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Im Schatten des NSA-Skandals

Waren und Dienstleistungen im Wert von 830 Milliarden Euro werden jährlich zwischen den USA und der EU gehandelt - und kräftig mit Zöllen belegt. Das soll sich ändern: Die Verhandlungen über eine Freihandelszone haben begonnen und könnten sich jahrelang hinziehen.

Von Brigitte Scholtes | 08.07.2013
    Die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen haben begonnen - trotz der Spionageaffäre. Deshalb die Gespräche nicht aufzunehmen, das war für Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Option:

    "Und gerade jetzt, wo wir miteinander zu sprechen haben über Datenschutzfragen, sollten wir doch nicht Verhandlungen über Freihandel aufgeben. Nein, wir sollten sie ganz gezielt führen, ohne das andere unter den Tisch zu kehren."

    Es geht um viel: Waren und Dienstleistungen im Wert von 830 Milliarden Euro werden jetzt schon pro Jahr gehandelt. Wenn man in den Verhandlungen den Wegfall der Zölle erreichen könnte, dann könnte das allein den Handel schon beleben. Auf Industriegüter werden derzeit im Schnitt 3,5 Prozent Zoll erhoben, bei einzelnen Produkten erheblich mehr. Die höchsten Zölle aber sind auf Nahrungsmittel fällig, auf Milchprodukte aus der EU etwa erheben die Amerikaner einen Zoll von 139 Prozent. Aber auch die EU lässt sich nicht lumpen und verlangt auf einzelne Nahrungsmittel zweistellige Zölle. Allein durch deren Wegfall könnten also viele Produkte deutlich preiswerter angeboten werden. Wenn dann noch Regulierungsvorschriften angeglichen würden, dann könnte das dem transatlantischen Handel einen ordentlichen Schub geben, hofft Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz:

    "Die Ziele sind ambitioniert. Ich hoffe, dass man auch mit entsprechender Verve an die Sache herangeht. Es wäre sehr gut, wenn wir weiterkämen. Es wäre ein Programm für Wachstum und Beschäftigung auf beiden Seiten des Atlantiks."

    Fuest: Verhandlungen sind politisches Signal der USA
    Der deutsche Außenhandel setzt jedenfalls große Hoffnungen auf die Verhandlungen. Ein solches Abkommen könnte ein gewaltiges Konjunkturprogramm für die Europäische Union werden, sagt Anton Börner, Präsident des Branchenverbands BGA. Etwas weniger enthusiastisch ist da Clemens Fuest, Präsident des ZEW, des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Er sieht die Verhandlungen vor allem als politisches Signal der USA, die damit die Bedeutung Europas als Wirtschaftsfaktor anerkennen und sich nicht vollständig dem pazifischen Raum zuwenden wollten:

    "Ob dann wirklich der Freihandel zunimmt, ist eine schwierigere Frage, weil ja durch solche Freihandelsabkommen sich immer auch die Frage stellt, was ist denn jetzt mit solchen Ländern, die nicht im Abkommen sind, zum Beispiel China. Man wird also beachten müssen, dass der sonstige Handel dadurch nicht geschädigt wird, also regionale Freihandelsabkommen oder Freihandelsabkommen, die nur in einem Teil der Welt abgeschlossen werden, führen nicht notwendigerweise zu effizienterem Handeln, sondern da kann es auch Handelsumlenkungseffekte geben."

    Doch bis ein solches Abkommen ausgehandelt soweit ist, können Jahre vergehen: Bis auf Kulturfragen können alle Themen auf den Tisch kommen. Doch will die EU-Kommission verhindern, dass Standards etwa im Umwelt- und Verbraucherschutz gesenkt werden. Das betrifft etwa die Einfuhr von Geflügel, das in den USA mit Chlor behandelt werden darf, in der EU aber nicht. Die Amerikaner wiederum dürften versuchen, die Anreize zum Kauf heimischer Produkte zu bewahren. Wirtschaftlich profitieren dürften beide Seiten von einem solchen Abkommen. Einzelne Studien sehen aber die USA etwas im Vorteil.


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