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Im Würgegriff der Oligarchen
Die Republik Moldau - zerrissen zwischen Ost und West

Perspektivlosigkeit, Korruption und Oligarchen, die sich die Politik untertan machen: In Moldau, dem ärmsten Land Europas, geht es vielen Menschen schlecht. Viele von ihnen verlassen das Land. Doch in Moldau formt sich Widerstand: Eine Bürgerinitiative verzeichnet stark wachsenden Zulauf.

Von Martin Bohne |
    Ein Demonstrationszug am 3.5.1015 der Bewegung "Würde und Wahrheit" in der moldawischen Hauptstadt Chisinau gegen die Regierung. Er wird von einem Trommler in schwarzer Lederjacke angeführt. Im Hintergrund sind Demonstranten mit Fahnen und Bannern zu sehe
    Regierungskritische Demonstranten in der moldawischen Hauptstadt Chisinau (EPA/DUMITRU DORU)
    Auf dem zentralen Markt von Chisinau scheinen die Uhren in sowjetischen Zeiten stehen geblieben zu seien. Mütterchen mit Kopftuch bieten selbstgeerntetes Gemüse feil, Trainingshose und Arbeitsjacke sind die bevorzugten Kleidungsstücke der Männer, das Fleisch hängt draußen am Haken. Aber erstehen kann man natürlich auch alles, was das westliche Konsumherz begehrt. Geworben wird für smarte Handys, teure Uhren und apartes Parfum.
    Zu hören ist gleichermaßen Rumänisch wie Russisch. Ein Ort, der sich, so scheint es, nicht so richtig entscheiden kann, wo er hingehört – in den Osten oder in den Westen. Und so geht es auch ein bisschen den Menschen, die hier ihre Einkäufe machen:
    "Ich persönlich bin der Meinung, dass Europa uns nichts Positives bringt. Ich bin für die Vereinigung mit Russland."
    Der junge Mann heißt Vlad – wie gefühlt jeder Zweite hier. Aber in seiner Brust schlagen offensichtlich zwei Herzen. Wenn er sich sicher wäre, dort auch so gutes Geld zu machen, würde er am liebsten in einem europäischen Land leben. Vlad sagt, dass er persönlich sehr gut zurechtkomme, er betreibt ein kleines Business, mehr will er nicht verraten. Aber er ist wütend über die Zustände in seinem Land:
    "Das größte Problem hier, das ist die Regierung. Die stiehlt sich so viel Geld zusammen, dass für uns nichts mehr übrig bleibt. Die einzige Chance, dass sich die Dinge hier mal verbessern, wäre, wenn ein Ausländer hier die Regierung übernehmen würde: Einer mit einer europäischen Mentalität, ein Deutscher oder ein Italiener zum Beispiel."
    Überall Unzufriedenheit
    Es ist schwer, jemanden in Chisinau zu finden, der positiv gestimmt wäre. Nicht auf dem Zentralmarkt, und auch nicht im Park Stefan cel Mare, direkt neben dem noch zu Sowjetzeiten entstandenen überdimensionierten Regierungsgebäude:
    "Mir geht es schlecht, schlechter als früher. Ich habe studiert und mein ganzes Leben gearbeitet, als Ärztin. Und jetzt bekomme ich 800 Lei Rente im Monat, davon kann man doch nicht leben, das ist doch nicht menschlich."
    800 moldauische Lei, das sind nicht einmal 50 Euro, bei Lebensmittelpreisen, die niedriger sind als in Deutschland, aber nun auch nicht so viel niedriger. Liegt es da nicht nahe, auf die Hilfe der EU zu hoffen? Nicht für Natalia:
    "Nein, ich will nicht in die EU. Die machen da Schwulenparaden, und die erzählen Kindern in der Schule über Sex. Das ist gefährlich, ich bin dagegen."
    Die Flagge von Moldawien.
    Viele verlassen das Land: Moldau hat große Probleme (picture-alliance / dpa / RIA Nowosti)
    Mit dieser Art, die Dinge zu sehen, kann Dmitri nicht viel anfangen. Für den Jura-Absolventen ist offensichtlich, dass es keinen anderen Weg gibt als die Annäherung an Europa. Aber optimistisch ist er nicht, schon weil viel zu viele junge Leute das Land verlassen, mangels Perspektiven:
    "Die Hälfte meiner Kameraden, mit denen ich auf die Schule oder auf die Universität gegangen bin, sind schon weg. Und die andere Hälfte denkt darüber nach."
