Am Anfang war ein Film: "Sami swoi" - das heißt soviel wie "Endlich wieder unter uns". Es ist der ironische Titel einer Tragikkomödie, die 1967 in Lubomierz gedreht wurde und heute in Polen Kultstatus hat.
In dem Film wird Weltgeschichte mit Familiengeschichte verknüpft. Es geht um die Zwangsumsiedelungen nach 1945 von Ostpolen nach Westen. Darin eingebettet: Der Streit zwischen den Familien Kargul und Pawlak. Die Kuh des einen Nachbarn grast verbotenerweise auf dem Grundstück des anderen und ist Ursache für jahrelange Feindschaft. Das Problem scheint sich geografisch zu lösen, als beide Familien nach Westpolen umgesiedelt werden. Aber - Ironie der Geschichte - in der neuen Heimat müssen sie - nun vom Staat zwangsvereinigt - wieder als Nachbarn zusammenleben. Nach vielen komischen Verstrickungen erkennen Kargul und Pawlak endlich, wie nichtig ihr Streit angesichts der historischen Ereignisse ist und sie versöhnen sich schließlich.
Nimm den Hut ab, weil wir uns hier wieder begegnet sind und es einen Krieg gebraucht hat, um den Frieden zu gewinnen, sagt Pawlak zu Kargul und die Familienmitglieder fallen sich in die Arme. Obwohl der Streifen "Sami swoi" schon über 30 Jahre alt ist, bewegt er die Menschen noch heute - die Stadt Lubomierz will aber mit seiner Hilfe noch mehr bewegen. Mit zunehmendem Erfolg setzt sie den Film für die Entwicklung des Tourismus in einer sonst eher verlassenen Region ein.
Der Kulturwissenschaftler und Reiseführer Mateusz Hartwich hilft, das Image vom gottverlassenen Wilden Westens Polens aufzupolieren. Im Auftrag des Schlesischen Museums in Görlitz begleitet er Bildungstouren mit ganz besonderem Touch, für politisch und historisch interessierte Touristen; zum Beispiel in die kleinste Filmfestival-Stadt der Welt:
"Das ist die Lubomierz Hall of Fame, die Wegweiser sind natürlich auch toll, zu anderen Orten von Filmfestivals: Cannes, Venedig, Leipzig."
Mateusz Hartwich zwinkert belustigt, als er auf die Wegweiser in der Ortsmitte aufmerksam macht. Ein Schild nach Hollywood ist auch dabei - das lässt sich Lubomierz nicht nehmen - schließlich ist der 1800-Einwohner-Ort auf dem Weg nach oben. Sein wichtigstes Aushängeschild: der Film "Sami swoi":
"Man begann sich neu zu orientieren und etwas zu finden, nach der politischen Wende, was die Bewohner des Dorfes zusammenhalten könnte, da kam man schnell darauf, dass der Film etwas ist, woran sich Leute gerne erinnern, weil viele als Statisten mitgespielt haben."
Der Film eröffnet traditionell das kleinste Filmfestival der Welt, das seit 1997 immer im Sommer stattfindet: Das Museum zum Film ist auch schon da und praktischerweise das ganze Jahr über geöffnet.
"Willkommen hier im Museum Kargul und Pawlak. 80 Prozent der Gegenstände, die sie hier sehen, sind Requisiten aus dem Film und der letzte Raum, das ist das kleinste Kino der Welt mit neun Sitzplätzen."
Magdalena Stachhoviak führt die Touristen durch eine kuriose Ausstellung in einem alten Tuchmacherhaus aus dem 16. Jahrhundert - mit allen möglichen Gerätschaften aus dem Film. Der kleine Kinoraum, in dem damals die Uraufführung stattfand, strahlt mit seinen in die Jahre gekommenen knarzigen Klappstühlen einen schlichten Charme aus. Man könnte zu dem Fazit kommen: Lubomierz hat wenig zu bieten, aber das wird effektvoll präsentiert. Da ist die Mistgabel, die um ein Haar zur Mordwaffe wurde und - je nach Geschmack - gibt es Granaten aus Honig oder aus Holz zu kaufen; als Hommage an den Film, in dem eine verrostete Handgranate vergeblich im Nahkampf eingesetzt wird. Das Prunkstück der Requisitensammlung ist ein Symbol der Trennung und Versöhnung zugleich:
"Das ist der Originalzaun aus dem Film, der die Höfe von Pawlak und Kargul abgetrennt hat. An diesem Zaun haben sie sich oft gestritten und auch wieder versöhnt, und ab und zu sind sie damit auch umgefallen."
