitet fort, die Wirkung der Medikamente nimmt ab. Zurzeit werden deshalb viele neue Behandlungskonzepte erprobt, Elektroden im Gehirn, Stammzellen und eben auch die Gentherapie. Matthew During, Professor an der Ohio State University und Mitgründer des Gentherapieunternehmens Neurologix, hat zwölf Patienten behandelt, denen anders nicht mehr zu helfen war.

    "Die Patienten kommen morgens, ein fester Orientierungsrahmen wird an ihren Schädel geschraubt und dann wird erst einmal ein Bild ihres Gehirns aufgezeichnet. Darin legen wir unseren Zielort fest. Wir bohren ein Loch in den Schädel und schieben unter lokaler Betäubung eine feine Elektrode vor und messen die Aktivität der Nerven. Wir wollen einen bestimmten Nervenknoten treffen, der ein charakteristisches Muster der Aktivität hat. Wenn wir das sehen, wissen wir, wir sind am richtigen Ort im Gehirn."

    Die Elektrode wird herausgezogen und die Ärzte spritzen durch eine feine Nadel ein Virus in den Nervenknoten. Es enthält ein Gen für einen Botenstoff, der die Gehirnaktivität normalisieren soll. Noch am gleichen Tag kann der Patienten nach Hause entlassen werden. Bei Parkinsonpatienten gehen zwar nur ganz bestimmte Nerven zugrunde, auf Dauer gerät aber das ganze Netzwerk der Bewegungsteuerung aus dem Gleichgewicht. An manchen Stellen ist zu viel Aktivität an anderen zu wenig. Das heilende Gen stellt die Balance wieder her, das zeigen Bilder aus dem Gehirn. Entscheidend ist aber, dass den Patienten das tägliche Leben leichter fällt. During:

    "Unseren ersten Patienten haben wir vor fünf Jahren behandelt. Er konnte kein Glas halten, sein Zittern war so stark, dass er ein Weinglas zerbrochen hätte. Heute kann er ein Glas halten. Er konnte nicht mehr aus dem Haus gehen, inzwischen fährt er sogar Fahrrad. Er hat viele Alltagsfähigkeiten wieder erlangt."

    Von den zwölf Patienten hat die eine Hälfte so gut reagiert, bei der anderen waren die Effekte nicht so stark. Der Erfolg ist umso überraschender, als die Forscher ihr heilendes Gen aus Sicherheitsgründen zunächst nur in eine Hälfte des Gehirns gespritzt haben. Matthew During ist sehr zufrieden, aber er warnt auch vor voreiligem Optimismus.

    "Das Problem bei Krankheiten wie Parkinson ist, dass man in den ersten Studien oft vielversprechende Effekte sieht. Aber die sind noch nicht streng kontrolliert, werden vom Placeboeffekt oder von der Hoffnung der Forscher beeinflusst. Man darf das nicht überinterpretieren."

    Neurologix und die Ohio State University haben, zusammen mit anderen Kliniken eine streng kontrollierte Folgestudie begonnen. Parallel laufen weitere Gentherapiestudien mit Parkinsonpatienten, die zum Teil andere Ansätze verfolgen. In einigen Monaten sollten die ersten Daten vorliegen. Dann wird sich zeigen, ob die Gentherapie im Gehirn hält, was sie derzeit verspricht. Neben der Gentherapie gibt es für schwer Betroffene Parkinsonpatienten die inzwischen etablierte Behandlung mit implantierten Elektroden und die noch experimentelle Transplantation von Stammzellen. Matthew During ist davon überzeugt, dass gerade in der Vielfalt der Verfahren für den Patienten die Chance liegt, dass er eine für ihn wirksame Behandlung findet, sei es mit Zellen, mit Elektroden oder eben mit der Genen. During:

    "Diese Gentherapie ist sicher, sie ist einfach, sie benötigt nur eine lokale Betäubung, sie ist schnell und dauerhaft. Wenn wir das Gen erst einmal in den Zellen haben, sollte es für den Rest des Lebens funktionieren. Ich glaube, diese Methode ergänzt die anderen Verfahren. Nicht nur die Medikamente sondern zum Beispiel auch die Stimulation mit Elektroden. Wir werden Parkinson mit einer Kombination von Ansätzen behandeln, die zusammenwirken, sie stehen nicht in Konkurrenz."