    Wirtschaft schrumpft
    Dmitri will noch bleiben, obwohl er seinen Job als Firmenjurist verloren hat, und er sich jetzt mit Gelegenheitsgeschäften über Wasser halten muss.
    Der Republik Moldau ist das ärmste Land Europas. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf erreicht gerade mal ein Fünftel der anderen Länder in Mittel und Osteuropa. Und in diesem Jahr wird die Wirtschaft sogar schrumpfen, die Währung verliert stark an Wert, zugleich steigt das Haushaltsdefizit. Das ist natürlich auch den äußeren Umständen, dem Konflikt in der Ukraine und dem russischen Einfuhrverbot für moldauische Agrarprodukte geschuldet. Aber vor allem sei das Dilemma auf eine falsche Regierungspolitik zurückzuführen, meint Adrian Lupusor, der Chef der Expert Grup, eines Think Tanks junger Ökonomen:
    "Moldau war überhaupt nicht auf die Krise vorbereitet. Und nun auch noch das. Der Bankenskandal hat sehr negative Auswirkungen auf die moldauische Wirtschaft, weil große Geldbeträge einfach verschwunden sind."
    Einfach verschwunden. Fast eine Milliarde Euro. Das ist ein Fünftel der Wirtschaftsleistung Moldaus. Einfach so verschwunden aus den Bilanzen der drei großen Geschäftsbanken des Landes. Indem ungesicherte Kredite an Phantomfirmen vergeben wurden, wo sich dann ihre Spur verliert. So richtig wisse man immer noch nicht, was passiert ist, sagt Moldaus bekanntester Investigativjournalist Vitalie Calugareanu:
    "Sicher ist, dass das die Gelder im November letzten Jahres entnommen worden sind. Der Großteil davon wurde auf russische Banken transferiert und dann gleich an diverse Offshore-Firmen weiter gereicht. Dieses Geld ist mit Sicherheit verloren."
    Dubiose Geldflüsse
    Die Nationalbank musste den drei Geldinstituten die verschwundenen Millionen ersetzen, um einen Zusammenbruch des ganzen Bankensystems zu verhindern. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wurde eingerichtet und eine ausländische Beraterfirma mit der Aufklärung der Geldabflüsse beauftragt. Die Ergebnisse werden von der Regierung noch unter Verschluss gehalten. Aber alle gehen davon aus, dass die Vorstände und die Manager der Banken selbst dahinter stecken. Aber die Spuren weisen noch weiter nach oben:
    "Es besteht der Verdacht, dass wir es mit einer Verschwörung zwischen Ilan Shor, einem russischen Geschäftsmann mit moldauischem Pass und dem ehemaligen Premierminister Vlad Filat zu tun haben. Shor ist erst 28, aber er besitzt schon Milliarden, und 2013 konnte er sich auf undurchsichtige Weise die Kontrolle über zwei der verwickelten Banken sichern. Der Transfer etlicher der Kreditgelder soll nun mithilfe von Firmen erfolgt sein, die Verwandten von Filat gehören."
    Vlad Filat sitzt in seiner Parteizentrale und lächelt gewinnend. Premier ist er gerade mal nicht. Als Chef der Liberaldemokratischen Partei - der Partei, die seit 2009 alle Regierungskoalitionen anführt - und als einer der großen Oligarchen ist er aber immer noch der starke Mann Moldaus. Natürlich weist er alle Vorwürfe von sich, natürlich verspricht er Aufklärung:
    "Mit Sicherheit gibt es Leute, die sich schuldig gemacht haben, und das muss untersucht werden, und alle, die darin verwickelt sind, müssen bestraft werden. Dafür werden wir auch ausländische Hilfe in Anspruch nehmen, und ganz wichtig ist auch, zu versuchen, das Geld zurückzuholen, wenn möglich."
    Moldau ist Oligarchenland
    Steckt Filat wirklich hinter den finsteren Machenschaften? Wer weiß das schon. Chisinau ist voller Gerüchte und durchgestochener Informationen. Die Oligarchen bekämpfen sich auf diese Weise gegenseitig mithilfe der von ihnen bezahlten Medien. Moldau ist Oligarchenland. Und eine Schlangengrube. Ausgesprochen kompliziert sei die Gemengelage, so Vitalie Calugareanu:
    "Die beiden großen Gegenspieler derzeit sind Vlad Filat und Vlad Plahodniuk."
