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"Im Westen nichts Neues"
Der Antikriegsroman schlechthin

"Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque erschien erstmals 1928 und zählt zu den wichtigsten Antikriegsbüchern des 20. Jahrhunderts. Das passte den Nationalsozialisten gar nicht, sie verboten das Buch.

Von Otto Langels |
    Die ersten deutschen Soldaten überqueren zu Beginn des 1. Weltkriegs 1914 die französische Grenze.
    "Im Westen nichts Neues" zählt zu den bekanntesten Antikriegsbüchern des 20. Jahrhunderts. (picture alliance / dpa)
    "Seid ihr immer noch hier? Du Kropp, was hält dich zurück? Paul Bäumer, sage mir, was wirst du tun?" - "Ich werde mich melden!", "Ich auch", "Ich bin dabei", "Ich melde mich auch", …
    Ein Ausschnitt aus dem Film "Im Westen nichts Neues" des amerikanischen Regisseurs Lewis Milestone aus dem Jahr 1930. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Werk von Erich Maria Remarque. Der Roman beschreibt die Erlebnisse des jungen Paul Bäumer, eines Schülers, der sich, angesteckt von der Kriegsbegeisterung seines Lehrers, mit den Klassenkameraden zu Beginn des Ersten Weltkriegs freiwillig an die Front meldet. Was folgt, sind die Grauen der Schlachtfelder und Schützengräben, der mörderischen Kämpfe und des Stellungskriegs. Bäumers Freunde kommen durch Gas- und Granatenangriffe ums Leben, kurz vor Kriegsende wird er selber als letzter seiner Gruppe tödlich getroffen.
    "Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden."
    Erich Maria Remarques Roman war zunächst im November 1928 als Vorabdruck in der "Vossischen Zeitung" erschienen, fast auf den Tag genau zehn Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Im Januar 1929 kam dann das Buch heraus und wurde über Nacht zum bis dahin größten Erfolg der deutschen Literaturgeschichte. Nach einem halben Jahr war bereits eine halbe Million Exemplare verkauft, im Juni 1930 erreichte die Auflage die Millionengrenze. "Im Westen nichts Neues" wurde zunächst positiv aufgenommen - Stefan Zweig nannte es ein vollkommenes Kunstwerk und unzweifelhafte Wahrheit -, der Massenerfolg provozierte aber auch Kritik. Rechte Kreise sahen das Andenken deutscher Frontsoldaten in den Dreck gezogen, die politische Linke bemängelte den pazifistischen Grundton und vermisste die Darstellung der Kriegsursachen. Remarque, der im Ersten Weltkrieg beim Einsatz an der Westfront verwundet worden war, hatte seit Mitte der 1920er Jahre als Redakteur für die Illustrierte "Sport im Bild" gearbeitet. Wenige Tage, nachdem die "Vossische Zeitung" erste Auszüge seines Romans abgedruckt hatte, erhielt er die fristlose Kündigung. Zu den Reaktionen bemerkte er später:
    Erich Maria Remarque im Jahr 1939
    Erich Maria Remarque im Jahr 1939 (AP)
    "Ich war außerordentlich überrascht über die politische Wirkung. Mein eigentliches Thema war ein rein menschliches, dass man junge Menschen von 18 Jahren, die eigentlich dem Leben gegenübergestellt werden sollten, plötzlich dem Tod gegenüberstellte. Und was würde mit ihnen geschehen? Aus dem Grunde habe ich auch 'Im Westen nichts Neues' eher als ein Nachkriegsbuch angesehen als ein Kriegsbuch."
    Nazis verbrannten Bücher von Remarque
    Ende 1930, als die Diskussion um Remarques Buch weitgehend abgeebbt war, kam die Verfilmung des amerikanischen Regisseurs Lewis Milestone in die deutschen Kinos. Der mit zwei Oscars ausgezeichnete, im Original 140 Minuten lange Film war ein großer internationaler Erfolg, wurde für Deutschland aber auf 84 Minuten gekürzt. Bereits die erste Vorführung sorgte in Berlin für einen Eklat. Joseph Goebbels, damals Gauleiter der NSDAP in der Hauptstadt, organisierte Störtrupps, die Stinkbomben warfen, weiße Mäuse im Saal aussetzten und Besucher anpöbelten. Die Vorstellung musste abgebrochen werden. Das schändliche Schauspiel wiederholte sich in den nächsten Tagen, bis die Oberprüfstelle den Film kurz darauf wegen "Schädigung des deutschen Ansehens im Ausland" verbot. Goebbels konnte zufrieden in seinem Tagebuch notieren:
    "Das ist ein Triumph. Es hagelt Glückwünsche von allen Seiten. Wir sind in den Augen der Öffentlichkeit die starken Männer."
    Erst in einer nochmals gekürzten Fassung wurde der Film im September 1931 wieder frei gegeben. Doch Erich Maria Remarque hatte die Zeichen der Zeit erkannt. 1932 wanderte er in die Schweiz aus, im darauf folgenden Jahr, am 10. Mai 1933, verbrannten die Nationalsozialisten mehrere Exemplare von "Im Westen nichts Neues" auf dem Berliner Opernplatz.
    "Gegen literarischen Verrat am Soldaten des Weltkriegs, für Erziehung des Volkes im Geiste der Wehrhaftigkeit - ich übergebe dem Feuer die Schriften des Erich Maria Remarque."
    Das Buch wurde vom NS-Regime verboten, sein Autor 1938 ausgebürgert. Erich Maria Remarque emigrierte in die USA, lebte nach dem Zweiten Weltkrieg abwechselnd in New York und der Schweiz und nahm 1947 die amerikanische Staatsbürgerschaft an. 1970 starb der Schriftsteller in Locarno. "Im Westen nichts Neues" wurde in 50 Sprachen übersetzt und bis heute weltweit rund 20 Millionen Mal verkauft. Das Werk zählt zu den Antikriegsbüchern des 20. Jahrhunderts.
    Erich Maria Remarque: "Im Westen Nichts Neues." Verlag Kiepenheuer & Witsch, 368 Seiten, 15,00 Euro, ISBN: 978-3-462-04581-9.