Uli Blumenthal: 11. März 2011 - vor acht Monaten und vier Tagen kam es in Fukushima zum Super-GAU: Kernschmelze in drei Reaktoren, Explosionen im vierten Reaktorblock, Unmengen an radioaktivem Material wurden freigesetzt - unter anderem waren es große Mengen an Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren. Zwei Wissenschaftlerteams haben jetzt unabhängig voneinander die Verteilung des Fallouts von Fukushima vermessen. Dagmar Röhrlich, Fachkollegin, die ich jetzt im Studio begrüße: Zu welchen Ergebnissen sind die beiden Gruppen gekommen?
Dagmar Röhrlich: Die beiden Gruppen haben sozusagen die Karte, die die Regierung einsetzt, um zu entscheiden: Wo muss dekontaminiert werden, wo kann sofort wieder Landwirtschaft aufgenommen werden, wo müssen Leute evakuiert bleiben? - diese Karte haben die sozusagen auf den Prüfstand gestellt. Mit zwei verschiedenen Methoden: die eine hat die Daten, die von der Regierung ab dem 20 März veröffentlicht worden sind, genommen, in meteorologische Modelle reingesteckt und dann gerechnet: Was kann wo niedergegangen sein? Und dabei ist herausgekommen, dass es im Norden und Nordosten von Fukushima Daiichi sehr, sehr hohe Kontaminationen gibt. Und im Westen haben die Berge das Gebiet etwas geschützt. Und es sieht so aus, dass in diesem Zentralbereich einfach keine Landwirtschaft mehr möglich sein wird für einige lange Zeit. Und benachbarte Präfekturen - da sieht es dann auch so aus, dass man wahrscheinlich auf jeden Fall Boden dekontaminieren muss. Beziehungsweise geeignete Pflanzen anbauen. Die Belastung ist also sehr hoch in diesem Modell.
Blumenthal: Und die zweite Studie? Die erste war ja eher so eine Modellrechnung. War die zweite dann konkreter oder basiert sie auch nur auf Modellen und Simulationen?
Röhrlich: Die zweite hat zwar auch Modelle, aber es gibt auch 108 Bodenproben, die genommen worden sind. Und man hat nicht nur Cäsium-137 gemessen, sondern auch Cäsium-136, Tellur-129 und Jod-131, das ist ja inzwischen zerfallen. Und man hat halt geschaut, was ist wann wo passiert? Hat dabei festgestellt, dass am 15. März durch die Niederschläge im Bereich von Fukushima die Hauptbelastung entstanden ist. Und am 21. März in diesem Bereich, der nach Nordosten rausgeht - Iitate, das, was später gesperrt worden ist - dass da dann die Belastung draus entstanden ist. Und auch da wird gesagt, es ist eine sehr kleinräumige Verteilung. Man muss sehr genau messen, und dann von Fall zu Fall entscheiden, was passieren muss, und auch Prioritäten setzen.
Blumenthal: Sind das jetzt nur Zustandsanalysen, die auf Simulationen basieren oder gibt es auch Empfehlungen aus diesen beiden Gruppen, was die Dekontamination anbetrifft?
Röhrlich: Die Forscher sagen, wir sollten jetzt genau schauen: Was muss hier getan werden? Wo kann ich überhaupt hingehen, wo macht es Sinn, nachzuschauen, ob man jetzt in erster Näherung dort wieder Landwirtschaft aufnehmen kann oder nicht? Wenn es zu hoch belastet ist in diesen Modellen, dann sollte ich mich erstmal auf Gebiete beschränken, wo das nicht so ist, erzählen die Forscher. Und man verlangt mehr Messungen. Die Regierung hat inzwischen auch gesagt: Jetzt, wo Fukushima Daiichi in ihren Augen unter Kontrolle ist, könne man rangehen, mit der Reinigung zu beginnen. Da sind jetzt drei Großprojekte vorgestellt worden und 25 kleinere. Wobei 'vorstellen' sehr in Anführungszeichen zu sehen ist. Denn die Firmen, die das Unternehmen wollen, haben gesagt: alles geheim halten. Denn es ist unsere Technik, unser geistiges Eigentum. Das einzige, was man bei einem kleinen Projekt gehört hat, ist, dass man mit Nanoblasen Cäsium-137 reinigen will. Nanoblasen, das sind winzigste Blasen, die sich in Flüssigkeiten bilden, winzigste Gasblasen. Und die werden unter anderem in der experimentellen Krebstherapie eingesetzt, um irgendwelche Krebszellen zu zerstören. Wie das jetzt gegen Cäsium-137 wirkt, wird die Firma uns vielleicht dann zeigen.
Blumenthal: Acht Monate und vier Tage nach dem Super-Gau: Lassen Sie uns noch einmal auf die Situation im und um das Kernkraftwerk selbst sprechen. Wie sieht es da aus, was weiß man darüber?
Röhrlich: Jetzt hat man einen Plan, wie der Rückbau vor sich gehen wird. 30 Jahre wird es dauern. In den nächsten drei Jahren wird erstmal aufgeräumt werden. In drei Jahren sollen die abgebrannten Brennelemente, die noch in den Lagerbecken drin sind, herausgeholt werden. In frühestens zehn Jahren will man rangehen, diese geschmolzenen Brennelemente aus den Reaktordruckbehältern herauszuholen. Dazu müssen zuerst die Sicherheitsbehälter repariert werden, damit man sie mit Wasser füllen kann, um die Strahlung abzuschirmen. Und man sagt, insgesamt 30 Jahre wird es dauern. Man orientiert sich an Three Mile Island und sagt nur: Es ist in Japan sehr viel komplizierter, weil wir halt nicht nur einen Havaristen haben, sondern vier.
