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Image der Deutschen Bahn
"Boni der Vorstände an die Kundenzufriedenheit koppeln"

1,3 Milliarden Euro Verlust - die Deutsche Bahn ist erstmals seit mehr als zehn Jahren in die roten Zahlen gerutscht. Auch bei der Zufriedenheit der Kunden gebe es viel aufzuholen, sagte Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband im DLF. Sie schlägt vor, die Managerboni von der Kundenzufriedenheit abhängig zu machen.

Marion Jungbluth im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Eine Frau sitzt am 06.09.2014 im Hauptbahnhof in Hamburg vor einem Triebwagen der Bahn.
    Eine Frau sitzt im Hauptbahnhof in Hamburg vor einem Triebwagen der Bahn. (pa/dpa/Reinhardt)
    "Die Bahn hat lange Zeit Kundenwünsche und das Kundeninteresse nicht berücksichtigt", sagte die Expertin der Verbraucherzentrale, Marion Jungbluth, im Deutschlandfunk. Deshalb seien viele Fahrgäste auf Alternativen wie Billigflüge und Fernbusreisen umgestiegen.
    Im internationalen Vergleich lande die Deutsche Bahn "in Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit auf einem der hinteren Plätze", sagte Jungbluth. Vor allem fehle es an Informationen, wie die Reise weitergehe, wenn ein Zug Verspätung habe. Durch unabhängige Qualitätsberichte, wie sie etwa in Großbritannien üblich seien, könne der Druck auf das Unternehmen erhöht werden.
    Jungbluth bemängelte, dass es in der Zweiten Klasse immer noch kein kostenloses W-Lan gebe. Auch sollten für Reservierungen in der Zweiten Klasse keine Kosten mehr anfallen. Insgesamt habe die Bahn sehr viel aufzuarbeiten. Sie hoffe, dass es im Zuge der notwendigen Einsparungen nicht zu Jobverlusten bei den Stellwerken und beim Zugpersonal komme.