Über 14.000 Besucher zählte das Mini-Museum im letzten Jahr - und während der Festivalzeit kann es durchaus sein, dass das kleine Lubomierz aus allen Nähten platzt. Im einzigen Gasthaus am Ort muss die Wirtin Manguschka Piontek dann logistische Wunder vollbringen:
"Es ist auf alle Fälle ein Riesenunterschied - um die 1000 Personen täglich insgesamt. Normalerweise haben wir zwischen 50 und 200 Gästen. Man kann auf jeden Fall sagen, dass jetzt mehr Touristen in den Ort kommen und sogar ab und zu länger bleiben, übernachten und sich die Umgebung ansehen."
"Wie Sie selbst sehen, kommen hierher nicht nur Besucher aus Polen, aus dem Ausland, sondern aus der ganzen Welt."
Europäer sind natürlich häufiger vertreten - etwa deutsche Touristen, häufig mit besonderer Ortskenntnis:
"Ich war noch ein Kind, als die Polen zu uns kamen. Irgendwie musste man die Sprache lernen, denn bis 45 habe ich nur deutsch gesprochen, dann ist man irgendwie reingewachsen. Die Polen hatten Kühe, und wir haben unsere Kartoffelschalen da hin gebracht und dafür Milch bekommen."
Mann: "Es gab auch Mischhochzeiten und da hat man grundsätzlich die Polen ins eine Zimmer verladen und die Einheimischen ins andere Zimmer, weil, wenn da was getrunken wurde, dann kamen die Ressentiments hoch."
Das Ehepaar Joschko ist im früheren Schlesien geboren. Erst in den 70er-Jahren reisten die beiden in die Bundesrepublik aus. Die Reise nach Lubomierz ist aber kein "Heimweh-Tourismus". Eher eine Reise zum Nachdenken - über die Spuren deutscher und polnischer Vergangenheit:
"Den Wilden Westen gab es ziemlich sprichwörtlich, vor allem, was die Sicherheitslage angeht, es waren überall Banden unterwegs, marodierende Soldaten. Die Rote Armee war nicht immer ein Sicherheitsfaktor zu der Zeit. Von daher Kriegs- und Nachkriegserlebnisse werden verarbeitet."
Der historische Blick zurück ist zugleich ein Blick nach vorn - Reisen bildet, an geschichtsträchtige Orte wie diesen allemal.
In dem Film wird Weltgeschichte mit Familiengeschichte verknüpft. Es geht um die Zwangsumsiedelungen nach 1945 von Ostpolen nach Westen. Darin eingebettet: Der Streit zwischen den Familien Kargul und Pawlak. Die Kuh des einen Nachbarn grast verbotenerweise auf dem Grundstück des anderen und ist Ursache für jahrelange Feindschaft. Das Problem scheint sich geografisch zu lösen, als beide Familien nach Westpolen umgesiedelt werden. Aber - Ironie der Geschichte - in der neuen Heimat müssen sie - nun vom Staat zwangsvereinigt - wieder als Nachbarn zusammenleben. Nach vielen komischen Verstrickungen erkennen Kargul und Pawlak endlich, wie nichtig ihr Streit angesichts der historischen Ereignisse ist und sie versöhnen sich schließlich.
Nimm den Hut ab, weil wir uns hier wieder begegnet sind und es einen Krieg gebraucht hat, um den Frieden zu gewinnen, sagt Pawlak zu Kargul und die Familienmitglieder fallen sich in die Arme. Obwohl der Streifen "Sami swoi" schon über 30 Jahre alt ist, bewegt er die Menschen noch heute - die Stadt Lubomierz will aber mit seiner Hilfe noch mehr bewegen. Mit zunehmendem Erfolg setzt sie den Film für die Entwicklung des Tourismus in einer sonst eher verlassenen Region ein.
Der Kulturwissenschaftler und Reiseführer Mateusz Hartwich hilft, das Image vom gottverlassenen Wilden Westens Polens aufzupolieren. Im Auftrag des Schlesischen Museums in Görlitz begleitet er Bildungstouren mit ganz besonderem Touch, für politisch und historisch interessierte Touristen; zum Beispiel in die kleinste Filmfestival-Stadt der Welt:
"Das ist die Lubomierz Hall of Fame, die Wegweiser sind natürlich auch toll, zu anderen Orten von Filmfestivals: Cannes, Venedig, Leipzig."