    Filat, der Chef der größeren Regierungspartei und Plahodniuk der Finanzier und – nominell – der Vizechef der Demokratischen Partei, der zweiten Regierungspartei. Jahrelang hätten sich beide bekämpft und öffentlich beschimpft – und dann auf einmal im stillen Kämmerlein geeinigt, berichtet der Investigativjournalist.
    "Plahodniuk hat Filat damals wissen lassen, dass er viel kompromittierendes Material über ihn besitze, mit sehr persönlichen Videoaufnahmen. Da wurde Filat auf einmal ganz still. Sie trafen sich einige Male in Restaurants und gingen fortan nach außen nur noch freundlich miteinander um. Die Geschäfte haben sie, ganz nach Mafiamanier, untereinander aufgeteilt. Filat riss sich den Zoll und den Zigarettenschmuggel unter den Nagel, Plahodniuk den Export von Fleisch und Fisch."

    Plahodniuk machte seinen Aufstieg im Geschäftsimperium der Familie des langjährigen früheren kommunistischen Präsidenten Woronin, er galt als dessen persönlicher Finanzminister. Inzwischen hat er sich auf Kosten des Woronin-Clans ein eigenes Reich zusammengeklaubt. Mit großem Erfolg und politischen Weiterungen, wie der Politologe Oazu Nantoi meint:
    Blick ins Parlament der Republik Moldau
    Die Oligarchen machen sich die Politik im Parlament untertan (picture alliance / Dumitru DoruMol)
    "Herr Plahodniuk ist jetzt der mächtigste Oligarch. Er hat das Justizwesen und die Massenmedien des Landes unter seine Kontrolle gebracht. Moldau ist von den Oligarchen gekapert worden."
    Politik zur Durchsetzung geschäftlicher Interessen
    Oazu Nantoi kann viele Geschichten erzählen von Machtkämpfen, vorübergehenden Zweckbündnissen und unvermittelten politischen Seitenwechseln. Es entsteht das Bild eines Landes, indem Politik nichts weiter ist als ein Instrument zur Durchsetzung geschäftlicher Interessen. Und demokratische und pro-europäische Positionen nichts als Mäntelchen, das man sich umhängt, wenn es Vorteile im Kampf um Wähler und ausländische Unterstützer verspricht.
    Nantoi hat zusammen mit anderen nach dem dreisten Bankenraub die Bürgerinitiative Würde und Wahrheit ins Leben gerufen. Immer mehr Menschen folgen deren Protestaufrufen. Diebe, Diebe, Diebe schreien die Demonstranten. Und Mafia, Mafia, Mafia. Sie ziehen den zentralen Boulevard von Chisinau entlang, am Sitz der Regierung vorbei. Und die Diebe dort drinnen, sie sollen nun endlich zurücktreten.
    Inzwischen ist die Zahl der Protestierenden auch schon mal auf einige zehntausend Menschen angeschwollen. Schon werden Parallelen gezogen zu den Ereignissen vom April 2009. Damals protestierten spontan vor allem Jugendliche, nachdem sich die regierende Kommunistische Partei erneut zum Sieger der Parlamentswahlen erklärt hatte. Den ersten Flashmob hatte die junge Journalistin Natalia Morari organisiert:
    "Wir wollten dagegen protestieren, dass die Kommunisten weiter regieren. Eine große Tragödie für uns junge Leute. Wir riefen einen nationalen Trauertag aus. Dann kam es zu Ausschreitungen, die Polizei prügelte auf die Leute ein, viele Demonstranten wurden verhaftet. Am Ende gab es Neuwahlen und die Oppositionsparteien kamen an die Macht."
    Totale Ernüchterung
    Damals war die Hoffnung von Natalia und ihren Mitstreitern groß. Die Parteien, die die neue Regierung bildeten, nannten sich Allianz für europäische Integration. Premierminister wurde ... Vlad Filat. Sechs Jahre später ist die Ernüchterung total:
    "Ich bin absolut enttäuscht. Wir wollten wirklich etwas ändern. Aber das System ist das Gleiche geblieben. Es gibt nur einen Unterschied: Früher beherrschte uns ein Oligarch, der Kommunist Woronin, heute sind es zwei. Auch die kontrollieren alles, die Justiz, die Staatsanwaltschaft, sogar das Anti-Korruptionszentrum."
    Natalia Morari weiß ein Lied davon zu singen. Der eine Oligarch, Plahodniuk, übernahm nacheinander die beiden Fernsehsender, die ihre überaus populäre politische Talkshow ausstrahlten. Sie ging dort weg und gründete ihre eigene Produktionsfirma. Die Shows werden nun von einem kleinen, unabhängigen Sender und online verbreitet.
