" Das war ein verlorenes Jahr. Der Untersuchungsausschuss hat sich nicht getraut, zu fragen, was vor dem 11. März passiert ist. Ob die Anschläge zu vermeiden gewesen wären. Unsere Politiker haben die Zeit damit verbracht, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben. Sie hat nur interessiert, was in den drei Tagen zwischen den Anschlägen und den Parlamentswahlen geschehen ist. Die eigentlichen Hintergründe der Anschläge sind im Ausschuss kaum zur Sprache gekommen."
Clara Escríbano, 47 Jahre alt, von Beruf Krankenschwester. Am 11. März 2004 steigt sie morgens um halb acht im Madrider Stadtteil Santa Eugenia in einen Nahverkehrszug. Sie steht noch im Gang, als in ihrer unmittelbaren Nähe im Zug eine Bombe explodiert. Weitere Bomben explodieren an diesem Morgen auch in drei weiteren S-Bahnen. Insgesamt sterben 191 Menschen. Clara Escríbano zählt zu den 1500 Pendlern, die die Anschläge schwer verletzt überleben. Islamische Fanatiker bekennen sich wenig Tage später zu den Anschlägen.
Drei Wochen danach, am 3. April, macht die Polizei sieben mutmaßliche Attentäter in einer Wohnung in einem Madrider Vorort ausfindig. Als die radikalen Muslime ihren Häuserblock von der Polizei eingekreist sehen, sprengen sie sich selbst in die Luft. Dabei reißen sie einen Beamten einer Sondereingreiftruppe mit in den Tod.
Der Madrider Untersuchungsrichter Juan del Olmo ist mit der strafrechtlichen Aufarbeitung des Falls beschäftigt. Er hat im Zusammenhang mit den Anschlägen inzwischen mehr als hundert Haftbefehle gegen mutmaßliche Islamisten ausgestellt. 70 Personen konnten gefasst werden.
Seit einem Jahr tagt im spanischen Parlament, dem "Congreso de los Diputados", zudem ein Untersuchungsausschuss zum 11. März 2004, der am morgigen Mittwoch zum letzten Mal tagt. Eine Woche später dann, am 30. Juni, wird es eine große Parlamentsdebatte über die Schlussfolgerungen des Ausschusses geben - der allerdings von heftigen Parteiengezänk geprägt sein dürfte. Denn:
Für die damalige konservative spanische Regierung von José María Aznar stand sofort nach dem Attentat fest: Niemand anders als die baskische Terrorgruppe ETA könne die Bomben gelegt haben. Selbst als es erste Anzeichen für einen islamistischen Hintergrund gab, ließ die Regierung Aznar von ihrer These von einer Täterschaft der ETA nur zögerlich los. Zu zögerlich, fanden viele Spanier. Es kam zu Kundgebungen vor den Parteibüros des Partido Popular, der Volkspartei Aznars. Die Demonstranten riefen "wir wollen wissen, wer es war" und warfen der Regierung vor, mit dem Festhalten an der ETA-Theorie drei Tage nach den Attentaten die Parlamentswahlen noch gewinnen zu wollen.
Am 14. März schließlich verlor Aznar die Wahlen. Neuer spanischer Ministerpräsident ist seither der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero. Im Untersuchungsausschuss geht es den Konservativen jetzt vor allem darum, sich vom Vorwurf der gezielten Falschinformation zu entlasten. Ex-Regierungschef Aznar im Ausschuss:
" Die Parteien der Opposition und einige Medien, die für ihre wahnsinnige Wut gegen die Volkspartei berühmt sind, fabrizierten damals eine enorme Lüge über meine Regierung. Sie destabilisierten das Land und organisierten die Hetze gegen eine demokratische Partei, die damals noch für das Land verantwortlich war. Dies alles im schwierigsten Moment meiner Amtszeit, und wenige Stunden vor den Parlamentswahlen."
Der neue, sozialistische Regierungschef Zapatero zeigt sich während seiner fast 15-stündigen Aussage vor dem Ausschuss nicht weniger aggressiv. Er habe in den Unterlagen der Vorgängerregierung zu den Attentaten keine einzige Spur in Richtung ETA gefunden, erklärt Zapatero. Die Regierung Aznar habe die Bevölkerung massiv betrogen. Und ganz zum Schluss seiner 15-stündigen Aussage empfiehlt er den Konservativen:
" Sie sollten das Trauma vom Verlust der Parlamentswahlen endlich überwinden. Sie sollten die Erklärungen für den Wahlausgang nicht immer und immer wieder in den Attentaten suchen. Seit dem Wahltag, dem 14. März 2004, haben wir von ihnen keine einziges Eingeständnis eines Fehlers gehört. Solange Sie Ihre Fehler nicht eingestehen, werden Sie dieses Trauma nicht überwinden."
