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Immer noch mehr als fünf Millionen

5,04 Millionen Menschen waren im Februar in Deutschland arbeitslos gemeldet. Zwar gibt es vage Aussichten auf einen konjunkturellen Aufschwung, doch eine wirkliche Trendwende am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht. Neue Ideen sind gefragt, über Kombi- und Mindestlöhne wird derzeit an erster Stelle diskutiert

Von Michael Braun |
    "Wir bleiben hier, dafür kämpfen wir!"

    So hatte der Kampf um das Hausgerätewerk von AEG/Electrolux Mitte Januar begonnen. Die IG Metall forderte einen Sozialtarifvertrag. Der sollte Electrolux so teuer kommen, dass es sich nicht lohnt, die Arbeitsplätze nach Ungarn und Italien zu verlagern. So sieht der Kampf gegen die Globalisierung aus. Seit heute herrscht zumindest hier, an dieser aktuellen Baustelle des Arbeitsmarktes, Ruhe. Der Sozialplan ist vereinbart. Wie immer zeigen sich beide Seiten, Arbeitgeber und Gewerkschaft, als Gewinner.

    Die zweite aktuelle und laute Baustelle auf dem deutschen Arbeitsmarkt hat die Gewerkschaft ver.di eröffnet: Es geht um das Konzept der 80er Jahre, um Arbeitsverteilung, darum, im öffentlichen Dienst die Arbeitszeit kurz zu halten, damit sich mehr Menschen die vorhandene Arbeit teilen können. Seit dem 6. Februar wird dafür gestreikt. Längere Arbeitszeit, so ver.di, koste Arbeitsplätze. Mehr arbeiten und diese Mehrarbeit beschäftigungslosen Kollegen wegnehmen, das wollen die Bediensteten von Müllabfuhr und Kliniken und Kindertagesstätten, nicht, das will der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske nicht:

    "Wir setzen den Beschäftigten ein klares Zeichen, dass es reicht, dass wir die Schnauze voll haben, dass es Zeit ist gegenzuhalten."

    Und morgen wird wohl die dritte gewerkschaftlich bestimmte Baustelle des Arbeitsmarktes öffnen: Warnstreiks in der baden-württembergischen Metallindustrie. Mehrere zehntausend Beschäftigte wollen diese Woche auf ihre Forderung von fünf Prozent mehr Lohn aufmerksam machen. Diese Forderung hatte der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters auch mit arbeitsmarktpolitischen Motiven begründet:

    "Wer die Arbeitslosigkeit bekämpfen will, der muss umsteuern. Immer weniger Reallohn hat nicht zu mehr Arbeitsplätzen geführt. Diese Theorie der Arbeitgeber hat sich als Sackgasse für viele Millionen Menschen erwiesen."

    Derweilen scheint die Arbeitsmarktstatistik ihren gewohnt traurigen Gang zu gehen. Die Bundesagentur für Arbeit präsentierte heute die Arbeitsmarktdaten für Februar. 5,04 Millionen Menschen waren arbeitslos gemeldet. Und der Vorstandsvorsitzende der Agentur, Frank-Jürgen Weise, kommentierte die Daten so:

    "Die Arbeitslosigkeit ist im Februar noch einmal leicht gestiegen und liegt wie im Januar über fünf Millionen. Diese jahreszeitlich übliche Entwicklung ändert jedoch nichts an unserer optimistischen Grundeinschätzung der aktuellen Arbeitsmarktsituation. Seit Monaten geht die Arbeitslosigkeit tendenziell zurück."

    Die Stimmung der Konsumenten ist gut, die Urteile der Unternehmen über ihre aktuelle Lage und Geschäftsaussichten fallen so brillant aus wie im Boomjahr 2000: Die Volkswirte korrigieren ihre Wachstumsprognosen nach oben. Deutschland, so heißt es, profitiere vom Wachstum der Weltwirtschaft. Deutschland habe seine Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich deutlich verbessern können.

