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"Im Ganzen relativ gut"

Laut Remigius Bunia hat die Juniorprofessur als Einrichtung eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status eines wissenschaftlichen Mitarbeiters mit sich gebracht. Gleichwohl fordert der Vorsitzende des Vereins "Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur", Remigius Bunia, eine verlässlichere berufliche Perspektive für die Nachwuchsprofessoren.

Remigius Bunia im Gespräch mit Kate Maleike | 06.09.2010
    Kate Maleike: Remigius Bunia ist 32 Jahre alt und seit Anfang vergangenen Jahres Juniorprofessor für Literaturwissenschaften an der FU Berlin. Damit gehört er zu der geschätzten Zahl von circa 600 Professoren dieser Art, die momentan an deutschen Hochschulen lehren und forschen. Remigius Bunia ist aber auch der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Juniorprofessur e.V., guten Tag nach Berlin!

    Remigius Bunia: Ja, guten Tag!

    Maleike: Herr Bunia, vielleicht noch mal zunächst zum Verständnis vorweg: Was unterscheidet die Juniorprofessuren von den herkömmlichen Professuren?

    Bunia: Das ist von Bundesland zu Bundesland ein klein wenig unterschiedlich und im Großen und Ganzen sind die Unterschiede sehr gering. Im Regelfall haben jüngere Professoren die gleichen Rechte und Pflichten wie gewöhnliche Professoren. Es ist so, dass die Lehrbelastung im Vergleich zu dem durchschnittlichen W2-, W3-, C3-, C4-Professor deutlich geringer ist, aber die Beschäftigungszeit ist befristet und es ist zugleich eine Form der Qualifikationsphase. Das heißt, die Voraussetzungen dafür, eine Juniorprofessur anzutreten, sind auch geringer als für eine vollwertige Professur, und insofern ist das eine Art kleinere Professur, die darauf vorbereiten soll, eine möglichst dauerhafte Lebenszeitprofessur zu erhalten.

    Maleike: Wie geht es denn den Juniorprofessoren in Deutschland zurzeit, was wissen Sie?

    Bunia: Den Juniorprofessoren geht es im Ganzen relativ gut. Ich würde sagen, dass die Juniorprofessur als Einrichtung durchaus eine deutliche Verbesserung gegenüber dem herkömmlichen Status eines wissenschaftlichen Mitarbeiters mit sich führt. In den Naturwissenschaften beispielsweise ist man in der Regel als wissenschaftlicher Mitarbeiter sehr abhängig darin, was man an Vorgaben vom Chef, von der Chefin erhält, während man in der Juniorprofessur durchaus sehr eigenständig forschen und lehren kann. Aber im Ganzen ist das auch für die Geisteswissenschaftler durchaus von Vorteil, weil man sich sehr, sehr viel früher tatsächlich sehr eigenständig um Forschungsmittel bewerben kann und gewissermaßen den Arbeitsalltag an den Hochschulen aus einer ganz anderen Perspektive mitbekommt. Im Ganzen ist das sehr zufriedenstellend. Es hängt allerdings auch damit zusammen, dass die Situation der normalen wissenschaftlichen Mitarbeiter sich in den letzten zehn, 15 Jahren radikal verschlechtert hat. Der alte Karriereweg des wissenschaftlichen Assistenten, der wissenschaftlichen Assistentin ist abgeschafft worden und damit ist das normale Arbeiten an den Hochschulen im Rahmen eines Vertrages eines wissenschaftlichen Mitarbeiters einfach ausgesprochen unattraktiv geworden. Und auch vor diesem Hintergrund muss man sagen, ist die Juniorprofessur eine sehr gute Einrichtung, aber tatsächlich angesichts insgesamt gesunkener ja Arbeitsqualität.

    Maleike: Nicht zuletzt deswegen hat ja auch die GEW dieses Manifest jetzt verfasst, von dem wir gerade gehört haben, da war ja auch Verlässlichkeit ein großes Thema. Kommt Ihnen daraus vieles bekannt vor, auch für die Gattung Juniorprofessoren?

