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Im Osmanischen Reich respektiert - in Resteuropa gefürchtet

"Zwischen der Türkei und Europa ist ein tiefer Kulturgraben, der nicht durch schöne Worte überwunden werden kann", sagt der renommierte Historiker Hans-Ulrich Wehler und lehnt einen Beitritt der Türkei in die EU kategorisch ab. Damit steht er nicht allein. Große Teile der Bevölkerung sind - über Parteigrenzen hinweg - skeptisch, was die Vereinbarkeit der gesellschaftlichen und religiösen Werte der muslimischen Türkei mit denjenigen des christlichen Europas angeht.

Von Tobias Mayer |
    Diese Haltung ist vielleicht ein Nachhall der so genannten "Türkengefahr", die ihren Ursprung im 15. und 16. Jahrhundert hat. 1529 standen die Osmanen zum ersten Mal vor den Toren Wiens, ein traumatisches Ereignis für die mitteleuropäischen Königtümer. An der Spitze des osmanischen Heeres stand der Sultan selbst, Süleyman der Prächtige, der am 21. September 1520 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters angetreten hatte.

    Er dichtete unter dem Pseudonym "Muhibbi", die türkischen Geschichtsschreiber kennen ihn als "Kanuni", den Gesetzgeber, seine europäischen Gegenspieler nannten ihn "den Prächtigen". Süleyman war 24 Jahre alt, als sein Vater am 21. September 1520 starb. Sultan Selim I. hatte das osmanische Reich im Osten bis an die Grenze der persischen Safawiden erweitert. In Ägypten und Syrien hatte Selim 1517 die Mamlukenherrschaft beseitigt und den Kalifentitel angenommen. Als formelles Oberhaupt aller Muslime besaß er nun auch die Schutzherrschaft über die heiligen Städte Mekka und Medina.

    Nachdem nun Süleyman osmanischer Sultan geworden war, wandte er sich nach Norden: 1521 eroberte er Belgrad, 1526 wurden die Ungarn bei Mohacz vernichtend geschlagen. 1529 standen die Osmanen zum ersten Mal vor den Toren Wiens. Hedda Reindl-Kiel ist Osmanistin an der Universität Bonn.

    "Eine anständige islamische Eroberung sieht immer so aus: Man zieht vor eine Stadt und fordert die Stadt dazu auf: Schlüssel raus, ergebt euch, wenn ihr euch ergebt, passiert euch nichts. Normalerweise haben Städte, die auch nur die geringste Chance gesehen haben, die Belagerung abzuwehren, gesagt, Pustekuchen, wir denken gar nicht dran. Und so war es in Wien auch."

    Die Belagerung Wiens war erfolglos, doch für die europäischen Herrscherhäuser war dies ein traumatisches Ereignis. Die "Türkengefahr" war fortan ein Leitmotiv in den christlich-abendländischen Propagandaschriften. Die so genannte "Knabenlese", die dazu diente, das osmanische Janitscharen-Korps beständig mit frischen Kämpfern zu versorgen, lieferte der europäischen Polemik Stoff.

    "Und zwar hat man als eine Art Steuer Knaben, wobei man Knaben sehr in Anführungsstriche setzen muss, denn das waren im damaligen Verständnis junge Männer aus christlichen Dörfern, nach einem bestimmten Schlüssel sozusagen eingesammelt. Die mussten kräftig sein, robust, draufgängerisch, wenn’s ging, noch intelligent dazu."

    Die streng erzogenen, zwangskonvertierten und zu loyalen Kämpfern geformten Janitscharen eilten auf dem Balkan, in der Ägäis, im Irak und in Nordafrika von Sieg zu Sieg. Meist stand der Sultan selbst an der Spitze seines Heeres. Bei den Untertanen seines Großreichs erwarb sich Süleyman der Prächtige Respekt. Man sah in ihm einen gerechten Herrscher, der Straf- und Steuerrecht reformierte. Die 2004 verstorbene Turkologin Petra Kappert.

    "Er hat zum religiösen Gesetz eine weltliche Gesetzgebung hinzugefügt, die ganz bestimmte Bereiche ordnen sollte, die er vielleicht nicht vollständig und klar genug in der Scharia geregelt fand. Es gab einen großen, sehr großen Anteil an christlicher und auch jüdischer Bevölkerung, die dazugekommen war. Und er als weiser Staatsmann hat erkannt: mit der Scharia alleine war dieses Zusammenleben nicht adäquat geregelt."

    Während die Bevölkerung in Serbien, Ungarn und Österreich ständig in der Furcht vor neuen Eroberungszügen der Osmanen lebte, konnte sich in Istanbul die herrschaftliche Pracht entfalten. Miniaturmalerei und Fayencearbeiten gelangten zur höchsten Blüte. Der berühmteste Architekt des osmanischen Reiches, Sinan, erbaute im 16. Jahrhundert zahlreiche Moscheen, Mausoleen und Koranschulen. Der monumentale Komplex der "Süleymaniye" prägt noch heute die Silhouette Istanbuls. Süleyman der Prächtige förderte die Kunst und dichtete selbst.

    Der letzte Feldzug führte den Sultan nach Ungarn. 1566 starb Süleyman bei der Belagerung der Festung von Szigetvár. Von allen osmanischen Sultanen hatte er mit 46 Jahren am längsten regiert. Der gleichermaßen bewunderte und gefürchtete Herrscher war tot, doch die Angst vor den Türken in Europa überlebte Süleyman den Prächtigen um Jahrhunderte.