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Im Wald

Das Buch "Im Wald" ist für den Leser eine kleine Schatztruhe, in der er Altbekanntes wiederfindet oder ihm Unbekanntes entdeckt. Wussten Sie, dass eine hundertjährige Buche jeden Tag bis zu 400 Liter Wasser verdunstet? Und dass diese seltsamen, geritzten Ringe, die sich im Bergwald hoch oben an manchen Föhren oder Fichten finden, vom Dreizehenspecht stammen?

Rezension: Dagmar Röhrlich | 26.06.2011
    Die Ringe entstehen, weil der Vogel waagerechte Löcherlinien in Rinde und Holz hämmert, um an den Baumsaft zu gelangen, der im Frühjahr besonders reichlich von den Wurzeln in die Baumkrone steigt. Nach dem harten Winter und vor dem nicht minder harten Brutgeschäft kann der Vogel jede Kalorie gut brauchen. Nicht jedermann bekannt dürfte auch sein, dass bei den Käuzchen auch die Weibchen singen, am intensivsten vor der Ei-Ablage. Oder dass im Winter - von uns meist unbemerkt - Millionen von Schneeflöhen auf Wanderschaft gehen. Wer sich nicht suchend umsieht und genau hinschaut, nimmt davon höchstens den terpentinähnlichen Geruch wahr. Die oft meterlange Straße, in der die zu den Springschwänzen gehörenden Tiere ziehen, wird leicht übersehen.

    Vieles, was früher zum Allgemeinwissen gehörte, ist inzwischen verloren gegangen. Deshalb haben sich die beiden Biologen Andreas Jaun und Sabine Joss vorgenommen, selbst eingefleischten Städtern den Lebensraum Wald nahe zu bringen. Und weil im frühen 21. Jahrhundert Internet und Smartphones zentrale Kommunikationsmittel sind, gibt es zu dem Buch auch eine Internetseite und bald auch eine App. Das Projekt steht für mehr als für einen klassischen Naturführer: Es geht nicht um die umfassende bildliche Präsentation von diversen Pilzen oder Vögeln, sondern es dreht sich darum, die Zusammenhänge aufzuzeigen, einen ganzen Lebensraum zu erklären. Dank der kleinen Experimente und der Beobachtungstipps ist es außerdem ein ideales "Familienbuch", mit dem Eltern bei ihren von Spaziergängen meist wenig begeisterten Kindern Begeisterung für den Wald wecken können.

    Konsequent verlinken die beiden Autoren das klassische Buch mit dem Internet, wo es Filme gibt, Tonaufnahmen, Fotos und noch mehr Geschichten. Zwar ist das Film- und Tonmaterial derzeit etwas wechselnd in der Qualität, aber daran lässt sich ja etwas ändern. Die Verknüpfung jedenfalls ist geschafft. Und auf die App, die im September erscheinen soll, darf man gespannt sein. Damit hätte man einen Hightech-Bestimmungsführer für den Wald - jedenfalls, so weit die Netze reichen. "Im Wald" ist ein sehr gelungenes Buch, das neugierig macht auf die anderen Bücher dieser Serie, die da noch erscheinen werden.

    Andreas Jaun und Sabine Joss: Im Wald. Natur erleben - beobachten - verstehen
    ISBN 978-3-258-07590-7
    Haupt-Verlag, 200 Seiten, 22,00 Euro