Diesen Schritt will die Volkspartei jedoch nicht machen. Fehler hat sie bis heute keine eingestanden, nicht in der Frage des Krisenmanagements während der Anschläge, nicht in ihrer Informationspolitik und auch nicht in der Bekämpfung des islamischen Terrorismus vor dem 11. März 2004. Dies machte José María Aznar ganz zum Schluss seiner Aussage noch einmal deutlich:
"Stellen Sie sich vor, nach zehn Stunden hier im Untersuchungsausschuss würde ich Ihnen die Freude machen, und morgen könnten die Zeitungen in großen Lettern drucken: "Aznar erkennt Fehler an!" Nach zehn Stunden hier im Ausschuss. Nein, diese Freude werde ich Ihnen nicht machen"
Diese vollkommen gegensätzliche Sicht auf die Attentate vom 11. März und den späteren Wahlausgang prägt auch die Schlussfolgerungen der beiden großen spanischen Parteien zum Untersuchungsausschuss. Das Abschlussdokument der sozialistischen Partei ist 486 Seiten stark. Darin heißt es, der Vorwurf an die ehemalige Regierung, die Bevölkerung gezielt falsch informiert zu haben, sei erwiesen. Der sozialistische Abgeordnete Antonio Hernándo sagt:
" Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Schlussfolgerungen: Der Beweis der Lüge. Die Lüge der Volkspartei vom 13. März, einen Tag vor den Wahlen: Um 14 Uhr erschien Ángel Acebes, der Innenminister der Aznar-Regierung, im Fernsehen und erklärte, die wichtigste Spur führe zur ETA. Dabei hatte ihm die Polizeiführung in einer Krisensitzung schon zwei Stunden zuvor angekündigt, dass es Festnahmen geben werde. Und dass mindestens einer dieser Verdächtigen bereits als islamischer Fundamentalist bekannt sei. Wenn der Minister also zwei Stunden später der Bevölkerung erklärt, die wichtigste Spur führe zur ETA, dann hat er gelogen. Denn er wusste längst, dass es Festnahmen aus dem Kreis muslimischer Fanatiker geben würde."
Die Konservativen sehen durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses dagegen den Vorwurf der gezielten Falschinformation entkräftet. Es sei sogar bewiesen worden, dass die Regierung zu jeder Zeit sofort alle Informationen korrekt weitergegeben habe, heißt es in den Schlussfolgerungen der Volkspartei. Für erwiesen halten die Konservativen dagegen die Vorwürfe an Sozialisten und an den privaten Radiosender "Cadena Ser", sie hätten der Regierung mit einer Verleumdungskampagne kurz vor dem Wahltag schaden zu wollen.
"Cadena Ser" gehört zu der den Sozialisten nahe stehenden Prisa-Gruppe und ist der meistgehörte Radiosender Spaniens. Er verfügt über gute Quellen bei Polizei und Geheimdiensten und berichtete in den Tagen zwischen den Attentaten und den Wahlen meist wesentlich aktueller über die Ermittlungen als der zuständige Innenminister. Allerdings machte der Sender auch zwei Fehler, in denen die Konservativen einen Beweis für die Verleumdungskampagne gegen die Regierung sehen. Vicente Martínez Pujalte, Sprecher der Volkspartei im Untersuchungsausschuss:
" Dieser Sender hat zwischen dem 11. und 14. März Falschinformationen verbreitet. Er berichtete, es seien Selbstmordattentäter in den Zügen gewesen. Das hat sich als falsch herausgestellt. Dann sagten sie, die Regierung habe von dem Bekennervideo bereits am Samstagmorgen gewusst, während die Polizei später herausgefunden hat, dass es erst am Abend aufgenommen wurde.(...) Am Tag vor den Wahlen darf in Spanien kein Wahlkampf mehr gemacht werden. Der Radiosender Ser hat dennoch für die Demonstrationen vor unseren Parteibüros geworben. Während die Volkspartei ihrer Verantwortung nachgekommen ist, haben die Sozialisten aus den Attentaten politisches Kapital für die Parlamentswahlen geschlagen."
Die Frage, wer wen, wann und mit welchem Ziel in den drei Tagen zwischen den Attentaten wissentlich falsch informiert hat, füllt in den Abschlussdokumenten der Parteien zur Untersuchungskommission viele Seiten. Die Spanier interessiert dieser Streit dagegen immer weniger.
Die Volkspartei sucht dennoch auch heute noch Verbindungen zwischen den islamistischen Attentätern und der ETA. So erklärt der PP-Abgeordnete Martínez Pujalte, immerhin habe die ETA im gleichen nordspanischen Dorf einen Lieferwagen gestohlen, in dem auch der Sprengstoffhändler gelebt habe, der das Dynamit für den 11. März besorgt habe. Bei inhaftierten islamistischen Terroristen seien Telefonnummern von ETA-Gefangenen gefunden worden. Die Konservativen werfen den Sozialisten vor, diese Punkte nicht untersuchen zu wollen:
" Es glaubt doch niemand, dass aus sieben muslimischen Kleindealern plötzlich gefährliche Terroristen werden. Und diese Kleinkriminelle mit einer professionellen Logistik und Technik ein Attentat in Madrid ausüben. Wer befahl diesem Schläferkommando, aktiv zu werden? Das weiß niemand, aber es wird auch nicht untersucht. Der Untersuchungsrichter ermittelt nur, wer die Bomben gelegt hat. Aber die Regierung muss untersuchen, wer am Kopf dieser Organisation steht. Und meiner Meinung nach untersucht das derzeitige Innenministerium nicht, wer in dieser Hierarchie an der Spitze steht."