    "Was gefällt ist, dass offensichtliche Mängel anerkannt, erkannt werden und darüber diskutiert wird: Wie wird es abgestellt? – Kleine Anmerkung noch: Wir merken schon, wenn die beiden großen Volksparteien miteinander arbeiten und nicht über die BA Oppositionsarbeit machen, dass man einen Schritt schneller an die Themen herankommt."

    Die Lohnstückkosten, so Gertrud Traud, die Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, hätten sich seit 1995 in der Eurozone um 15 Prozent erhöht. In Deutschland dagegen seien sie leicht rückläufig. Und das wirke nun auch auf den Arbeitsmarkt:

    "Davon gehen wir aus. Wir sehen, dass insbesondere bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mittlerweile eine Besserung eingetreten ist. Vorher hatten wir immer nur einen Wechsel von den Sozialversicherungspflichtigen weg zu so genannten Minijobs und ähnliches, so dass für die gesamte Lohn- und Gehaltssumme am Ende wenig übrig bleibt. Jetzt sehen wir eine tatsächliche Stabilisierung, und wir erwarten einen Rückgang der Arbeitslosenzahlen im Laufe dieses Jahres."

    Es ist zunächst eine Hoffnung, und es ist zunächst auch noch sehr unwahrscheinlich, dass die alten Mechanismen des Arbeitsmarktes sich grundlegend ändern. Bisher war es so: In jeder konjunkturellen Belebungsphase wurde die Arbeitslosigkeit nicht so stark abgebaut, wie sie zuvor angewachsen war. Und jedes Jahr beginnt der neuerliche Abbau der Arbeitslosigkeit von einem höheren Niveau. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit kennt seit dem Jahr 2001 nur eine Richtung: nach oben. 3,9 Millionen Arbeitslose hatte die Bundesagentur 2001 registriert, 4,9 Millionen waren es 2005.

    Und die optimistischste Variante der Bundesagentur für Arbeit geht für 2006 von einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 4,8 Millionen aus. Selbst wenn also diese Zahl erreicht wird, tut sich nicht wirklich viel. Der so genannte Sockel der Arbeitslosenstatistik wird also wohl noch weiter wachsen. Und es dürfte sich auch nur wenig an der Struktur der Arbeitslosigkeit ändern.

    Zwei große Problemgruppen stehen dort nebeneinander. Alexander Spermann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim:

    "Wir haben zwei Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Und man kann diesen Sockel in der Art und Weise beschreiben, dass er darin besteht, dass die Geringqualifizierten in extrem hohem Maße arbeitslos sind: Die entsprechende Arbeitslosigkeitsquote der Geringqualifizierten in Ostdeutschland geht hoch bis über 50 Prozent. Und zum zweiten kann man diesen Sockel auch so beschreiben, dass Langzeitarbeitslosigkeit ein Riesenproblem ist. Jeder zweite Arbeitslose ist mehr als ein Jahr arbeitslos und in der Tendenz steigend."

    Auf einem Werkshof in einem Mannheimer Gewerbegebiet fährt ein Lastwagen vor. Er kommt aus Graz, hat Ersatzteile für DaimlerChrysler geladen. Rückwärts rollt er auf die Laderampe zu, der Lkw wird hier entladen, die Ersatzteile werden verpackt und anschließend in die Logistikzentren von Daimler versandt. Hier – das ist die ad laborem GmbH, eine gemeinnützige GmbH also, gegründet und geführt von der Caritas Mannheim mit jetzt 42 Mitarbeitern, die Hälfte davon schwerbehindert.

