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Im Schlamm wühlen

Sommer, Sonne, Meer – da denkt man eher an Strand und Ausspannen und nicht unbedingt an Schlick, rostige Eimer und Ziegelsteine. Doch gerade das hat Jochen Martin zur Zeit im Greifswalder Bodden. Der Student aus Berlin ist Forschungstaucher und gehört zu einem Team von Unterwasserarchäologen, die gerade ein Schiffswrack bergen.

Von Eva Firzlaff |
    Nahezu einhundert Jahre ist es her, dass der Haffkahn von Paul Stegemann im Greifswalder Bodden gesunken ist, vollgeladen mit Tonziegeln, mitten in der jetzigen Fahrrinne. Diese soll ausgebaggert werden und vorher läßt das Landesamt für Bodendenkmalspflege Mecklenburg-Vorpommern Teile des Wracks bergen.
    Für einige Wochen ist die "Seefuchs" deshalb das Zuhause von Jochen Martin. Die "Seefuchs" ist ein ausgedienter Fischfänger, umgebaut für solche Expeditionen.

    " Ich wollte schon immer tauchen, ich wollte schon immer an die Küste in den Bereich Meeresforschung. Studiere Geografie, Geologie und Ökologie. Dachte ich: Machst die Forschungstaucherausbildung. Dann hat man mit dieser Ausbildung die Möglichkeit, unter Wasser zu arbeiten. Man kann mit den Biologen zusammen arbeiten, man kann für die Archäologen tauchen, für die Geologen. "

    Für die zweimonatige Ausbildung an der Uni Rostock hat er mit Eignungsuntersuchung und Prüfung über 1.000 Euro bezahlt. In seiner Ausrüstung steckt noch viel mehr hart erarbeitetes Geld.

    "Früher gab es mehrere schwere Unfälle, und deshalb hat die Versicherung die Forschungstaucherausbildung ins Leben gerufen, wo man halt lernt, unter Wasser zu arbeiten, hämmern, sägen, die ganzen Knotenübungen. "

    Das Wrack liegt in 6 m Tiefe. In einem Taucherparadies hat man da noch beste Sicht, nicht aber im Greifswalder Bodden.

    " Stockduster, schlickig und schlammig. Und sobald du irgendwas berührst, anfasst, auf den Grund sinkst, hast du nur noch schwarze Wolken um dich herum. "

    "Wie findet man denn dort was am Wrack? "

    "Man sagt ja auch: die Hände sind die Augen des Tauchers. Und das ist halt das brisante. Sporttaucher würden da nie ins Wasser gehen, denn man sieht ja keine bunten Fische, kein Korallenriff. Dann hast du überall Stahlteile, die aus dem Schiff raus ragen, musst halt tierisch aufpassen. Deswegen bist Du angeleint, hast eine Signalleine. Deswegen hat man auch eine Vollgesichtsmaske. Sporttaucher haben einen Atemregler und eine Maske. Und wenn du irgendwo hängen bleibst, reißt der Regler raus. Ist ein Grund, warum wir – vorgeschrieben – mit einer Vollgesichtsmaske tauchen müssen."

    Was sich interessant anfühlt, kommt in ein Netz. Erst oben an Bord sieht der Taucher, was er gefunden hat.

    "Wir haben das Achterschiff, also den Heckbereich abgesaugt und frei gebuddelt, wo der Wohnraum war. Dort haben wir Schuhe gefunden, Besteck, Geschirr. Die Schuhe waren super erhalten. Stühle, Tisch, die Ankerwinde. Dann sind wir gerade am Vorschiff, dort haben wir Werkzeuge gefunden, Ketten, Hammer ... und halt massenweise Ziegel."

    Übermorgen kommt das Baggerschiff und räumt die Reste aus der Fahrrinne.
    Die Forschungstaucher gehen wieder an Land. Im Gegensatz zu Berufstauchern besteht ihr Job eben nicht nur aus Tauchen.

    " Sind Biologen, Meeresbiologen, Archäologen, Geologen, Unterwasserkameraleute, dort ist es auch vorgeschrieben. "

    In Rostock werden jährlich nur 12 Forschungstaucher ausgebildet. In Hamburg sind es auch nicht viel mehr. Und man muss entweder von der Arbeitsstelle oder der Universität delegiert werden. Nur, wer z.B. Meeresbiologie studiert, der kann von sich aus kommen. Jochen Martin will mit seiner Zusatzqualifikation den Einstieg schaffen in die Meeresforschung. Aber auch bei Behörden und Landesämtern gibt es Arbeitsmöglichkeiten für tauchende Wissenschaftler. Und je nach Arbeitsgebiet erstrecken sich die Fahrten auf ein paar Tage oder Monate.

    Zum Ende des Einsatzes auf dem Greifswalder Bodden erkundet Ole Schmidt, Kapitän der "Seefuchs", noch ein nächstes Wrack. Er kennt die Koordinaten, weiß, da liegt was, weiß aber nicht was.

    " Ich versuche jetzt hier mithilfe des GPS, die Wrackposition anzufahren, und dann mit unserem Sediment-Sonar eine Aufnahme zu nehmen, also einen Schnitt zu fahren. Man kann also erste Anhaltspunkte finden über diese Sonaraufnahmen. Dann wird eine Markierungsboje gesetzt, Schiff wird vor Anker gelegt in der Nähe, und dann gehen wir runter und gucken uns das Ganze an. "

    Jochen und ein Taucher-Kollege zwängen sich in ihre schwarzen Anzüge, legen Zentnerschwere Ausrüstung an und steigen über die Bordwand.