Der Untersuchungsausschuss habe zwar keine Beweise für eine Täterschaft der ETA finden können, sagt Pujalte. Der Ausschuss habe jedoch eine Verbindung der Attentäter zur ETA auch nicht vollkommen ausschließen können, so der Abgeordnete. Mit der ETA-Theorie steht die Volkspartei jedoch recht einsam da. Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss meint, die Volkspartei versuche Verschwörungstheorien zu schüren.
Der aktuelle spanische Innenminister José Antonio Alonso erklärte in seiner Aussage, es gebe nicht das kleinste Indiz für Verbindungen zwischen islamistischen Radikalen und der ETA. Der ehemalige Richter sagte zudem, in einem demokratischen Rechtsstaat sei es auch nicht die Aufgabe des Innenministers, Ermittlungen anzustoßen oder zu bremsen. Dafür sei der Untersuchungsrichter zuständig, der sich nur an Beweisen und Indizien, aber nicht an politischen Motiven orientieren dürfe.
Untersuchungsrichter Juan del Olmo brachte für seine Aussage 35 Bände aus seinen Ermittlungsakten mit ins Parlament. Daraus geht für die große Mehrheit des Untersuchungsausschusses hervor: Die Täter der Anschläge vom 11. März sind islamische Terroristen. Verbindungen zur ETA gibt es keine. Fast alle der zumeist aus Marokko, Algerien und Tunesien stammenden Attentäter waren bereits lange vor dem 11. März letzten Jahres der Polizei als islamische Fanatiker bekannt. Einige waren kleine stadtbekannte Kriminelle, die japanische Touristen ausraubten oder mit Haschisch handelten, andere hochintelligente Absolventen spanischer Universitäten oder scheinbar in ihre Wohnviertel integrierte Händler.
Dass diese Mischung aus krimineller Energie, Intelligenz und religiösem Fanatismus zum schlimmsten Anschlag im ohnehin schon terrorgeprüften Spanien führen konnte, dafür sorgten auch schwere Ermittlungspannen der Polizei im Vorfeld zum 11. März. Dies ist eine für viele Hinterbliebene und Schwerverletzte bittere Erkenntnis der Arbeit des Ausschusses. Selbst Konservative und Sozialisten streiten sich in diesem Punkt nicht. Martínez Pujalte:
" Ich erzähle Ihnen eine Anekdote: Einer der Marokkaner des Kommandos wurde, als er mit dem Auto das Dynamit aus dem nordspanischen Asturien in die Nähe von Madrid transportierte, von der Polizei angehalten, weil er zu schnell fuhr. Es schneite, er fuhr auf einer kleinen Landstraße, nicht auf der Autobahn. Das ist doch schon verdächtig, jemand, der mit hoher Geschwindigkeit auf einer verschneiten Landstraße fährt, und nicht auf der geräumten Autobahn in der Nähe. Der Marokkaner hatte keinen Führerschein dabei, und die Polizisten konnten den Wagen nicht überprüfen, weil die Funkverbindung unterbrochen war. Sonst hätten sie festgestellt, dass das Auto auch noch gestohlen war. Warum ließen sie ihn weiterfahren? Noch ein Punkt: Schon drei Wochen vorher warnte ein Informant die Polizei vor dem Dynamitschmuggel in Nordspanien. Niemand hörte auf ihn."
Da hatte die Polizei schon Jahre vor den Attentaten erste Hinweise auf ein völliges Chaos in der Kontrolle des Dynamits in Bergwerken Nordspaniens erhalten, aber nichts geschah. Ein Informant wies die Beamten schon vor Jahren darauf hin, dass er nach Dynamit für den Gebrauch in Rucksackbomben gefragt worden sei, wie sie auch am 11. März verwendet wurden. In ihrem Entsetzen über die Ermittlungspannen sind sich alle Abgeordnete einig.
Die einzigen Verantwortlichen für ein Attentat sind die Terroristen, sagen übereinstimmend alle Politiker. Aber die Volkspartei habe eine politische Verantwortung für die Defizite im Kampf gegen den islamistischen Terror, meinen heute alle Fraktionen mit Ausnahme der Volkspartei, die gegen eine solche Behauptung protestiert. Auch aus diesem Grund wird es nun zum Ende der Arbeit des Ausschusses kein gemeinsames Abschlussdokument aller Fraktionen geben. Antonio Hernando:
" Natürlich gibt es diese politische Verantwortung. Die verschiedenen Innenminister Spaniens haben ja auch immer wieder alles für den Kampf gegen die ETA getan. Die ETA hat in ihrer Geschichte immerhin fast 1.000 Menschen getötet. Unser Vorwurf an die Volkspartei ist: Im Vergleich zum hohen Aufwand, mit dem sie die ETA erfolgreich bekämpft hat, hat sie den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus völlig vernachlässigt. Sie hätte viel mehr Maßnahmen treffen müssen, und sie hat es nicht getan."
