" Wir, die wir gegen euch gekämpft haben, sagen jetzt: Genug des Blutes und der Tränen. Es sind wirklich genug Blut und Tränen vergossen worden! "
Das sagt Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin im September 1993, als er auf dem Rasen des Weißen Hauses jene Grundsatzerklärung unterzeichnet, mit der sich Israels und die PLO gegenseitig anerkennen. Weite Teile der internationalen Politik sowie die israelische Mehrheitsbevölkerung machen Rabin daraufhin zu ihrem "Helden von Krieg und Frieden" Die Verleihung des Friedensnobelpreises tut ein übriges zum Nimbus ... und zwei Jahre später sein Märtyrertod
Selbst seine ehemaligen Todfeinde und erbittertsten Gegner verneigten sich damals vor ihm und seinem Werk. PLO-Chef Yassir Arafat zum Beispiel:
" Dies ist der Friede der Mutigen, trotz Hindernissen. Ein historischer Frieden nach langer Konfrontation. Wir alle wollen jetzt alles verwirklichen, was wir erreicht haben. "
Einen "Frieden der Mutigen" hatte Israels Premier schon einmal gewollt - zwanzig Jahre zuvor -, als er sich um besondere Beziehungen zu "den Deutschen" bemühte und dafür in Kauf nehmen musste, offiziell die Bundesrepublik Deutschland zu besuchen. - als erster israelischer Ministerpräsident. Doch wenn schon die Bundesrepublik, dann wollte er nicht nur politische Gespräche in Bonn führen. Nein, er wollte auch das Todeslager Bergen-Belsen sehen und das geteilte Berlin. Seine Frau Lea notierte:
"Bergen-Belsen war ein unbeschreiblich schreckliches Erlebnis, obwohl die Massengräber heute idyllische Grashügel sind. ... Berlin dagegen löste ganz andere Gedanken bei mir aus. Als wir auf die Plattform stiegen, von der aus man durch das Brandenburger Tor nach Ostberlin blicken konnte, musste ich immer wieder an die Zeit denken, als Jerusalem noch eine geteilte Stadt war und wir das Jaffa- und das Damaskustor nur vom Dach des Klosters Nôtre Dame aus sehen konnten. "
" Von Berlin aus reisten wir nach Bonn, wo wir mit allen militärischen Ehren empfangen wurden. Die Kapelle spielte dieselbe Nationalhymne, die unter Hitler erklungen war. Yitzhak und ich standen nebeneinander und hörten gebannt zu. Danach wurde unter den Klängen unserer Hymne, der Hatikwah, die israelische Flagge geehrt. "
Für die ersten Jahrzehnte nach der Gründung des Staates Israel und der Bundesrepublik Deutschland konnte von "zwischenstaatlichen Beziehungen" keine Rede sein. Für die Überlebenden des Holocaust war Deutschland das Land mörderischer Antisemiten, "potenzieller Massenmörder", wie das später der umstrittene Historiker Daniel Goldhagen genannt hatte. Und so war es nur konsequent, dass es anderes als Verhandlungen zur materiellen Wiedergutmachung zwischen Bonn und Tel Aviv nicht gab. Selbst beim ersten persönlichen Treffen zwischen dem Vater des neuen Israel, dem Ministerpräsidenten David Ben-Gurion, und Bundeskanzler Konrad Adenauer in einem New Yorker Hotelzimmer ging es um Kredite und um kaum etwas anderes. "Politisch" wurde das israelisch-deutsche Klima erst, als die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Mai 1965 dazu führte, dass zehn arabische Staaten ihrerseits die Beziehungen zur Bundesrepublik abbrachen. Und sich damals zum ersten Mal mehr als nur eine handvoll Israelis fragte, wie es denn vielleicht weitergehen könne mit Juden und Deutschen nach den Jahren der Trauer, der Verdrängung, der Scham und der Wut. Damals schrieb der Zeitgeschichtler Saul Friedländer:
" Die Wiederentdeckung der eigenen Vergangenheit wurde zu einem wundersamen Wiedergeburtserlebnis, einer Art persönlicher und kollektiver Erlösung... "
...die sich auch real vollzog, als im Juni 1973 als erster deutscher Bundeskanzler Willy Brandt Israel besuchte - ein Mann, der als antifaschistischer Widerstandskämpfer nicht im Verdacht stand, zu den Tätern der Shoa zu gehören. Und dessen Gegeneinladung an Rabin zum Besuch in Bonn - bei allem Ernst - bestimmt war von versöhnter und freundschaftlicher Herzlichkeit
Zeitzeugen, die Rabin persönlich gekannt haben, betonen stets, dass er ein analytischer Kopf gewesen ist - ernst, klar und loyal, vor allem Persönlichen zurückschreckend. Wäre es nach ihm persönlich gegangen, dann hätte er die Reise in die Bundesrepublik - trotz der Brandtschen Einladung - nie angetreten. Aber er wusste, dass der israelische Staat 30 Jahre nach seiner Gründung von der Bundesrepublik Deutschland und ihren Politikern mehr brauchte als Wiedergutmachungsgelder, Dollarkredite und Waffenlieferungen. Tel Aviv bedurfte der Zeichen von Versöhnung mit Bonn. Vielleicht gar ein Klima der Versöhnung, aus dem heraus die Bundesrepublik endlich als bedeutender politischer Fürsprecher für Israel auftreten konnte. Also machte Yitzhak Rabin sich auf den schwierigen Weg eines Brückenbauers. Lea Rabin:
" Der Besuch in Deutschland war eine Reise in eine ganz andere, höchst provokative Welt - eine Rückkehr zu den Quellen einer unbeschreiblichen Tragödie, mit der Erkenntnis, dass man zwar nicht vergessen kann, aber trotzdem Brücken der Versöhnung bauen muss. "