    Schon bei der Parlamentswahl im November vergangenen Jahres bekam die Regierung die wachsende Unzufriedenheit zu spüren. Die selbstdeklarierten pro-europäischen Parteien bekamen nicht einmal mehr die Mehrheit der Stimmen. Zur stärksten Kraft stieg die neugegründete Sozialistische Partei auf. Sie punktete mit einem eindeutig pro-russischen Kurs und engsten Beziehungen zum Kreml.
    Der Politologe Oazu Nantoi sieht das so: Die Bürger Moldaus haben sich nicht von Europa an sich abgewendet, sondern von den Politikern und ihren Skandalen:
    "Und weil man Europa mit dem unverantwortlichen Verhalten der heimischen Führung gleichsetzt, fing die Zustimmung zur EU-Perspektive an zu bröckeln."
    Premier ausgebootet
    Und nach den Wahlen im November ging das Bröckeln weiter. Denn anstatt die pro-europäische Drei-Parteien Koalition mit den Liberalen fortzusetzen, was angesichts der Sitzverteilung im Parlament möglich gewesen wäre, bildeten Filats Liberaldemokraten und Plohudniuks Demokraten eine Minderheitsregierung, die auf die Stimmen der Kommunistischen Partei angewiesen ist. Und dann wurde auch noch der populäre Premier Iouri Leanca, dem viele ein konsequenteres Vorgehen gegen Korruption und Vetternwirtschaft zutrauten, ausgebootet. Stattdessen wurde ein bis dato politisch völlig unbeleckter junger Geschäftsmann zum Ministerpräsidenten gemacht. Warum das so gekommen ist? Vlad Filat hat da nur ein Achselzucken als Antwort:
    "Okay, das ist eine ganz lange Geschichte, aber es ist nun mal passiert."
    Koalitionsunterzeichnung in Moldau: Der Chef der Demokratischen Partei, Lupu, und der Vorsitzende der Liberal-Demokraten, Filat, geben sich im Januar 2015 Parlament  in der Hauptstadt Chisinau die Hand.
    Nicht Premier, aber trotzdem der starke Mann Moldaus: Vlad Filat (r.) (EPA/DUMITRU DORU)
    Und Vlad Filat versichert auch, dass – trotz allem - die neue Regierung die europäische Integration entschlossen vorantreiben werde:
    "Wir werden das Assoziierungsabkommen und das Freihandelsabkommen mit allen seinen Bedingungen umsetzen. Das heißt, wir werden auch konkrete Ergebnisse liefern bei der Reform der Justiz und bei der Bekämpfung der Korruption."
    Die Fernsehjournalisten Natalia Morari hat da so ihre Zweifel:
    "Was Absichtserklärungen betrifft, sind wir richtig gut, sogar mehr pro-europäisch als je zuvor. Aber in Wirklichkeit sind die Leute an der Regierung ein Hindernis für die europäische Integration, sie kontrollieren die Justiz, sie wollen gar keine Reformen. Sie werden weiter nur so tun als ob. Wenn die EU das mit sich machen lässt, dann wird es tragisch enden mit Moldau. Wenn die Europäer aber zum Beispiel anfangen, die Finanzhilfen an Reformen zu knüpfen, dann wird sich vielleicht etwas ändern."
    Der Botschafter der EU in Chisinau ist natürlich Diplomat und will sich verbal nicht auf glattes Eis begeben. Und so verweist Pirkka Tapiola erst einmal auf all die Fortschritte der letzten Jahre:
    "Sagen wir es mal so: Wenn wir uns die institutionelle Ebene ansehen, dann hat Moldau das Assoziierungsabkommen mit der EU im letzten Jahr unter Dach und Fach gebracht - einschließlich des umfassenden Freihandelsabkommens. Außerdem hat es Moldau hinbekommen – als erstes und bisher einziges Land der östlichen Partnerschaft – die Bedingungen dafür zu erfüllen, dass die Bürger visafrei in die EU reisen dürfen. Also, unter diesen Aspekten, ja, da ist der Fortschritt ist ziemlich beeindruckend."
    Aber man hört schon, dass Europas Mann in Chisinau ein langes "aber" folgen lassen will.
    "Andererseits: Moldau kann die Vorteile des Assoziierungsabkommens und des gemeinsamen Marktes nur nutzen, wenn es Reformen durchführt. Wenn das Investitionsklima durch den Abbau bürokratischer Hürden verbessert wird, wenn die Justiz unabhängiger wird, wenn die Korruption nicht auf diesem hohen Niveau verbleibt. Davon wird es abhängen, ob Moldau seinen potenziellen Status als Spitzenreiter unter den östlichen Partnerstaaten bewahren kann."