    Das Interview in voller Länge:
    Jochen Spengler: Milliarden Euro Verlust, Schulden von fast 20 Milliarden, im Fernverkehr jeder dritte Zug verspätet, Tausende Jobs gefährdet - die Deutsche Bahn hat gestern eine miserable Bilanz vorgelegt.
    Wieso ist die Bahn schon seit Jahren auf dem falschen Gleis unterwegs? Die Frage geht an Marion Jungbluth, in der Verbraucherzentrale Bundesverband zuständig für Mobilität und Reise. Guten Morgen, Frau Jungbluth.
    Marion Jungbluth: Guten Morgen!
    Spengler: Was läuft denn aus Ihrer Sicht schief bei der Bahn?
    "Sicherlich kann man bei einigen Lobbyisten und Pressesprechern durchaus mal den Rotstift ansetzen"
    Jungbluth: Man kann, glaube ich, schon sagen, dass die Bahn lange Zeit, als sie auch in einer Monopolstellung war, Kundenwünsche und Kundeninteressen nicht berücksichtigt hat. Das fällt ihr jetzt auf die Füße. Sie haben das zwar vor einem Jahr korrigiert und mit einer Kunden- und Angebotsoffensive einen guten Weg beschritten, aber da ist wirklich sehr viel aufzuholen und die Kunden erwarten natürlich auch ein gutes Angebot, weil sie haben heute auch andere Alternativen. Die Fernbusse und auch die Flüge sind ja mit Dumpingpreisen recht günstige Alternativen geworden.
    Spengler: Frau Jungbluth, wenn Sie sagen, die Bahn hat die Kunden zu spät entdeckt. Das muss ja heißen, es waren andere Punkte wichtiger: Versorgung mit Posten für Politiker, diese ganze Verbandelung, Aufträge für Gleis- und Zugproduzenten, Beamtenversorgung der Bediensteten. Stimmt das?
    Jungbluth: Auf jeden Fall hat die Bahn lange Zeit sowohl ihr Netz, also wirklich die Infrastruktur vernachlässigt, als dann auch viel Personal eingespart, und das sind genau die Sachen, die jetzt auch heute zu den vielen Verspätungen führen. Weil das muss man sagen: 75 Prozent nur pünktliche Fernzüge, das ist natürlich ein miserables Ergebnis und aus Kundensicht nicht akzeptabel. Da muss die Bahn deutlich besser werden, und zwar schnell besser.
    Spengler: Wird sie das denn, wenn man jetzt hört, dass Herr Grube, der Bahnchef, gestern Jobverluste angekündigt hat?
    Jungbluth: Es kommt ja darauf an, wo die Jobverluste stattfinden. Natürlich sollten sie jetzt nicht in den Stellwerken und im Zugpersonal stattfinden. Sicherlich kann man bei einigen Lobbyisten und Pressesprechern durchaus mal den Rotstift ansetzen.
    "In puncto Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ist Deutschland fast Schlusslicht"
    Spengler: Wenn wir mal nach Europa schauen und gucken, wie steht die Bahn eigentlich im Vergleich da. In Frankreich funktioniert der schnelle TGV im Großen und Ganzen reibungslos. Der Zugverkehr in der Schweiz gilt als vorbildlich. Sogar in Großbritannien sind die Züge, das weiß ich aus eigener Erfahrung, ziemlich pünktlich. Was machen die anderen besser?
    Jungbluth: Was da interessant ist, dass nicht nur es teilweise besser funktioniert, wobei das auch immer schwer zu vergleichen ist, sondern auch die Kundenzufriedenheit ist in anderen Ländern auch bei Unpünktlichkeit oder bei Informationen deutlich höher. Da hat Eurobarometer vor zwei Jahren ungefähr die Fahrgäste befragt und in puncto Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit ist Deutschland da fast Schlusslicht. Dahinter fällt nur noch Polen und Frankreich.
    Das heißt, es ist nicht t nur unpünktlich, sondern die Fahrgäste sind irgendwie auch massiv frustriert, was oft zum Beispiel damit zusammenhängt, dass sie nicht genügend Informationen erhalten, wie dann die Reise weitergeht. Da muss die Bahn natürlich auch wirklich an ihrem Image arbeiten.
    Spengler: Gibt es hier eigentlich in Deutschland Qualitätsprüfungen der Bahn aus Nutzer-, aus Kundensicht?
    Jungbluth: Da hat England einiges richtig gemacht. Nachdem die Bahn erst mal durch Privatisierung fast zum Erliegen gekommen ist, gibt es in Großbritannien unabhängige Qualitätsberichte, die zweimal im Jahr von den Kunden erhoben werden und dann auch veröffentlicht werden. Das erhöht natürlich auch wirklich einen Druck auf die Eisenbahn, die Kundeninteressen und Kundenwünsche auch wirklich umzusetzen. Das wäre auch eine gute Idee für Deutschland. Und wenn man dann noch die Boni der Vorstände daran koppeln würde, wie hoch die Werte bei Kundenzufriedenheit sind, und zwar von unabhängigen Qualitätsberichten, dann würde sich die Motivation, glaube ich, erheblich steigern.
    "Die Bahn hat da sehr sehr viel zu tun"
    Spengler: Was ist denn aus Ihrer Sicht das Hauptproblem für die Kunden? Ist das die mangelnde Information, ist das die Pünktlichkeit, ist das, dass man keinen festen Sitzplatz garantiert bekommt, wenn man nicht eine Reservierung hat?
    Jungbluth: Ich glaube, das größte Problem entsteht immer dann, das wissen wir auch durch Befragungen, wenn ein Zug unpünktlich ist, dass dann die Informationen über die Weiterfahrt nicht ausreichen, dass man nicht weiß, wie komme ich dann wirklich noch zu meinem Zielort.
    Der Bahnvorstand hat ja wie gesagt eine Kunden- und Angebotsoffensive angekündigt. Da warten die Fahrgäste aber auch immer noch auf das kostenlose WLAN in der zweiten Klasse. Das ist zum Beispiel etwas, was man in Fernbussen vorfindet. Und genauso die Streichung der Gebühr für die Reservierung eines Sitzplatzes in der zweiten Klasse ist auch noch nicht erfolgt. Das heißt, nach den Ankündigungen müssen natürlich auch die Taten folgen, und da hat die Bahn wirklich sehr, sehr viel zu tun.
    "Die Bahn hat, wenn auch spät, dann doch den Schuss gehört"
    Spengler: Das heißt, Sie haben die Botschaft gehört, aber Ihnen fehlt der Glaube?
    Jungbluth: Nein. Ich glaube, die Bahn hat, wenn auch spät, aber dann doch den Schuss gehört. Aber sie hat einfach sehr viel aufzuarbeiten. Ich habe schon große Hochachtung davor, vor den vielen Aufgaben, die sie jetzt zu bewältigen hat, weil sie so lange da wirklich irgendwie ein bisschen gemächlich war.
    Spengler: Warum geht eigentlich Deutschland nicht den Weg der Schweiz und integriert endlich Nah-, Regional- und Fernverkehr, führt einen 30minütigen Deutschlandtakt ein, sodass immer ein Anschluss da ist, keiner sich Fahrpläne merken muss und dann auch eine Tür zu Tür Ticket möglich wäre?
    Jungbluth: Der Deutschlandtakt ist ja hier in Deutschland oder bei der deutschen Bundesregierung und mit der Bahn auch in Arbeit, und das ist auf jeden Fall auch ein Instrument, was gerade die Umstiege auf jeden Fall einfacher machen würde. Neben einem Deutschlandtakt bräuchte man dann jedenfalls im Regionalverkehr auch einen Deutschlandtarif. Dann würde es Fahrgästen einfach gemacht, auch wirklich die Eisenbahn zu nutzen.
    Spengler: Wenn Sie sagen, ist in Arbeit, wann rechnen Sie denn damit, dass das in Kraft tritt?
    Jungbluth: Da steht jetzt der Bundesverkehrsminister in der Pflicht, seinen Ankündigungen auch bald Rechnung zu tragen.
    Spengler: Danke! - Marion Jungbluth von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Einen schönen Tag wünsche ich Ihnen.
    Jungbluth: Wünsche ich Ihnen auch. Schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.