Der parteipolitische Charakter des Untersuchungsausschusses, in dem die Politiker das Sagen haben, macht die Wahrheitsfindung schwer. Die Spanier, und noch mehr die Hinterbliebenen und Überlebenden der Anschläge auf die Madrider Nahverkehrszüge, haben stellenweise den Eindruck, völlig unterschiedliche Versionen von den Hintergründen zu hören.
So werden die Sitzungen zwar live im Parlamentskanal per Satellit übertragen. Doch wer wirklich etwas über den 11. März erfahren will, schaut den Parlamentariern lieber nicht bei der Arbeit zu, sondern kauft sich ein Buch. José María Irujo, für die größte spanische Tageszeitung "El País" in der Abteilung "Investigativer Journalismus" tätig, hat zum Beispiel den Titel "El Agujero" herausgegeben, zu deutsch: "das Loch":
Mit diesem Titel beschreibt der Journalist die enorme Sicherheitslücke, die Spanien vor dem 11. März 2004 in Europas Kampf gegen muslimische Fundamentalisten darstellte. Schon vor mehr als zehn Jahren sei Spanien zur Plattform des islamistischen Terrorismus geworden, sagt Irujo. Aus Spanien seien Kämpfer zum Heiligen Krieg nach Afghanistan, Tschetschenien, Kaschmir, Bosnien und Indonesien geschickt worden. Bei sämtlichen Anschlägen des El-Kaida-Netzwerks der letzten Jahre habe es Verbindungen nach Spanien gegeben, erklärt Irujo:
" In Spanien, in Tarragona, fand das letzte Treffen der Attentäter vom 11. September 2001 vor ihrem Flug in die USA statt. Der spanische El Kaida Chef Abu Dadah hatte direkte Verbindungen zu den Attentätern auf das World Trade Center. Von Spanien aus wurde das Attentat vom 11. April 2002 auf die Synagoge von Djerba in Tunesien finanziert. Einige der Attentäter der Anschläge auf europäische Einrichtungen in Casablanca 2003 wohnten in Madrid. Und in Spanien verbuchte El Kaida mit den Anschlägen vom 11. März 2004 schließlich den ersten Erfolg in Europa."
Zu lange hätten die Verantwortlichen geglaubt, Spanien sei für muslimische Fundamentalisten zwar ein Rückzugsgebiet, aber kein Territorium, in dem Anschläge verübt werden könnten. Irujo ist in seiner Kritik an der bisherigen Bekämpfung des islamistischen Terrors in Spanien wesentlich deutlicher als der Untersuchungsausschuss. Die spanische Regierung habe viele Warnungen ignoriert, zuletzt die Attentate von Casablanca 2003.
Inzwischen hat Spanien seine Bemühungen im Kampf gegen den Terror erheblich verstärkt. Der Nationale Gerichtshof verhandelt derzeit gegen die spanische El-Kaida-Zelle wegen deren Mittäterschaft beim Anschlag auf das World Trade Center 2001. Nach den Sommerferien soll das Verfahren gegen die mutmaßlichen Täter vom 11. März eröffnet werden. Die Behörden verfügen nun über mehr Übersetzer, die auch die unterschiedlichen arabischen Dialekte verstehen. All dies gehört zu einem Maßnahmenkatalog, den der Untersuchungsausschuss schon zum Jahrestag der Anschläge am 11. März verabschiedet hatte, und in dem auch ein europäischer Sonderstaatsanwalt für Terrorismus-Strafsachen gefordert wird.
Damals stimmte die Volkspartei gegen die gemeinsamen Empfehlungen. Auch diesmal ist nicht mit einem Konsens aller Parteien für ein gemeinsames Abschlussdokument des Untersuchungsausschusses zu rechnen. Am 30. Juni wird die Volkspartei ihr eigenes Abschlussdokument ins Parlament einbringen, und die übrigen vertretenen Fraktionen ein alternatives.
Eine Frage bleibt jedoch unbeantwortet. Hätten die Anschläge verhindert werden können? Auf diese die Hinterbliebenen und Verletzten quälende Frage gibt der Untersuchungssausschuss keine Antwort. Journalist José María Irujo sagt dagegen:
" Der spanische Geheimdienst warnte die Regierung schon im Oktober 2003, der Algerier Allekema Lamari, einer der Chefs des für den 11. März verantwortlichen Kommandos, erzählte seinen Freunden, er bereite ein Selbstmordattentat vor. Man begann ihn wie wild zu suchen. Warum fand man ihn nicht? Weil unter den 300 Agenten beim Geheimdienst gerade einmal 30 mit dem islamistischen Terror beschäftigt waren. Sieben davon wurden 2003 in den Irak abgezogen, wo sie durch einen Anschlag umkamen. Die toten Agenten wurden ersetzt, da waren in Spanien nur noch 15 Geheimdienstmitarbeiter mit dem islamistischen Terror beschäftigt. Das ist lächerlich. Der spanische Geheimdienst hatte im ganzen Land 15 Agenten für die Bekämpfung des muslimischen Terrorismus. Natürlich hätte dieses Attentat verhindert werden können."