Mateusz Hartwich zwinkert belustigt, als er auf die Wegweiser in der Ortsmitte aufmerksam macht. Ein Schild nach Hollywood ist auch dabei - das lässt sich Lubomierz nicht nehmen - schließlich ist der 1800-Einwohner-Ort auf dem Weg nach oben. Sein wichtigstes Aushängeschild: der Film "Sami swoi":
"Man begann sich neu zu orientieren und etwas zu finden, nach der politischen Wende, was die Bewohner des Dorfes zusammenhalten könnte, da kam man schnell darauf, dass der Film etwas ist, woran sich Leute gerne erinnern, weil viele als Statisten mitgespielt haben."
Der Film eröffnet traditionell das kleinste Filmfestival der Welt, das seit 1997 immer im Sommer stattfindet: Das Museum zum Film ist auch schon da und praktischerweise das ganze Jahr über geöffnet.
"Willkommen hier im Museum Kargul und Pawlak. 80 Prozent der Gegenstände, die sie hier sehen, sind Requisiten aus dem Film und der letzte Raum, das ist das kleinste Kino der Welt mit neun Sitzplätzen."
Magdalena Stachhoviak führt die Touristen durch eine kuriose Ausstellung in einem alten Tuchmacherhaus aus dem 16. Jahrhundert - mit allen möglichen Gerätschaften aus dem Film. Der kleine Kinoraum, in dem damals die Uraufführung stattfand, strahlt mit seinen in die Jahre gekommenen knarzigen Klappstühlen einen schlichten Charme aus. Man könnte zu dem Fazit kommen: Lubomierz hat wenig zu bieten, aber das wird effektvoll präsentiert. Da ist die Mistgabel, die um ein Haar zur Mordwaffe wurde und - je nach Geschmack - gibt es Granaten aus Honig oder aus Holz zu kaufen; als Hommage an den Film, in dem eine verrostete Handgranate vergeblich im Nahkampf eingesetzt wird. Das Prunkstück der Requisitensammlung ist ein Symbol der Trennung und Versöhnung zugleich:
"Das ist der Originalzaun aus dem Film, der die Höfe von Pawlak und Kargul abgetrennt hat. An diesem Zaun haben sie sich oft gestritten und auch wieder versöhnt, und ab und zu sind sie damit auch umgefallen."
Über 14.000 Besucher zählte das Mini-Museum im letzten Jahr - und während der Festivalzeit kann es durchaus sein, dass das kleine Lubomierz aus allen Nähten platzt. Im einzigen Gasthaus am Ort muss die Wirtin Manguschka Piontek dann logistische Wunder vollbringen:
"Es ist auf alle Fälle ein Riesenunterschied - um die 1000 Personen täglich insgesamt. Normalerweise haben wir zwischen 50 und 200 Gästen. Man kann auf jeden Fall sagen, dass jetzt mehr Touristen in den Ort kommen und sogar ab und zu länger bleiben, übernachten und sich die Umgebung ansehen."
"Wie Sie selbst sehen, kommen hierher nicht nur Besucher aus Polen, aus dem Ausland, sondern aus der ganzen Welt."
Europäer sind natürlich häufiger vertreten - etwa deutsche Touristen, häufig mit besonderer Ortskenntnis:
"Ich war noch ein Kind, als die Polen zu uns kamen. Irgendwie musste man die Sprache lernen, denn bis 45 habe ich nur deutsch gesprochen, dann ist man irgendwie reingewachsen. Die Polen hatten Kühe, und wir haben unsere Kartoffelschalen da hin gebracht und dafür Milch bekommen."
Mann: "Es gab auch Mischhochzeiten und da hat man grundsätzlich die Polen ins eine Zimmer verladen und die Einheimischen ins andere Zimmer, weil, wenn da was getrunken wurde, dann kamen die Ressentiments hoch."
Das Ehepaar Joschko ist im früheren Schlesien geboren. Erst in den 70er-Jahren reisten die beiden in die Bundesrepublik aus. Die Reise nach Lubomierz ist aber kein "Heimweh-Tourismus". Eher eine Reise zum Nachdenken - über die Spuren deutscher und polnischer Vergangenheit:
"Den Wilden Westen gab es ziemlich sprichwörtlich, vor allem, was die Sicherheitslage angeht, es waren überall Banden unterwegs, marodierende Soldaten. Die Rote Armee war nicht immer ein Sicherheitsfaktor zu der Zeit. Von daher Kriegs- und Nachkriegserlebnisse werden verarbeitet."
Der historische Blick zurück ist zugleich ein Blick nach vorn - Reisen bildet, an geschichtsträchtige Orte wie diesen allemal.