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Im Schatten des Türkei-Referendums
"Dieses Jahr ist das Newroz-Fest besonders politisch geladen"

Die Kurden feiern heute ihr Neujahrsfest Newroz in einer aufgeheizten Stimmung. Zehntausende Kurden hatten am Wochenende in Deutschland gegen die Referendumspläne des türkischen Präsidenten protestiert. Ankara verurteilte prompt die Genehmigung der Demos. Etliche Kurden hatten Fahnen mit dem Bild des Führers der verbotenen Arbeiterpartei PKK gezeigt.

Von Kemal Hür |
    Kurdische Demonstranten gehen während einer Kundgebung zum kurdischen Frühjahrsfest Newroz am 18.03.2017 in Frankfurt am Main mit Plakaten mit der Aufschrift «Nein zur Diktatur» durch die Innenstadt. Unter dem Motto «Nein zur Diktatur - Ja zu Demokratie und Freiheit» demonstrieren Kurden aus ganz Deutschland in Frankfurt.
    Demonstrationen zum kurdischen Frühjahrsfest Newroz am 18.03.2017 in Frankfurt am Main. (Boris Roessler/dpa )
    "Wir sagen Ja zur Demokratie. Jin, Jiyan, Azadi…"
    Aus dem Lautsprecherwagen ruft eine Frau auf Kurdisch ins Mikrofon: "Frauen, Leben, Freiheit" – ein Spruch, den kurdische Frauen auf Demonstrationen immer skandieren. Etwa 200 Personen, die meisten von ihnen Frauen in kurdischen rot-gelb-grünen Trachten, marschieren auf dem Berliner Kurfürstendamm. Organisiert wurde die Demonstration vom kurdischen Elternverein Yekmal. Günay Darıcı ist die Geschäftsführerin. Sie trägt ein langes braunes Kleid mit Blumenmustern:
    "Wir möchten uns hier in der Gesellschaft mehr sichtbar machen. Und Sie können uns auch kennenlernen. Newroz ist für Freiheit, für Toleranz, für das Zusammenleben ein guter Griff."
    Der Tyrann wird mit dem Schwert erschlagen
    Die Demonstration ist der Auftakt einer kurdischen Kulturwoche mit Lesungen, Vorträgen und Filmvorführungen. Das Newrozfest geht auf eine mythologische Erzählung zurück. Die Legende sagt: Vor über 2600 wurde das kurdische Volk von einem Tyrannen unterdrückt. Nach langen Jahren traurigen Leidens organisiert ein Schmied Namens Kawa das Volk gegen den Tyrannen und erschlägt ihn mit einem Schwert. Um die Nachricht von der Befreiung kundzutun, zündet er auf einem Berg ein großes Feuer an. Das Feuer wird fortan zum Symbol der Befreiung. Jedes Jahr zünden die Kurden in der Nacht vom 20. auf den 21. März Feuer an, tanzen im Kreis und springen über die Flammen.
    Songül Karabulut vom Kurdistan Nationalkongress, einem Zusammenschluss von kurdischen Parteien und Verbänden, meint, auch heute würde das kurdische Volk im Nahen Osten gegen Tyrannen kämpfen:
    "Wir haben auch gegenwärtig Tyrannen in Form von dschihadistischen Terrorgruppen oder von Diktatoren wie Erdoğan, die dort versuchen, Unheil zu treiben. Und heute ist es wieder das kurdische Volk, das einen heldenhaften Widerstand leistet und einen hohen Preis dafür zahlt, um die Menschheit vor einer Finsternis zu bewahren."
    "Als Staatspräsident müsste man ganz genau aufpassen, was man sagt"
    Karabulut spricht den so genannten "Islamischen Staat" an, gegen den verschiedene kurdische Gruppen im Irak und in Syrien kämpfen. Im Irak sind es die Peschmerga, in Syrien vor allem Einheiten, die der PKK nahe stehen. Auch unter den Demonstranten auf dem Berliner Kudamm gibt es viele Anhänger der PKK, die immer wieder auf Kurdisch "Freiheit für Öcalan" skandieren. Sie schwenken dabei rot-gelb-grüne kurdische und zwei nicht verbotene Fahnen mit dem Konterfei des PKK-Führers.
    Die Organisatorin der Demonstration, Günay Darıcı, beobachtet eine starke Spaltung innerhalb der türkischstämmigen Gesellschaft. Erdoğan treibe aber auch einen Keil zwischen die Menschen aus der Türkei und die Deutschen, wenn er der deutschen Politik Nazi-Methoden vorwerfe, sagt Darıcı:
    "Die Äußerungen von Erdoğan finden hier konkret eine Umsetzung. Sie richten sich gegen die deutsche Gesellschaft genauso wie gegen die kurdische Community. Wenn man etwas vernünftiger wäre als Staatspräsident, müsste man ganz genau aufpassen, was man sagt."
    Newroz als Anlass zum Protest gegen Diktatur
    Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, appelliert an die Kurden, sich in dieser aufgeladenen Stimmung nicht von Erdoğan provozieren zu lassen.
    "Dieses Jahr ist Newroz ganz besonders politisch aufgeladen durch die Situation in der Türkei. Die Kurden werden die Newroz-Feierlichkeiten zum Anlass nehmen, um gegen die Einführung der Diktatur in der Türkei zu protestieren. Das müssen wir allerdings mit demokratischen und friedlichen Mitteln kundtun, damit wir weiterhin die Solidarität der deutschen Öffentlichkeit auf unserer Seite haben."
    "Die Farben. Ist nur ein Symbol für Freiheit und Frieden."
    Wie am Wochenende während der Demonstration mit 30.000 Kurden in Frankfurt, bleibt es auch auf der kleinen Berliner Newroz-Demo friedlich. Nach dem Marsch im westlichen Stadtzentrum fahren die Teilnehmer nach Kreuzberg und zünden auf einer Grünanlage ein symbolisches Newroz-Feuer an. Junge Frauen und Männer halten sich an den Händen, schwenken Fahnen und tanzen um das Feuer herum den kurdischen Reigen Govend.
    "Das letzte Mal, als ich so richtig Newroz erlebt habe, war es in Syrien, Rojava, Efrin, 2011. Das war auch ein bisschen Feuer, bisschen Demo. Und wir haben viel getanzt. Ich will sowas auch in Deutschland haben, in Europa eigentlich."
    "Wir starten den Frühling jetzt. Mit den Farben auch, weil alle Blüten und Bäume ihre Blätter rausgeben, die Farben. Ist nur ein Symbol für Freiheit und Frieden."