    Kaum ist die Ladebrücke auf den Hänger gefallen, kommt auch schon ein Gabelstapler angefahren, greift sich eine Palette mit Gitterboxen. Darin lagern Windabweiser, Kotflügel und Ersatzräder. Der Gabelstapler verschwindet damit in der Packhalle. Rund 1500 Euro verdient hier ein Mitarbeiter in der untersten Stufe, Tariflohn sei das, berichtet der Werksleiter von ad laborem - und sicher ein knapper Tausender weniger als ein Daimler-Mitarbeiter bekäme. Ad laborem hat eine ehrenamtliche Geschäftsführung. Neben geringen Lohnkosten entstehen also auch kaum Verwaltungskosten. Dennoch konnte das Unternehmen den ursprünglichen Auftrag, Kabelbäume für DaimlerChrysler zu fertigen, nicht halten. Betriebsleiter Klaus Litwinschuh erzählt:

    "Wir waren lange, viele, viele Jahre Zulieferer in der Kabelsatzfertigung für DaimlerChrysler. Und die Kabelsatzfertigung ist leider im Rahmen der Globalisierung von Mannheim weggegangen, so dass also auch wir diese Arbeit verloren haben. Wir haben nicht den Auftrag verloren, sondern dieser Auftrag wurde im Rahmen der Globalisierung ausgelagert. Das heißt, DaimlerChrysler musste selbst Kosteneinsparprogramme machen und ein Thema davon war wohl der Kabelsatz. Und der wird jetzt im Ausland hergestellt zu günstigeren Konditionen, und da konnten wir nicht mithalten."

    Globalisierung empfinden viele als Fluch. Vor allem in den Gewerkschaften. Der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters:

    "Globalisierung heißt für die Unternehmer, dass die Managergehälter sich an den USA orientieren sollen und die Löhne an China. Das muss endlich ein Ende haben. Der Tunnelblick der Arbeitgeber auf die Löhne hilft nicht weiter."

    Doch hat die Globalisierung auch viel Nutzen gestiftet, hat Märkte erschlossen, Regionen stärker entwickelt, als es jede Form von Entwicklungshilfe hätte tun können. Die Globalisierung hat vor allem zu einer Mischkalkulation geführt: Produkte sind dadurch preiswerter gemacht worden und somit wettbewerbsfähiger geworden.

    Audi etwa ist 1992 auf die Idee gekommen, seine Motoren in Ungarn fertigen zu lassen. Und Personalvorstand Werner Widuckel ist voll des Lobes über die hohe Qualifikation und die niedrigen Kosten der Arbeit dort:

    "Die Grundqualifikation der Arbeitnehmer ist sehr hoch. Wir haben einen Facharbeiteranteil in der Produktion von über 90 Prozent. Die Leute sind sehr motiviert, sind sehr flexibel. Natürlich ist auch nicht zu bestreiten, dass wir einen starken Lohnkostenvorteil haben: Die Fertigungspersonalkostenstunde macht etwa 12 Prozent einer solchen in Deutschland aus. Und das sind natürlich auch schon wettbewerbsbezogene Argumente. Der Qualitätsstandard gehört mit zu den höchsten im VW-Konzern. Wir fertigen in Ungarn wirklich die besten Motoren."

    Das alles fließt in die Kalkulation für das gesamte Fahrzeug ein. Es wird preisgünstiger und somit wettbewerbsfähiger. Das habe allen Standorten genutzt, auch den deutschen, sagt Widuckel, selbst wenn dort nun keine Motoren mehr gebaut werden.

    "Es ist zwar ein Fertigungsbereich weggefallen, nämlich die Motorenfertigung, die vorher in Ingolstadt angesiedelt war, aber es sind keine Arbeitsplätze weggefallen, weil wir durch die Optimierung der Kostenstrukturen bei den Motoren gleichzeitig auch die Preisposition bei den Fahrzeugen verbessert haben. Und dies hat ermöglicht, dass wir unsere Produktion von Fahrzeugen seit 1992 mehr als verdoppelt haben. Das hat dazu geführt, dass sowohl in Ungarn als auch an den deutschen Standorten, in Ingolstadt und Neckarsulm, die Arbeitsplätze gewachsen sind."

