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Im Papyrusboot über den Ozean

Das breite Publikum begriff schneller als mancher Professor, dass Thor Heyerdahl Recht haben könnte mit seiner Vermutung, dass schon die antiken Völker über weite Strecken miteinander in Verbindung treten konnten. 1947 ließ sich Heyerdahl mit der "Kon-Tiki" über den Pazifik treiben. Vor 40 Jahren, am 25. Mai 1969, startete er seinen ersten Versuch einer Atlantiküberquerung – diesmal mit einem Segelschiff aus Papyrus.

Von Irene Meichsner |
    Es war Thor Heyerdahls zweite große Schiffs-Expedition. Im Alter von 54 Jahren wagte sich der unorthodoxe norwegische Anthropologe und Ethnologe 1969 noch einmal aufs offene Meer. Heyerdahl wollte mit einem Segelschiff aus Papyrus den Atlantik überqueren – um zu beweisen, dass schon die alten Ägypter mit weit entfernten Kulturen Kontakt aufnehmen konnten. Aus ganz ähnlichen Motiven hatte Heyerdahl 1947 schon seine legendäre Fahrt mit der "Kon-Tiki" organisiert. Damals ließ er sich auf einem Floß aus Balsaholz von Peru nach Polynesien treiben – ein einschneidendes Erlebnis, an das er sich auch im hohen Alter noch lebhaft erinnerte.

    Heyerdahl:

    "Der Rest der Welt verschwindet einfach, und es bleibt nur die Erinnerung daran, als ob man sich an eine Geschichte erinnert. Es war wie eine Reise auf einem fliegenden Teppich zwischen Himmel und Meer."

    "Ra" hieß Thor Heyerdahls neues Schiff. Er taufte es auf den Namen des ägyptischen Sonnengottes. Die Konstruktion beruhte auf Zeichnungen aus der Zeit der Pharaonen. Gebaut wurde es von Fischern, die Heyerdahl am Tschadsee in Zentralafrika kennen lernte. Einen von ihnen, den Schilfbootsbauer Abdullah, nahm er auch mit an Bord.

    Am 25. Mai 1969 verließ die "Ra" den antiken phönizischen Hafen Safi an der Westküste von Marokko. In seinen 1998 erschienenen Lebenserinnerungen schrieb Heyerdahl:

    "Als wir das Papyrusboot 'Ra' vom Stapel ließen, um zu versuchen, den Atlantik zu überqueren, waren wir sieben Mann an Bord, jeder mit einem ganz anderen Hintergrund. Ich wollte zeigen, dass es möglich sei, auf engstem Raum und unter Stress einträchtig zusammenzuleben, obwohl wir weder die gleiche Hautfarbe noch die gleichen politischen Ansichten oder denselben Glauben hatten. Fast zwei Monate lang lagen Araber und Jude Schulter an Schulter und der Steuermann aus den USA Fuß gegen Fuß mit dem Arzt aus der Sowjetunion. Der Araber aus Ägypten war kein Muslim, sondern Kopte, aus der ältesten christlichen Kirche der Welt. Abdullah aus Zentralafrika war ein kohlrabenschwarzer Buduma, er war Muslim."

    Die Kommunikation funktionierte. Doch bald gab es die erste unangenehme Überraschung: Schwarze Teerklumpen schwammen auf der Meeresoberfläche.

    Heyerdahl:

    "Tag für Tag fischten wir Ölklumpen heraus. Manche nicht größer als Reiskörner oder Erbsen, andere so groß wie Kartoffeln und Apfelsinen. Ich hatte mich so darauf gefreut, meinen neuen Freunden das wunderbare kristallklare Weltmeer zu zeigen. Jetzt war ich so entsetzt, dass ich den ersten Bericht über die zunehmende Verschmutzung des Weltmeeres an den UN-Generalsekretär U-Thant schickte."
    Acht Wochen später, nach einer Fahrt von 5000 Kilometern, musste Heyerdahl die Fahrt vorzeitig abbrechen. Der Grund war ein Konstruktionsfehler. Die Bootsbauer vom Tschadsee hatten ein wichtiges Tau weggelassen, weil sie fälschlicherweise glaubten, dass es nur ästhetischen Zwecken diente.

    Heyerdahl:

    "Das Schiff verlor seine Elastizität, ritt die Meereswellen nicht ab, und die Schilfbündel rissen sich allmählich los. Als wir uns Barbados näherten, war es nicht länger möglich, die Papyrusbündel zusammenzuhalten."

    Ein Jahr später startete Heyerdahl einen zweiten Versuch. Mit der "Ra II" schaffte er es tatsächlich bis nach Barbados. An 43 der insgesamt 57 Reisetage fischte die Crew wieder Ölklumpen aus dem Meer.

    Die "Ra II" hatte Heyerdahl von Indianern aus Peru bauen lassen. Ihnen vertraute er 1977 auch die Konstruktion eines weiteren Schilfboots nach sumerischem Vorbild zur Überquerung des Indischen Ozeans an. Damit endete seine abenteuerliche Karriere als forschender Seemann. Bis zu seinem Tod im Jahre 2002 konzentrierte sich Heyerdahl auf seine Arbeit als Archäologe, dessen Ausgrabungen die Theorie von der weltweiten Kommunikation antiker Völker unterstützten. Heyerdahls Reiseberichte erreichten ein Millionenpublikum. Er hatte als Außenseiter begonnen. Und er starb als anerkannter Wissenschaftler – ausgezeichnet mit vielen Preisen, darunter elf Ehrendoktortitel aus Europa, Nord- und Südamerika.