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Immer mehr wetterbedingte Naturkatastrophen

Orkan, Hagel, Überflutung - besonders heftige Wetterereignisse häufen sich. Und sie werden in den nächsten 30 Jahren in Deutschland weiter zunehmen, sind sich die Experten einig. Der Grund: Der Klimawandel und ein allgemeiner Anstieg der Temperaturen.

Von Verena Herb |
    Die Menschen werden immer dann überrascht von Naturkatastrophen, wenn sie sich gerade besonders sicher fühlen - meint Martin Claußen, Professor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.

    "Daher rege ich an, auf diesem Kongress oder vielleicht auch auf dem nächsten Kongress, einmal richtig zu fantasieren. Nun meine ich jetzt nicht allerdings a la 'The day after tomorrow', das brauchen wir nicht. Sondern das naturwissenschaftlich Mögliche, aber dennoch Unvorstellbare sich auszumalen."

    Die Sturmflut von 1962, das Oder-Hochwasser 1997 oder zuletzt Fukushima - Extremwetterereignisse, die zuletzt zu Naturkatastrophen geführt haben und viele Menschen das Leben gekostet haben. Aus diesen Erfahrungen heraus, sollte die Wissenschaft sich trauen, außergewöhnliche Szenarien zu simulieren.

    "Zum Beispiel eine Serie von Nordwest-Orkanen, gleichzeitig eine Hangrutschung am norwegischen Schelf, und vielleicht der Einbruch einer großen Salzkaverne hier in der Nähe der Elbe. Also: Die Eintrittswahrscheinlichkeit solch eines eigentlich unvorstellbaren Ereignisses ist mit Sicherheit nicht Null. Es könnte durchaus mal passieren. Und in der Folge wäre natürlich dann zu den naturwissenschaftlichen Szenarien die Behörden und Ingenieure gefragt."

    Um auf diese Szenarien entsprechend reagieren zu können. Eine Anregung, die bei den Experten auf dem siebten Extremwetterkongress in Hamburg auf sichtbares Interesse stößt.

    Denn Fakt ist: Seit den 1970er-Jahren ist die Anzahl der wetterbedingten Naturkatastrophen gestiegen, in Deutschland haben sie sich mehr als verdreifacht - das geht aus der Naturkatastrophendatenbank des Rückversicherers Munich Re hervor: Starkregen und damit verbundene Überschwemmungen, Hagel und Stürme werden nach Berechnungen von Klimamodellen in den nächsten 30 Jahren in Deutschland weiter zunehmen, sind sich die Experten einig. Der Grund: Der Klimawandel und ein allgemeiner Anstieg der Temperaturen.

    "Es sind, wenn man auf diesen Klimawandel schaut, gerade besonders die Extremwetterereignisse, die die größten volkswirtschaftlichen Schäden verursachen, das größte Risiko auch in diesem Bereich darstellen. Neben den gesundheitlichen Risiken, die vielleicht in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werden."

    Erklärt Frank Böttcher, Leiter des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation und Initiator des Extremwetterkongresses. Mit knapp 1500 Teilnehmern ist er das größte jährliche Treffen von Wetter- und Klimaforschern in Europa. Ein Aspekt, der auf dem Kongress behandelt wird ist die Frage: Ist Deutschland durch die Energiewende und die Fokussierung auf die Zunahme erneuerbarer Energien anfälliger für extreme Wetterereignisse? Soll heißen: Ist die Energieversorgungssicherheit langfristig in Gefahr?

    "Sie ist nicht in Gefahr. Ich denke, da kann man deutlich sagen, es sind extreme Ereignisse, die zunehmen. Aber, was man machen muss, ist, dass man sich darauf vorbereiten muss, dass solche Schwankungen auftreten."

    Sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. So kann zum Beispiel die Produktion eines Großkraftwerkes gefährdet sein, wenn die Flüsse aufgrund lang anhaltender Trockenheit Niedrigwasser führen und deshalb nicht genügend Kühlwasser da ist. Oder dass verändernde Windgeschwindigkeiten zu Schwankungen bei der Stromerzeugung führen: Treten zum Beispiel extreme Winde auf von über 28 Meter pro Sekunde, so die Energieexpertin, schalten sich große Windanlagen üblicherweise ab. Die Konsequenz also: Es müssen für diese Fälle Maßnahmen getroffen werden. Ein Beispiel: Der Ausbau der Stromnetze.

    "Sowohl von Norden nach Süden als auch ins europäische Ausland, als auch die intelligenten Verteilnetze. Sowie - und das ist sehr wichtig - auch der Ausbau der Stromspeicherung. Denn in dem Moment, wo es Variationen gibt, wo es möglicherweise auch Ausfälle gibt, ist es umso wichtiger, dass man Speichermöglichkeiten hat."

    Weitere Aspekte des Kongresses sind Frühwarnsysteme und der Katastrophenschutz oder die Folgen zunehmender Extremwetterereignisse für die Versicherungswirtschaft. Doch geht es auch um die Vorhersagbarkeit von Unwettern und Extremwetter im Allgemeinen und die Zusammenarbeit zwischen den Institutionen. Was die Experten jedoch heute noch nicht sagen können: Wie der Sommer in diesem Jahr werden wird.