Clara Escríbano, 47 Jahre alt, von Beruf Krankenschwester. Am 11. März 2004 steigt sie morgens um halb acht im Madrider Stadtteil Santa Eugenia in einen Nahverkehrszug. Sie steht noch im Gang, als in ihrer unmittelbaren Nähe im Zug eine Bombe explodiert. Weitere Bomben explodieren an diesem Morgen auch in drei weiteren S-Bahnen. Insgesamt sterben 191 Menschen. Clara Escríbano zählt zu den 1500 Pendlern, die die Anschläge schwer verletzt überleben. Islamische Fanatiker bekennen sich wenig Tage später zu den Anschlägen.
Drei Wochen danach, am 3. April, macht die Polizei sieben mutmaßliche Attentäter in einer Wohnung in einem Madrider Vorort ausfindig. Als die radikalen Muslime ihren Häuserblock von der Polizei eingekreist sehen, sprengen sie sich selbst in die Luft. Dabei reißen sie einen Beamten einer Sondereingreiftruppe mit in den Tod.
Der Madrider Untersuchungsrichter Juan del Olmo ist mit der strafrechtlichen Aufarbeitung des Falls beschäftigt. Er hat im Zusammenhang mit den Anschlägen inzwischen mehr als hundert Haftbefehle gegen mutmaßliche Islamisten ausgestellt. 70 Personen konnten gefasst werden.
Seit einem Jahr tagt im spanischen Parlament, dem "Congreso de los Diputados", zudem ein Untersuchungsausschuss zum 11. März 2004, der am morgigen Mittwoch zum letzten Mal tagt. Eine Woche später dann, am 30. Juni, wird es eine große Parlamentsdebatte über die Schlussfolgerungen des Ausschusses geben - der allerdings von heftigen Parteiengezänk geprägt sein dürfte. Denn:
Für die damalige konservative spanische Regierung von José María Aznar stand sofort nach dem Attentat fest: Niemand anders als die baskische Terrorgruppe ETA könne die Bomben gelegt haben. Selbst als es erste Anzeichen für einen islamistischen Hintergrund gab, ließ die Regierung Aznar von ihrer These von einer Täterschaft der ETA nur zögerlich los. Zu zögerlich, fanden viele Spanier. Es kam zu Kundgebungen vor den Parteibüros des Partido Popular, der Volkspartei Aznars. Die Demonstranten riefen "wir wollen wissen, wer es war" und warfen der Regierung vor, mit dem Festhalten an der ETA-Theorie drei Tage nach den Attentaten die Parlamentswahlen noch gewinnen zu wollen.
Am 14. März schließlich verlor Aznar die Wahlen. Neuer spanischer Ministerpräsident ist seither der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero. Im Untersuchungsausschuss geht es den Konservativen jetzt vor allem darum, sich vom Vorwurf der gezielten Falschinformation zu entlasten. Ex-Regierungschef Aznar im Ausschuss:
" Die Parteien der Opposition und einige Medien, die für ihre wahnsinnige Wut gegen die Volkspartei berühmt sind, fabrizierten damals eine enorme Lüge über meine Regierung. Sie destabilisierten das Land und organisierten die Hetze gegen eine demokratische Partei, die damals noch für das Land verantwortlich war. Dies alles im schwierigsten Moment meiner Amtszeit, und wenige Stunden vor den Parlamentswahlen."
Der neue, sozialistische Regierungschef Zapatero zeigt sich während seiner fast 15-stündigen Aussage vor dem Ausschuss nicht weniger aggressiv. Er habe in den Unterlagen der Vorgängerregierung zu den Attentaten keine einzige Spur in Richtung ETA gefunden, erklärt Zapatero. Die Regierung Aznar habe die Bevölkerung massiv betrogen. Und ganz zum Schluss seiner 15-stündigen Aussage empfiehlt er den Konservativen:
" Sie sollten das Trauma vom Verlust der Parlamentswahlen endlich überwinden. Sie sollten die Erklärungen für den Wahlausgang nicht immer und immer wieder in den Attentaten suchen. Seit dem Wahltag, dem 14. März 2004, haben wir von ihnen keine einziges Eingeständnis eines Fehlers gehört. Solange Sie Ihre Fehler nicht eingestehen, werden Sie dieses Trauma nicht überwinden."