    Unsichere EU-Hilfen
    Und davon wird auch abhängen, ob das Land wirklich all die in Aussicht gestellten EU-Hilfen ausgezahlt bekommt. Und da geht es immerhin um über 100 Millionen Euro im Jahr, nur die Palästinenser bekommen pro Kopf mehr an Unterstützung von der Europäischen Union.
    Botschafter Tapiola preist die EU-Hilfen und die mit dem Assoziierungsabkommen verbundene Annäherung an europäische Standards als unverzichtbares Instrument zur Modernisierung Moldaus. Aber das ist nicht die Mehrheitsmeinung im Lande. Das Institut von Oazu Nantoi hat eine Umfrage gemacht und herausgefunden, dass nur 44 Prozent der Moldauer eine Annäherung an den Westen und einen EU-Betritt wünschen. Aber 47 Prozent schauen gen Osten und wollen, dass ihr Land der von Russland angeführten Zollunion beitritt. Der Vizechef der pro-russischen Sozialistischen Partei Vlad Batrincea triumphiert:
    "Die Menschen in Moldau glauben nicht an den europäischen Weg."
    Und Batrincea weiß auch warum:
    "Wirtschaftlich gesehen kann unser Land durch die Anbindung an die EU nur verlieren. Wir bekommen die gleichen großen Probleme mit dem Assoziierungsabkommen wie die Ukraine. Das Abkommen muss aufgekündigt werden."
    "Wir sehen Russland als den Partner Nummer eins von Moldau. Schon mal wirtschaftlich, 80 Prozent unserer Exporte gehen dorthin, 80 Prozent unserer Emigranten arbeiten dort, und die schicken jedes Jahr über eine Milliarde Euro nach Hause. Durch die Politik der Regierung verlieren wir nun in Russland Einfluss, Marktanteile und bald auch die Jobs."
    Druck von Russland
    Batrinceas Zahlen sind zwar ziemlich übertrieben, Moldau exportiert jetzt schon mehr in die EU als nach Russland. Aber Moskaus Druckpotenzial ist dennoch gewaltig. Moldau ist zu 100 Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig. Und in Transnistrien stehen russische Truppen. Transnistrien ist der überwiegend russischsprachige Landesteil, der sich vor 20 Jahren nach einem kurzen militärischen Konflikt abgetrennt hat. Damals war Moldau mit dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig geworden. Moskaus schärfste Waffe im Kampf um die Herzen und Hirne der Moldauer, so die Journalistin Natalia Morari, das sei allerdings die Propaganda:
    "Die Leute sehen ganz viel russisches Fernsehen, das ist wirklich sehr populär hier. Zum Beispiel die Comedy Shows. Und russische Unterhaltungssendungen sind richtig gut gemacht. Und wenn die Leute schon mal am Fernseher hängen, dann gucken sie halt auch die Nachrichtensendungen."
    Was für die Moldauer kein Problem ist, denn fast alle sprechen russisch, wenn auch nur ein knappes Fünftel als Muttersprache. Oleg Brega fühlt sich geradezu umzingelt vom übermächtigen Einfluss des großen Nachbarn.
    "Ich habe Angst vor Russland – vor der russischen Armee, vor dem russischen Gas, vor den russischen Geschäftsleuten, vor den russischen Medien."
    Oleg Brega ist so etwas wie der permanente Rebell Moldaus - unermüdlich in Aktion, mal für die Rechte der Transsexuellen, mal für den Anschluss an Rumänien, mal für die Umwelt, gegen die korrupte Elite sowieso:
    "Fast jeden Tag habe ich irgendeine Aktion, entweder als Organisator oder als Teilnehmer, das ist eine Art Berufsprotestlertum."
    Früher, als die Kommunistische Partei noch an der Regierung war, hatte Oleg Brega ständig Ärger mit der Polizei, nach jedem Protest wurde er verhaftet. Heute lässt man ihn protestieren, aber oft wird ihm danach eine Geldstrafe wegen Störung der öffentlichen Ordnung angehängt. Daran, das Land zu verlassen, denkt er aber nicht.
    "Das ist ein sehr guter Ort hier, um sich einzumischen, um aktiv zu sein."
    Auch wenn er kaum die Hoffnung hat, dass sich dadurch die Lage in Moldau ändert.