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Im Reich der großen Firewall

Unternehmen.- Google und Yahoo mussten sich unlängst massiven internationalen Vorwürfen stellen – unter anderem deshalb, weil sie sich allzu sehr der chinesischen Zensur beugten. Nun ziehen sich beide aus China zurück – mit unterschiedlichen Strategien.

Von Klaus Herbst |
    "Wir bei Yahoo haben entschieden, dass wir im Chinamarkt nicht alleine auftreten wollen. Also sind wir mit Alibaba.cn, einer recht starken chinesischen Firma, eine Partnerschaft eingegangen. Yahoo China wird von Alibaba vertreten, wir besitzen nur eine 39-Prozent- Beteiligung. Außerdem erforschen und entwickeln Ingenieure und Forscher unabhängig vom lokalen chinesischen Markt globale Produkte",

    sagt Prabhakar Raghavan von der Stanford University. Der Computerwissenschaftler leitet Yahoo Labs. Das US-Unternehmen erreicht nur einen minimalen Marktanteil von wenigen Prozent. Google ist mit 25 Prozent wesentlich stärker. Außerdem agiert es aus der Sonderwirtschaftszone Hongkong heraus, wo andere Gesetze herrschen. Hier stehen die Strafverfolger nicht ständig vor der Haustür. Hal Roberts ist Experte für Internet-Filterung und -Überwachung am Berkman Center for Internet & Society in Harvard:

    "Nachdem Google ein Jahr mitgemacht hatte, wollte es die Sperrlisten und Drohungen nicht mehr länger akzeptieren. Auf dem Festland ist nur noch eine einzige Webseite aktiv, die an Google-Hongkong weiterleitet. Das Suchmaschinen-Unternehmen braucht selbst nicht mehr zu zensieren. Für die Nutzer ist es zwar etwas unkomfortabel, der Volksrepublik wird es nicht gefährlich. Dem Internetunternehmen bleiben aufreibende Kleinkriege sozusagen auf Pixelebene erspart. Die Dissidentenbewegung Falun Gong beispielsweise konnte man auf dem alten Google China nicht finden. Wer heute über Hongkong 'Falun Gong' eingibt, kommt auf deren Webseite. Auf die Seite der Dissidentenorganisation reagiert die Regierung sehr empfindlich, sie ist nicht zu finden, sie wird blockiert."
    In China sei der Suchriese jedoch nie ernsthaft unter Druck geraten. Google haben die Behörden in Ruhe gelassen, auch wenn dies die Mitarbeiter des Unternehmens selbst schwer überrascht habe, sagt der US-Experte. Die Zensuraktivitäten im Land der Mitte wirkten alles andere als perfekt. Zurzeit herrsche Chaos. Stunden, Tage dauert es, bis kritische Webseiten gesperrt werden. In China zensiere Big Brother noch von Hand und oft chaotisch. Nur der Behördenschlamperei sei zu verdanken, dass manche missliebige Webseite noch nicht verfolgt wurde, meint Hal Roberts:

    "Der Begriff 'Große Firewall' suggeriert eine hoch effiziente Blockade-Maschinerie. Tatsächlich ist alles überraschend ineffizient. Oft werden belanglos wirkende Webseiten zensiert, einige kritische Seiten bleiben – erfreulicherweise - jahrelang offen, andere sind in Minuten verschwunden; rationale Kriterien dafür sind nicht erkennbar. Höchstwahrscheinlich agieren viele verschiedene Menschen an verschiedenen Orten diverser Institutionen und entscheiden über Sperrmechanismen eher unkoordiniert. Es wirkt wie ein vollkommen chaotisches Vorgehen mit viel subjektivem Entscheidungsspielraum und hoher Variabilität."

    Automatisierung komme zur Suchkontrolle und Zensur kaum zur Anwendung, oft wirke die Zensur dilettantisch. Beim Keyword Blocking, dem Blockieren von Suchbegriffen, werde ein bestimmter Mechanismus im TCP/IP-Protokoll verwendet. Aber zum Filtern ist er weder gedacht noch geeignet, die Bandbreite ließe sich mit ihm regeln. Eine kritische Suchanfrage führe sofort zum minutenlangen Ausfall der verwendeten Suchmaschine, so dass die Zensur den Zensierten auffalle. Offenbar ist dies den Behörden selbst peinlich. Wohl deshalb setze die überforderte chinesische Administration nun auf einheimische Internetunternehmen, zum Beispiel auf den mit 70 Prozent Marktanteil populärsten Suchmaschinen-Marktführer baidu.cn. Den neuen mobilen Technologien sei es zu verdanken, dass Beobachter nicht mit weiterer Verschärfung rechnen, sondern auf mehr Liberalisierung hoffen dürfen.

    "Viel interessanter als etwa der Kauf von Alibaba durch Yahoo sind die gemeinsamen Aktivitäten des großen Internet- und Mobilfunk-Providers Chinamobile und der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Beide haben erklärt, gemeinsam zusammen mit einem halben Dutzend Besitzern eine neue Suchmaschine zu starten, erklärtermaßen auch, um bisher regulierte Inhalte darzustellen. Das ist hoch interessant. Hier wird zumindest der Anschein erweckt, es könne zu mehr Freiheiten kommen. Wir werten es als interessanten Trend."