Das sagt Israels Ministerpräsident Yitzhak Rabin im September 1993, als er auf dem Rasen des Weißen Hauses jene Grundsatzerklärung unterzeichnet, mit der sich Israels und die PLO gegenseitig anerkennen. Weite Teile der internationalen Politik sowie die israelische Mehrheitsbevölkerung machen Rabin daraufhin zu ihrem "Helden von Krieg und Frieden" Die Verleihung des Friedensnobelpreises tut ein übriges zum Nimbus ... und zwei Jahre später sein Märtyrertod
Selbst seine ehemaligen Todfeinde und erbittertsten Gegner verneigten sich damals vor ihm und seinem Werk. PLO-Chef Yassir Arafat zum Beispiel:
" Dies ist der Friede der Mutigen, trotz Hindernissen. Ein historischer Frieden nach langer Konfrontation. Wir alle wollen jetzt alles verwirklichen, was wir erreicht haben. "
Einen "Frieden der Mutigen" hatte Israels Premier schon einmal gewollt - zwanzig Jahre zuvor -, als er sich um besondere Beziehungen zu "den Deutschen" bemühte und dafür in Kauf nehmen musste, offiziell die Bundesrepublik Deutschland zu besuchen. - als erster israelischer Ministerpräsident. Doch wenn schon die Bundesrepublik, dann wollte er nicht nur politische Gespräche in Bonn führen. Nein, er wollte auch das Todeslager Bergen-Belsen sehen und das geteilte Berlin. Seine Frau Lea notierte:
"Bergen-Belsen war ein unbeschreiblich schreckliches Erlebnis, obwohl die Massengräber heute idyllische Grashügel sind. ... Berlin dagegen löste ganz andere Gedanken bei mir aus. Als wir auf die Plattform stiegen, von der aus man durch das Brandenburger Tor nach Ostberlin blicken konnte, musste ich immer wieder an die Zeit denken, als Jerusalem noch eine geteilte Stadt war und wir das Jaffa- und das Damaskustor nur vom Dach des Klosters Nôtre Dame aus sehen konnten. "
" Von Berlin aus reisten wir nach Bonn, wo wir mit allen militärischen Ehren empfangen wurden. Die Kapelle spielte dieselbe Nationalhymne, die unter Hitler erklungen war. Yitzhak und ich standen nebeneinander und hörten gebannt zu. Danach wurde unter den Klängen unserer Hymne, der Hatikwah, die israelische Flagge geehrt. "
Für die ersten Jahrzehnte nach der Gründung des Staates Israel und der Bundesrepublik Deutschland konnte von "zwischenstaatlichen Beziehungen" keine Rede sein. Für die Überlebenden des Holocaust war Deutschland das Land mörderischer Antisemiten, "potenzieller Massenmörder", wie das später der umstrittene Historiker Daniel Goldhagen genannt hatte. Und so war es nur konsequent, dass es anderes als Verhandlungen zur materiellen Wiedergutmachung zwischen Bonn und Tel Aviv nicht gab. Selbst beim ersten persönlichen Treffen zwischen dem Vater des neuen Israel, dem Ministerpräsidenten David Ben-Gurion, und Bundeskanzler Konrad Adenauer in einem New Yorker Hotelzimmer ging es um Kredite und um kaum etwas anderes. "Politisch" wurde das israelisch-deutsche Klima erst, als die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Mai 1965 dazu führte, dass zehn arabische Staaten ihrerseits die Beziehungen zur Bundesrepublik abbrachen. Und sich damals zum ersten Mal mehr als nur eine handvoll Israelis fragte, wie es denn vielleicht weitergehen könne mit Juden und Deutschen nach den Jahren der Trauer, der Verdrängung, der Scham und der Wut. Damals schrieb der Zeitgeschichtler Saul Friedländer:
" Die Wiederentdeckung der eigenen Vergangenheit wurde zu einem wundersamen Wiedergeburtserlebnis, einer Art persönlicher und kollektiver Erlösung... "
...die sich auch real vollzog, als im Juni 1973 als erster deutscher Bundeskanzler Willy Brandt Israel besuchte - ein Mann, der als antifaschistischer Widerstandskämpfer nicht im Verdacht stand, zu den Tätern der Shoa zu gehören. Und dessen Gegeneinladung an Rabin zum Besuch in Bonn - bei allem Ernst - bestimmt war von versöhnter und freundschaftlicher Herzlichkeit
Zeitzeugen, die Rabin persönlich gekannt haben, betonen stets, dass er ein analytischer Kopf gewesen ist - ernst, klar und loyal, vor allem Persönlichen zurückschreckend. Wäre es nach ihm persönlich gegangen, dann hätte er die Reise in die Bundesrepublik - trotz der Brandtschen Einladung - nie angetreten. Aber er wusste, dass der israelische Staat 30 Jahre nach seiner Gründung von der Bundesrepublik Deutschland und ihren Politikern mehr brauchte als Wiedergutmachungsgelder, Dollarkredite und Waffenlieferungen. Tel Aviv bedurfte der Zeichen von Versöhnung mit Bonn. Vielleicht gar ein Klima der Versöhnung, aus dem heraus die Bundesrepublik endlich als bedeutender politischer Fürsprecher für Israel auftreten konnte. Also machte Yitzhak Rabin sich auf den schwierigen Weg eines Brückenbauers. Lea Rabin:
" Der Besuch in Deutschland war eine Reise in eine ganz andere, höchst provokative Welt - eine Rückkehr zu den Quellen einer unbeschreiblichen Tragödie, mit der Erkenntnis, dass man zwar nicht vergessen kann, aber trotzdem Brücken der Versöhnung bauen muss. "