Diesen Schritt will die Volkspartei jedoch nicht machen. Fehler hat sie bis heute keine eingestanden, nicht in der Frage des Krisenmanagements während der Anschläge, nicht in ihrer Informationspolitik und auch nicht in der Bekämpfung des islamischen Terrorismus vor dem 11. März 2004. Dies machte José María Aznar ganz zum Schluss seiner Aussage noch einmal deutlich:
"Stellen Sie sich vor, nach zehn Stunden hier im Untersuchungsausschuss würde ich Ihnen die Freude machen, und morgen könnten die Zeitungen in großen Lettern drucken: "Aznar erkennt Fehler an!" Nach zehn Stunden hier im Ausschuss. Nein, diese Freude werde ich Ihnen nicht machen"
Diese vollkommen gegensätzliche Sicht auf die Attentate vom 11. März und den späteren Wahlausgang prägt auch die Schlussfolgerungen der beiden großen spanischen Parteien zum Untersuchungsausschuss. Das Abschlussdokument der sozialistischen Partei ist 486 Seiten stark. Darin heißt es, der Vorwurf an die ehemalige Regierung, die Bevölkerung gezielt falsch informiert zu haben, sei erwiesen. Der sozialistische Abgeordnete Antonio Hernándo sagt:
" Das ist ein wichtiger Bestandteil unserer Schlussfolgerungen: Der Beweis der Lüge. Die Lüge der Volkspartei vom 13. März, einen Tag vor den Wahlen: Um 14 Uhr erschien Ángel Acebes, der Innenminister der Aznar-Regierung, im Fernsehen und erklärte, die wichtigste Spur führe zur ETA. Dabei hatte ihm die Polizeiführung in einer Krisensitzung schon zwei Stunden zuvor angekündigt, dass es Festnahmen geben werde. Und dass mindestens einer dieser Verdächtigen bereits als islamischer Fundamentalist bekannt sei. Wenn der Minister also zwei Stunden später der Bevölkerung erklärt, die wichtigste Spur führe zur ETA, dann hat er gelogen. Denn er wusste längst, dass es Festnahmen aus dem Kreis muslimischer Fanatiker geben würde."
Die Konservativen sehen durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses dagegen den Vorwurf der gezielten Falschinformation entkräftet. Es sei sogar bewiesen worden, dass die Regierung zu jeder Zeit sofort alle Informationen korrekt weitergegeben habe, heißt es in den Schlussfolgerungen der Volkspartei. Für erwiesen halten die Konservativen dagegen die Vorwürfe an Sozialisten und an den privaten Radiosender "Cadena Ser", sie hätten der Regierung mit einer Verleumdungskampagne kurz vor dem Wahltag schaden zu wollen.
"Cadena Ser" gehört zu der den Sozialisten nahe stehenden Prisa-Gruppe und ist der meistgehörte Radiosender Spaniens. Er verfügt über gute Quellen bei Polizei und Geheimdiensten und berichtete in den Tagen zwischen den Attentaten und den Wahlen meist wesentlich aktueller über die Ermittlungen als der zuständige Innenminister. Allerdings machte der Sender auch zwei Fehler, in denen die Konservativen einen Beweis für die Verleumdungskampagne gegen die Regierung sehen. Vicente Martínez Pujalte, Sprecher der Volkspartei im Untersuchungsausschuss:
" Dieser Sender hat zwischen dem 11. und 14. März Falschinformationen verbreitet. Er berichtete, es seien Selbstmordattentäter in den Zügen gewesen. Das hat sich als falsch herausgestellt. Dann sagten sie, die Regierung habe von dem Bekennervideo bereits am Samstagmorgen gewusst, während die Polizei später herausgefunden hat, dass es erst am Abend aufgenommen wurde.(...) Am Tag vor den Wahlen darf in Spanien kein Wahlkampf mehr gemacht werden. Der Radiosender Ser hat dennoch für die Demonstrationen vor unseren Parteibüros geworben. Während die Volkspartei ihrer Verantwortung nachgekommen ist, haben die Sozialisten aus den Attentaten politisches Kapital für die Parlamentswahlen geschlagen."
Die Frage, wer wen, wann und mit welchem Ziel in den drei Tagen zwischen den Attentaten wissentlich falsch informiert hat, füllt in den Abschlussdokumenten der Parteien zur Untersuchungskommission viele Seiten. Die Spanier interessiert dieser Streit dagegen immer weniger.
Die Volkspartei sucht dennoch auch heute noch Verbindungen zwischen den islamistischen Attentätern und der ETA. So erklärt der PP-Abgeordnete Martínez Pujalte, immerhin habe die ETA im gleichen nordspanischen Dorf einen Lieferwagen gestohlen, in dem auch der Sprengstoffhändler gelebt habe, der das Dynamit für den 11. März besorgt habe. Bei inhaftierten islamistischen Terroristen seien Telefonnummern von ETA-Gefangenen gefunden worden. Die Konservativen werfen den Sozialisten vor, diese Punkte nicht untersuchen zu wollen:
" Es glaubt doch niemand, dass aus sieben muslimischen Kleindealern plötzlich gefährliche Terroristen werden. Und diese Kleinkriminelle mit einer professionellen Logistik und Technik ein Attentat in Madrid ausüben. Wer befahl diesem Schläferkommando, aktiv zu werden? Das weiß niemand, aber es wird auch nicht untersucht. Der Untersuchungsrichter ermittelt nur, wer die Bomben gelegt hat. Aber die Regierung muss untersuchen, wer am Kopf dieser Organisation steht. Und meiner Meinung nach untersucht das derzeitige Innenministerium nicht, wer in dieser Hierarchie an der Spitze steht."
