Archiv


Im Zeichen der Schwerter

Vor 300 Jahren begann die Produktion des ersten europäischen Porzellans auf der Albrechtsburg von Meißen in Sachsen. Gleich zu Beginn zog die Manufaktur Künstler an, die das Meissener Porzellan berühmt machten, wie den Plastiker Kaendler oder den Maler Höroldt.

Von Sabine Wuttke |
    Seit Anfang des 13. Jahrhunderts importierten die europäischen Fürstenhöfe Porzellan zu horrenden Preisen aus China und Japan. Anfang des 18. Jahrhunderts gelang es schließlich Johann Friedrich Böttger auf der Jungfernbastei in Dresden, selbst Porzellan herzustellen. Sein Auftraggeber, der Kurfürst von Sachsen und König von Polen, August der Starke, teilte in einem "allerhöchsten Dekret" in fünf Sprachen im Januar 1710 die Gründung seiner Porzellanmanufaktur mit.

    In der Albrechtsburg,145 Meter hoch über dem mittelalterlichen Meißen und über der Elbe wurde am 6. Juni 1710 die erste Manufaktur eingerichtet. Und manchmal weht das Spiel der Meißner Porzellanglocken aus der Altstadt bis hier herauf, wo die Geschichte des europäischen Porzellans begann – und nicht in England, wo drei kürzlich gefundene Vasen aus dem Landschloss Burghley House, Meißen den Ruf der ältesten Porzellan-Manufaktur Europas streitig machen wollten.

    "Wir befinden uns jetzt im Kleinen Wendelstein. Und hier können Sie im Grunde schon die Reste der wenigen Spuren der Manufaktur sehen, nämlich das Ausgetretene dieser Sandsteinstufen."

    Von über 700 Menschen, die hier zeitweise arbeiteten und über diese Stufen gingen: die Maler, die Dreher, die Vergolder, die, die das Porzellan brannten. Simona Schellenberger hat als Kuratorin der Staatlichen Schlösser und Gärten eine Ausstellung zum Jubiläum mitgestaltet. Sie dokumentiert, dass die Entwicklung des Porzellans ausgerechnet in Sachsen kein Zufall war. Hier, nur rund 100 Kilometer vom Erzgebirge entfernt, wo seit dem späten Mittelalter Silber und andere Erze abgebaut wurden.

    "Der erzgebirgische Erzbergbau bildet eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung des Porzellans, weil diese Brenntemperaturen aus der Verhüttung natürlich, dieses Umgehen mit diesen heißen Temperaturen eben dort praktiziert wurde seit dem 13. Jahrhundert."

    Die Albrechtsburg als erste Manufaktur war bewusst gewählt. Denn das Geheimnis des Arkanums, der "Rezeptur" des Meissener Porzellans schien dort am besten aufgehoben. 1718 wurde es jedoch verraten. Um sich von der nun entstehenden Konkurrenz abzuheben, wurden nach dem Vorbild des Kursächsischen Wappens die gekreuzten Schwerter als Markenzeichen eingeführt. Inzwischen wird Porzellan in ganz Europa hergestellt, in Meißen jedoch noch heute wie 1710. Im Meißner Triebischtal, wohin die Manufaktur 1864 umgezogen ist, werden die Teller und Tassen wie damals von Hand gedreht, wird das berühmte Zwiebelmuster und werden all die anderen Dekore von Hand aufgetragen, das Kobaltblau, das Gold, wird jede einzelne Tasse, jeder einzelne Teller, jedes Kännchen per Hand in die Glasurmasse getaucht.

    "…und geschwenkt wird’s damit es gleichmäßig verteilt wird."

    Nur gebrannt wird heute anders.

    "Die Öfen, in denen das Porzellan gebrannt wurde in den ersten Jahren, wurden auch Glücksöfen genannt, weil man sich nie sicher sein konnte, was ist denn wirklich jetzt an gelungenem Brand darinnen?"

    Das erledigen heute Elektro-Öfen zuverlässiger. Was jedoch Meissener Porzellan einzigartig macht, ist neben der Handarbeit die Porzellanmasse, die zu 50 Prozent aus Kaolin besteht und im eigenen Bergwerk abgebaut wird, dem kleinsten und ältesten in Europa. Es ist genauso einmalig wie die Sammlung der 800.000 Formen, auf die Susanne Bochmann von der Manufaktur aufmerksam macht.

    "Meißen hat wirklich aus dem 18., 19., 20. und jetzt eben auch aus dem frühen 21. Jahrhundert die Formen aufgehoben. Und das ist unser großer Schatz. Auch wenn Sie jetzt hier in die Regale schauen, diese weißen Gipsformen, die sehen vielleicht nicht so spektakulär aus, aber das tolle ist im Inneren."

    In endlosen Holzregalen liegt dieser Schatz, mit Messingschildchen beschriftet, im Keller über mehrere Geschosse. Doch die Nachfrage nach den alten Formen und Figuren sinkt. Auch in Meißen ist die Wirtschaftskrise angekommen. Als Alternative wollen sich die Meißner verstärkt der Kunst am Bau zuwenden. Damit haben sie schon vor rund 100 Jahren gute Erfahrungen gemacht. Der Fürstenzug in Dresden, das größte Wandbild der Welt – besteht aus Meissener Kacheln. Deren Farben sind nie verblasst. Wolfgang Krause, der Leiter der Künstlerischen Wandgestaltung, steht in seinem Atelier inmitten zahlreicher Wandbilder und erklärt das Phänomen:

    "Das sind Farben, die sind teilweise durch die Glasur geschützt, die sind durch die hohe Veredlung geschützt. Und das ist für viele relativ neu. Die meisten sind der Meinung, Meissen ist Tisch und Tafel. Und das ist hier nicht der Fall. Diese Abteilung gab es schon im 18. Jahrhundert."

    Vielleicht liegt der Weg in die Zukunft des Meissener Porzellans ja in der Vergangenheit.