    Bunia: Ja also, die Stellungnahmen, die im Templiner Manifest verfasst worden sind, treffen natürlich durchaus, voll und ganz auch die Probleme der Juniorprofessoren, denn nach wie vor ist es nicht so, dass eine verlässliche Perspektive dafür gegeben wird, was am Ende der sechs Jahre der Juniorprofessur passiert. Diese Evaluierung ist ja nur eine Evaluierung, um eine weitere befristete Beschäftigungsphase anzutreten, und über diese sechs Jahre hinaus gibt es überhaupt keine verlässliche Perspektive. Es ist sogar so, dass die Hochschulen in der Regel, selbst wenn sie jemanden behalten wollen, nicht einfach behalten können, weil es hier um Planstellen geht, die in der Regel in den Landeshaushalten weitestgehend verabschiedet werden müssen. Das heißt, man kann im Regelfall auch den Juniorprofessorinnen und -professoren keine verlässliche Perspektive geben. Und der Teil derjenigen, die den sogenannten Ten-year-track haben, also die Möglichkeit haben, über die sechs Jahre hinaus an der Hochschule dann in der Regel auf einer Lebenszeitprofessur zu bleiben, ist ausgesprochen gering, das heißt, im Ganzen ist die verlässliche Perspektive für Juniorprofessoren nicht gegeben.

    Maleike: Sie haben eingangs gesagt, eigentlich geht es den Juniorprofessoren ganz gut in Deutschland. Würden Sie sagen, dass sich dieses Instrument quasi bewährt hat, müsste aber ausgebaut werden? Oder würden Sie sagen, das war jetzt eigentlich mal nur so eine Zwischenversion?

    Bunia: Ich glaube, das ist ein Modell, das Zukunft haben kann, aber es müsste eingebettet sein in eine Personalplanung und in eine Art von Personalstruktur an den Hochschulen, die insgesamt durchdacht ist. Und das ist etwas, was im Augenblick in Deutschland an keinem Ort zu sehen ist, man hat vielmehr Strukturen, die nicht aufeinander abgestimmt sind. Und insofern ist im Augenblick auch die Juniorprofessur etwas, was wie alle Karrierewege in der Wissenschaft eine Wette mit ungewissem Ausgang ist. Das heißt, es ist zumindest eine sehr gute Idee, neue Strukturen zu schaffen, es ist auf keinen Fall an einem Punkt der Umsetzung angelangt, von dem man sagen könnte, dass es einen verlässlichen Karriereweg gibt oder dass es überhaupt die Planbarkeit in einem hinreichend erwartbaren Maß erhöht.

    Maleike: Und was wären Ihre Forderungen ganz kurz?

    Bunia: Die Forderung wäre ganz kurz, dass man zu einem früheren Zeitpunkt mögliche Karrierewege aufzeigt, vielleicht auch im Negativen den Hochschulen die Möglichkeit gibt zu sagen, nein, wir machen hier nicht weiter und wir schlagen Ihnen vor, in den nächsten ein oder zwei Jahren sich eine ganz andere Beschäftigung zu suchen, und zugleich den Hochschulen aber die Möglichkeit zu geben, das Personal, das sich in irgendeiner Form in der Mitarbeit bewährt hat, auch halten zu können. Also nicht mehr die teilweise halbjährlichen Verträge zu haben, einjährigen Verträge, die Abhängigkeit von Dritten, ob jetzt Stellen eingerichtet werden können oder nicht ... also in aller Kürze eine wesentlich durchschaubare, planbare und letzten Endes freundlichere Art und Weise der Beschäftigungsstruktur.

    Maleike: Sprich eine individuelle Personalentwicklungsstruktur etablieren?

    Bunia: Ja.

    Maleike: Wie geht es den Juniorprofessoren in Deutschland? Das waren Antworten von Remigius Bunia, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Juniorprofessur e.V.. Herzlichen Dank, Herr Bunia!

    Bunia: Vielen Dank!