Der Untersuchungsausschuss habe zwar keine Beweise für eine Täterschaft der ETA finden können, sagt Pujalte. Der Ausschuss habe jedoch eine Verbindung der Attentäter zur ETA auch nicht vollkommen ausschließen können, so der Abgeordnete. Mit der ETA-Theorie steht die Volkspartei jedoch recht einsam da. Die Mehrheit im Untersuchungsausschuss meint, die Volkspartei versuche Verschwörungstheorien zu schüren.
Der aktuelle spanische Innenminister José Antonio Alonso erklärte in seiner Aussage, es gebe nicht das kleinste Indiz für Verbindungen zwischen islamistischen Radikalen und der ETA. Der ehemalige Richter sagte zudem, in einem demokratischen Rechtsstaat sei es auch nicht die Aufgabe des Innenministers, Ermittlungen anzustoßen oder zu bremsen. Dafür sei der Untersuchungsrichter zuständig, der sich nur an Beweisen und Indizien, aber nicht an politischen Motiven orientieren dürfe.
Untersuchungsrichter Juan del Olmo brachte für seine Aussage 35 Bände aus seinen Ermittlungsakten mit ins Parlament. Daraus geht für die große Mehrheit des Untersuchungsausschusses hervor: Die Täter der Anschläge vom 11. März sind islamische Terroristen. Verbindungen zur ETA gibt es keine. Fast alle der zumeist aus Marokko, Algerien und Tunesien stammenden Attentäter waren bereits lange vor dem 11. März letzten Jahres der Polizei als islamische Fanatiker bekannt. Einige waren kleine stadtbekannte Kriminelle, die japanische Touristen ausraubten oder mit Haschisch handelten, andere hochintelligente Absolventen spanischer Universitäten oder scheinbar in ihre Wohnviertel integrierte Händler.
Dass diese Mischung aus krimineller Energie, Intelligenz und religiösem Fanatismus zum schlimmsten Anschlag im ohnehin schon terrorgeprüften Spanien führen konnte, dafür sorgten auch schwere Ermittlungspannen der Polizei im Vorfeld zum 11. März. Dies ist eine für viele Hinterbliebene und Schwerverletzte bittere Erkenntnis der Arbeit des Ausschusses. Selbst Konservative und Sozialisten streiten sich in diesem Punkt nicht. Martínez Pujalte:
" Ich erzähle Ihnen eine Anekdote: Einer der Marokkaner des Kommandos wurde, als er mit dem Auto das Dynamit aus dem nordspanischen Asturien in die Nähe von Madrid transportierte, von der Polizei angehalten, weil er zu schnell fuhr. Es schneite, er fuhr auf einer kleinen Landstraße, nicht auf der Autobahn. Das ist doch schon verdächtig, jemand, der mit hoher Geschwindigkeit auf einer verschneiten Landstraße fährt, und nicht auf der geräumten Autobahn in der Nähe. Der Marokkaner hatte keinen Führerschein dabei, und die Polizisten konnten den Wagen nicht überprüfen, weil die Funkverbindung unterbrochen war. Sonst hätten sie festgestellt, dass das Auto auch noch gestohlen war. Warum ließen sie ihn weiterfahren? Noch ein Punkt: Schon drei Wochen vorher warnte ein Informant die Polizei vor dem Dynamitschmuggel in Nordspanien. Niemand hörte auf ihn."
Da hatte die Polizei schon Jahre vor den Attentaten erste Hinweise auf ein völliges Chaos in der Kontrolle des Dynamits in Bergwerken Nordspaniens erhalten, aber nichts geschah. Ein Informant wies die Beamten schon vor Jahren darauf hin, dass er nach Dynamit für den Gebrauch in Rucksackbomben gefragt worden sei, wie sie auch am 11. März verwendet wurden. In ihrem Entsetzen über die Ermittlungspannen sind sich alle Abgeordnete einig.
Die einzigen Verantwortlichen für ein Attentat sind die Terroristen, sagen übereinstimmend alle Politiker. Aber die Volkspartei habe eine politische Verantwortung für die Defizite im Kampf gegen den islamistischen Terror, meinen heute alle Fraktionen mit Ausnahme der Volkspartei, die gegen eine solche Behauptung protestiert. Auch aus diesem Grund wird es nun zum Ende der Arbeit des Ausschusses kein gemeinsames Abschlussdokument aller Fraktionen geben. Antonio Hernando:
" Natürlich gibt es diese politische Verantwortung. Die verschiedenen Innenminister Spaniens haben ja auch immer wieder alles für den Kampf gegen die ETA getan. Die ETA hat in ihrer Geschichte immerhin fast 1.000 Menschen getötet. Unser Vorwurf an die Volkspartei ist: Im Vergleich zum hohen Aufwand, mit dem sie die ETA erfolgreich bekämpft hat, hat sie den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus völlig vernachlässigt. Sie hätte viel mehr Maßnahmen treffen müssen, und sie hat es nicht getan."