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Dagmar Röhrlich: Die beiden Gruppen haben sozusagen die Karte, die die Regierung einsetzt, um zu entscheiden: Wo muss dekontaminiert werden, wo kann sofort wieder Landwirtschaft aufgenommen werden, wo müssen Leute evakuiert bleiben? - diese Karte haben die sozusagen auf den Prüfstand gestellt. Mit zwei verschiedenen Methoden: die eine hat die Daten, die von der Regierung ab dem 20 März veröffentlicht worden sind, genommen, in meteorologische Modelle reingesteckt und dann gerechnet: Was kann wo niedergegangen sein? Und dabei ist herausgekommen, dass es im Norden und Nordosten von Fukushima Daiichi sehr, sehr hohe Kontaminationen gibt. Und im Westen haben die Berge das Gebiet etwas geschützt. Und es sieht so aus, dass in diesem Zentralbereich einfach keine Landwirtschaft mehr möglich sein wird für einige lange Zeit. Und benachbarte Präfekturen - da sieht es dann auch so aus, dass man wahrscheinlich auf jeden Fall Boden dekontaminieren muss. Beziehungsweise geeignete Pflanzen anbauen. Die Belastung ist also sehr hoch in diesem Modell.
Blumenthal: Und die zweite Studie? Die erste war ja eher so eine Modellrechnung. War die zweite dann konkreter oder basiert sie auch nur auf Modellen und Simulationen?
Röhrlich: Die zweite hat zwar auch Modelle, aber es gibt auch 108 Bodenproben, die genommen worden sind. Und man hat nicht nur Cäsium-137 gemessen, sondern auch Cäsium-136, Tellur-129 und Jod-131, das ist ja inzwischen zerfallen. Und man hat halt geschaut, was ist wann wo passiert? Hat dabei festgestellt, dass am 15. März durch die Niederschläge im Bereich von Fukushima die Hauptbelastung entstanden ist. Und am 21. März in diesem Bereich, der nach Nordosten rausgeht - Iitate, das, was später gesperrt worden ist - dass da dann die Belastung draus entstanden ist. Und auch da wird gesagt, es ist eine sehr kleinräumige Verteilung. Man muss sehr genau messen, und dann von Fall zu Fall entscheiden, was passieren muss, und auch Prioritäten setzen.
Blumenthal: Sind das jetzt nur Zustandsanalysen, die auf Simulationen basieren oder gibt es auch Empfehlungen aus diesen beiden Gruppen, was die Dekontamination anbetrifft?
Röhrlich: Die Forscher sagen, wir sollten jetzt genau schauen: Was muss hier getan werden? Wo kann ich überhaupt hingehen, wo macht es Sinn, nachzuschauen, ob man jetzt in erster Näherung dort wieder Landwirtschaft aufnehmen kann oder nicht? Wenn es zu hoch belastet ist in diesen Modellen, dann sollte ich mich erstmal auf Gebiete beschränken, wo das nicht so ist, erzählen die Forscher. Und man verlangt mehr Messungen. Die Regierung hat inzwischen auch gesagt: Jetzt, wo Fukushima Daiichi in ihren Augen unter Kontrolle ist, könne man rangehen, mit der Reinigung zu beginnen. Da sind jetzt drei Großprojekte vorgestellt worden und 25 kleinere. Wobei 'vorstellen' sehr in Anführungszeichen zu sehen ist. Denn die Firmen, die das Unternehmen wollen, haben gesagt: alles geheim halten. Denn es ist unsere Technik, unser geistiges Eigentum. Das einzige, was man bei einem kleinen Projekt gehört hat, ist, dass man mit Nanoblasen Cäsium-137 reinigen will. Nanoblasen, das sind winzigste Blasen, die sich in Flüssigkeiten bilden, winzigste Gasblasen. Und die werden unter anderem in der experimentellen Krebstherapie eingesetzt, um irgendwelche Krebszellen zu zerstören. Wie das jetzt gegen Cäsium-137 wirkt, wird die Firma uns vielleicht dann zeigen.
Blumenthal: Acht Monate und vier Tage nach dem Super-Gau: Lassen Sie uns noch einmal auf die Situation im und um das Kernkraftwerk selbst sprechen. Wie sieht es da aus, was weiß man darüber?
Röhrlich: Jetzt hat man einen Plan, wie der Rückbau vor sich gehen wird. 30 Jahre wird es dauern. In den nächsten drei Jahren wird erstmal aufgeräumt werden. In drei Jahren sollen die abgebrannten Brennelemente, die noch in den Lagerbecken drin sind, herausgeholt werden. In frühestens zehn Jahren will man rangehen, diese geschmolzenen Brennelemente aus den Reaktordruckbehältern herauszuholen. Dazu müssen zuerst die Sicherheitsbehälter repariert werden, damit man sie mit Wasser füllen kann, um die Strahlung abzuschirmen. Und man sagt, insgesamt 30 Jahre wird es dauern. Man orientiert sich an Three Mile Island und sagt nur: Es ist in Japan sehr viel komplizierter, weil wir halt nicht nur einen Havaristen haben, sondern vier.
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