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Im Haifischbecken der Finanzwelt

Bissig und unterhaltsam erzählt "House of Lies", das auf dem realen Insiderbericht eines US-Unternehmensberaters beruht, aus dem Innenleben der Geldbranche. In den USA erlebten die Folgen um die jungen Abzocker 2012 den besten Serienstart. Jetzt erscheint die erste Staffel auf Deutsch.

Von Christian Berndt |
    "Mein Name ist Marty Kaan, und ich bin Unternehmensberater. Jede Woche fliegen mein Team und ich irgendwo hin und reden den Typen ein, dass sie uns unbedingt brauchen."

    Marty Kaan ist der Star-Teamleiter beim Top-Consulting-Unternehmen Galweather & Stearn. Er weiß, wie man Kunden so bearbeitet, dass sie fürchten, kurz vor der Pleite zu stehen. Danach sind sie zu allem bereit:

    "Die Kunden sollen eine scheiß Angst kriegen. Sie sollen glauben, dass der Laden ohne einen den Bach runter geht. Dann rufen sie uns Tag für Tag, Woche für Woche und wir können Abermillionen Beraterstunden abrechnen. Genau das wollen wir, Baby."

    Um Geld und Luxusspesen geht es den Helden in "House of Lies". Die amerikanische TV-Serie wirkt wie eine moderne Version von "Mad Men" – der US-Serie über hippe Werbeleute im New York der frühen 60er-Jahre. Martinis, Testosteron und Sex sind der Treibstoff dieser atemlosen Branche.

    Das klingt nach krachender Parodie, beruht aber auf einer realen Vorlage: dem gleichnamigen Buch des früheren Top-Unternehmensberaters Martin Kihn. Darin beschreibt er, wie Berater Firmen, die sie für schwindelerregende Summen eigentlich retten sollten, erst richtig ruinierten.

    Man merkt "House of Lies" an, dass genau recherchiert wurde, und man hat es vermieden, aus den Protagonisten platte Karikaturen zu machen. Die jungen Abzocker klingen, wenn sie über ihre Auftraggeber reden, mitunter wie Anhänger der Occupy-Bewegung:

    "Es ist doch so, die Kerle wollen doch nur irgendwie ihre Bonuszahlungen rechtfertigen. – Ja, warum auch nicht? – Weil sie den Amerikanern Milliarden Dollars geraubt haben, als sie ihnen Ramschhypotheken untergejubelt haben? – Die Armen, uuh. - Diese Jungs sind echt Schweine. Sie haben die Krise verursacht und machen damit noch einen Reibach. – Sie kassieren ihre Beute in Form von Bonuszahlungen wie jeder gute Räuberbaron."

    Es sind smarte, junge Leute mit Harvard-Abschluss, aber sie dienen sich einer gierigen Geschäftswelt an, in der die Party munter weitergeht, als hätte es die Finanzkrise nie gegeben. Raffiniert ist dabei die Hauptfigur besetzt: Marty Kaan wird ausgerechnet von Don Cheadle gespielt, der mit Hauptrollen in Filmen wie "Hotel Ruanda" und "L.A. Crash" für die couragierten, positiven Helden im Hollywood-Kino steht. Als Afroamerikaner verkörpert er in der Rolle Kaans eine Figur, die den alltäglichen Rassismus am eigenen Körper erlebt und gerade deshalb das zynische Spiel mit der Täuschung perfektioniert hat. Einem schwarzen Studenten gibt er Tipps für den Umgang mit weißen Kunden:

    "Sie schätzen seine Reaktion darauf ab, dass sie schwarz sind und benutzen das als Druckmittel. Wir hatten einen Typ in Vermont, der hatte noch nie im Leben einen Schwarzen vor sich. Er wollte auf keinen Fall als Rassist gelten, hat alles gemacht, was ich gesagt habe. Verstehen Sie? Ficken Sie die Muschi der Political Correctness. – Okay, und was ist, wenn es umgekehrt ist? - Wenn man an einen Rassisten gerät?
    Dann lächelt man und lässt den anderen reden. Wir wollen an die Brieftaschen, nicht an die Denkweisen."

    Kaan schlägt ein zynisches System mit den eigenen Waffen, er ist skrupellos, aber ein vielschichtiger Charakter. Als alleinerziehender Vater macht ihm der Widerspruch zwischen Job und Elternrolle sichtlich zu schaffen, zudem ist er verwirrt von den Crossgender-Experimenten seines androgynen Teenager-Sohnes.

    "Hey Dad. – Ja? – Was macht man eigentlich, wenn man ein Mädchen und einen Jungen mag? – Ach, keine Ahnung rosco, weiß ich nicht. – Oh, ich bin für alles offen."

    "House of Lies" ist durchaus subversiv – auch wenn die schrägen Sexparodien den Grat zwischen Satire und oberflächlicher Comedy schmal werden lassen. Gerne hätte man mehr zum Konzept und zur Umsetzung der Vorlage erfahren. Dazu tragen die albernen Audiokommentare überdrehter Darsteller im Bonusmaterial leider nichts bei.

    Dafür bietet die DVD den Gewinn, im englischen Original die Ironie der Serie auf subtilere Weise zu erleben als in der Synchronisation. In den USA hat "House of Lies" den Nerv getroffen. So überspitzt die Welt dieser Erfolgsjunkies auch ausgemalt ist, es ist so gut gemacht, dass einen das Gefühl beschleicht, genauso könnte es sein.