Der parteipolitische Charakter des Untersuchungsausschusses, in dem die Politiker das Sagen haben, macht die Wahrheitsfindung schwer. Die Spanier, und noch mehr die Hinterbliebenen und Überlebenden der Anschläge auf die Madrider Nahverkehrszüge, haben stellenweise den Eindruck, völlig unterschiedliche Versionen von den Hintergründen zu hören.
So werden die Sitzungen zwar live im Parlamentskanal per Satellit übertragen. Doch wer wirklich etwas über den 11. März erfahren will, schaut den Parlamentariern lieber nicht bei der Arbeit zu, sondern kauft sich ein Buch. José María Irujo, für die größte spanische Tageszeitung "El País" in der Abteilung "Investigativer Journalismus" tätig, hat zum Beispiel den Titel "El Agujero" herausgegeben, zu deutsch: "das Loch":
Mit diesem Titel beschreibt der Journalist die enorme Sicherheitslücke, die Spanien vor dem 11. März 2004 in Europas Kampf gegen muslimische Fundamentalisten darstellte. Schon vor mehr als zehn Jahren sei Spanien zur Plattform des islamistischen Terrorismus geworden, sagt Irujo. Aus Spanien seien Kämpfer zum Heiligen Krieg nach Afghanistan, Tschetschenien, Kaschmir, Bosnien und Indonesien geschickt worden. Bei sämtlichen Anschlägen des El-Kaida-Netzwerks der letzten Jahre habe es Verbindungen nach Spanien gegeben, erklärt Irujo:
" In Spanien, in Tarragona, fand das letzte Treffen der Attentäter vom 11. September 2001 vor ihrem Flug in die USA statt. Der spanische El Kaida Chef Abu Dadah hatte direkte Verbindungen zu den Attentätern auf das World Trade Center. Von Spanien aus wurde das Attentat vom 11. April 2002 auf die Synagoge von Djerba in Tunesien finanziert. Einige der Attentäter der Anschläge auf europäische Einrichtungen in Casablanca 2003 wohnten in Madrid. Und in Spanien verbuchte El Kaida mit den Anschlägen vom 11. März 2004 schließlich den ersten Erfolg in Europa."
Zu lange hätten die Verantwortlichen geglaubt, Spanien sei für muslimische Fundamentalisten zwar ein Rückzugsgebiet, aber kein Territorium, in dem Anschläge verübt werden könnten. Irujo ist in seiner Kritik an der bisherigen Bekämpfung des islamistischen Terrors in Spanien wesentlich deutlicher als der Untersuchungsausschuss. Die spanische Regierung habe viele Warnungen ignoriert, zuletzt die Attentate von Casablanca 2003.
Inzwischen hat Spanien seine Bemühungen im Kampf gegen den Terror erheblich verstärkt. Der Nationale Gerichtshof verhandelt derzeit gegen die spanische El-Kaida-Zelle wegen deren Mittäterschaft beim Anschlag auf das World Trade Center 2001. Nach den Sommerferien soll das Verfahren gegen die mutmaßlichen Täter vom 11. März eröffnet werden. Die Behörden verfügen nun über mehr Übersetzer, die auch die unterschiedlichen arabischen Dialekte verstehen. All dies gehört zu einem Maßnahmenkatalog, den der Untersuchungsausschuss schon zum Jahrestag der Anschläge am 11. März verabschiedet hatte, und in dem auch ein europäischer Sonderstaatsanwalt für Terrorismus-Strafsachen gefordert wird.
Damals stimmte die Volkspartei gegen die gemeinsamen Empfehlungen. Auch diesmal ist nicht mit einem Konsens aller Parteien für ein gemeinsames Abschlussdokument des Untersuchungsausschusses zu rechnen. Am 30. Juni wird die Volkspartei ihr eigenes Abschlussdokument ins Parlament einbringen, und die übrigen vertretenen Fraktionen ein alternatives.
Eine Frage bleibt jedoch unbeantwortet. Hätten die Anschläge verhindert werden können? Auf diese die Hinterbliebenen und Verletzten quälende Frage gibt der Untersuchungssausschuss keine Antwort. Journalist José María Irujo sagt dagegen:
" Der spanische Geheimdienst warnte die Regierung schon im Oktober 2003, der Algerier Allekema Lamari, einer der Chefs des für den 11. März verantwortlichen Kommandos, erzählte seinen Freunden, er bereite ein Selbstmordattentat vor. Man begann ihn wie wild zu suchen. Warum fand man ihn nicht? Weil unter den 300 Agenten beim Geheimdienst gerade einmal 30 mit dem islamistischen Terror beschäftigt waren. Sieben davon wurden 2003 in den Irak abgezogen, wo sie durch einen Anschlag umkamen. Die toten Agenten wurden ersetzt, da waren in Spanien nur noch 15 Geheimdienstmitarbeiter mit dem islamistischen Terror beschäftigt. Das ist lächerlich. Der spanische Geheimdienst hatte im ganzen Land 15 Agenten für die Bekämpfung des muslimischen Terrorismus. Natürlich hätte dieses Attentat verhindert werden können."