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Im geteilten Nest wächst es sich besser

"Kuckuck, kuckuck" ruft es aus dem deutschen Wald heutzutage nur noch selten. Denn der so besungene Vogel wird immer seltener, da seine Nahrungsgrundlage, haarige Raupen, fehlt. Manch ein Vogelliebhaber ist darüber aber gar nicht so besorgt. Schließlich steht der Kuckuck in einem schlechten Ruf: Er legt seine Eier in fremde Nester und tötet die Jungtiere seiner Wirtseltern. Ob so ein Vogelverhalten tatsächlich von Vorteil ist, hat eine britische Forscherin untersucht. Ihr Untersuchungsobjekt war allerdings ein anderer Brutschmarotzer, der nordamerikanische Kuhvogel.

Von Kristin Raabe |
    Nicht schön, aber laut ist der Ruf des nordamerikanischen Kuhvogels - und auch ansonsten ist er kein besonders zurückhaltender Vogel. Dreist legt er seine Eier einfach in die Nester von über 100 verschiedenen Vogelarten. Viele davon sind deutlich kleiner als er. Auch sein Nachwuchs wächst in den fremden Nestern rasant heran. Genau wie die jungen Kuckucksküken in Europa. Rebecca Kilner von der Cambridge Universität in Großbritannien erforscht die Strategien der Brutschmarotzer:

    Der Kuhvogel und der Kuckuck lassen beide ihre Jungtiere in fremden Nestern aufziehen. Ihre Jungtiere verfolgen dabei aber völlig entgegen gesetzte Strategien. Ein gerade geschlüpfter Kuckuck tötet die anderen Jungtiere im Nest. Er legt sie sich auf den Rücken, balanciert so zum Rand des Nestes und stößt die anderen Jungtiere dann hinaus. Dadurch bekommt er allein sämtliche Nahrung und Zuwendung der Gasteltern. Ein junger Kuhvogel hingegen teilt sich das Nest mit dem Nachwuchs seiner Gasteltern.

    Rebecca Kilner wollte wissen, was der Kuhvogel nun eigentlich davon hat, dass er den Nachwuchs seiner Gasteltern so gnädig am Leben lässt. Dazu beobachtete sie, wie gut die jungen Kuhvögel in den fremden Nestern versorgt wurden. Als Gasteltern fungierte dabei ein Haustyrannen-Paar. Der Haustyrann ist verwandt mit unseren Sperlingen. Im Englischen heißt er auch Phoebe und das liegt an seinem Ruf, aus dem sich eine deutliches "Fi-Bi" heraushören lässt: Der Phoebe oder Haustyrann baut Lehmnester an Häusern. Tyrannisch verhält er sich dabei eigentlich nicht. Seinen eigenen und den fremden Nachwuchs pflegt er aufopfernd. Egal, ob er lediglich einen fremden Kuhvogel aufzog oder zusätzlich noch zwei eigene Jungtiere zu versorgen hatte:

    Wir fanden schließlich heraus, dass ein junger Kuhvogel mit zwei kleinen Haustyrannen eine deutliche höhere Wachstumsrate hat, als ein Kuhvogel, der alleine in einem Nest sitzt. Offenbar helfen ihm die Haustyrannen-Küken beim Betteln um Nahrung. Dabei übertrumpft der Kuhvogel die Jungtiere seiner Gasteltern, so dass er am Ende verhältnismäßig mehr Nahrung bekommt. Es ist also durchaus von Vorteil den Nachwuchs seiner Gasteltern nicht gleich umzubringen. Die Kuhvögel sind zwar nett zu den kleinen Haustyrannen, aber auch grausam zu ihren Gasteltern. Die sind nämlich mit der Nahrungssuche ganz schön überfordert. Aber dadurch wächst der junge Kuhvogel schneller.

    Zu Dritt mit seinen Stiefgeschwistern in einem Nest erhält der Kuhvogel also mehr Nahrung von seinen Gasteltern, als wenn er nur alleine darin sitzen würde. Das erscheint auf den ersten Blick völlig unlogisch.

    Wir glauben, das liegt daran, dass die Vogeleltern sich danach richten, wie laut ihre Jungtiere nach Nahrung schreien. Außerdem ist die auffällige Färbung der aufgesperrten Kehlen für sie ein wichtiges Signal. Ein Kuhvogel mit zwei kleinen Haustyrannen ist für sie ein viel größerer Anreiz immer schneller immer mehr Nahrung heranzuschaffen, als ein Jungtier alleine.

    Weil der Kuhvogel viel größer als der Nachwuchs seiner Gasteltern ist, gelingt es ihm meistens auch die besten Happen zu ergattern. Daraufhin schreien seine Stiefgeschwister umso mehr, woraufhin die Eltern noch mehr Futter heranschaffen. Zwar kriegen am Ende auch die kleinen Haustyrannen genug - aber so rasant wie der Kuhvogel wachsen sie nicht. Schnell ist er doppelt so groß wie sie. Dann wird es dem Kuhvogel auch schon zu eng im Haustyrannennest - und er fliegt davon.