    Vor Tarifverhandlungen gegen die Globalisierung zu wettern, gehört inzwischen zum Ritual. Abseits davon geben auch führende IG-Metaller zu, die Öffnung der Märkte habe für mehr Arbeit gesorgt – nicht nur der Export. Wolfgang Rhode, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall meint dazu:

    "Es gibt da ja ganz unterschiedliche Schätzungen. Man muss da sehr vorsichtig sein. Aber unter dem Strich sagen alle wissenschaftlichen Untersuchungen, dass diese Arbeitsplatzbilanz durch eine Internationalisierung der Produktion positiv für die Bundesrepublik Deutschland ausfällt. Wie hoch dieses Saldo dann letzten Endes ist, darüber streiten sich wissenschaftliche Geister. Ich will mich an diesen Zählungen nicht beteiligen. Ich sage nur: Es ist positiv, und das ist ein Erfolg für die Wirtschaft hier."

    Doch der heute beendete Streik im AEG-Werk in Nürnberg zeigt, wer davon nicht profitiert: die einfacheren Arbeitsbereiche, die niedrig qualifizierten Menschen.

    Die Bundesregierung diskutiert derzeit den Mindestlohn. Auch Geringqualifizierten soll es auf der Großbaustelle Arbeitsmarkt möglich sein, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Das würde den Staat von der "Stütze" und die Betroffenen von dem Gefühl befreien, der Gemeinschaft auf der Tasche zu liegen. Von der Methode Mindestlohn hält der Arbeitsmarktexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Alexander Spermann, nichts:

    ""Das ist zweifellos eine Form, um Geringqualifizierte vom Arbeitsmarkt abzuhalten, weil wenn Sie Mindestlöhne beispielsweise auf dem Niveau von acht Euro die Stunde einführen, dann werden Sie ganz sicher Beschäftigungschancen für diese Gruppe zerstören. Der Mindestlohn ist nichts Gutes, sondern ist gut gemeint und bewirkt genau das Gegenteil dessen, was man davon erwartet. Viel sinnvoller ist es, niedrige Löhne pro Stunde zuzulassen, aber die dann aufzustocken im Rahmen des Arbeitslosengeldes II, damit ein Leben oberhalb des Existenzminimums möglich wird.""

    Sechs Euro Mindestlohn ist ein Vorschlag, der in der Bundesrepublik momentan im Gespräch ist. Experte Spermann würde allenfalls vier Euro für nicht beschäftigungsfeindlich halten. Und er kommt auch schnell mit einem Beispiel dafür heraus, was passieren könnte, wenn vom Staat zu hohe Mindestlöhne festgesetzt würden:

    "Die aktuellste Erfahrung in Deutschland besteht doch darin, dass in den 90er Jahren in Ostdeutschland von den Tarifparteien, also von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, hohe Löhne, über der Produktivität liegende Löhne vereinbart wurden mit der Konsequenz, dass in großem Umfang Arbeitsplätze, die diese Produktivität nicht bringen konnten, abgebaut wurden. Die Massenarbeitslosigkeit in Ostdeutschland ist das beste Beispiel für zu hohe vereinbarte Löhne."

    Schon jetzt arbeiten etwa 650.000 Niedrigqualifizierte ganztags und bekommen vom Staat Arbeitslosengeld II, um von ihren Gesamteinkünften leben zu können: ein Kombilohn-Modell also.

    Doch haben genau solche Kombilohn-Modelle auch ihre Nachteile: Unternehmen könnten versucht sein, Tariflöhne in Mindestlöhne zu verwandeln. Dann müsste der Staat einen Teil der Lohnsumme zahlen - und nicht mehr der Arbeitgeber. Natürlich muss das bei der Gesetzesberatung verhindert werden.

    Doch wäre es gleichermaßen naiv wie unrealistisch, jeden Geringqualifizierten aus- und fortbilden zu wollen. Die Fähigkeiten dafür reichen einfach viel zu oft nicht aus.

    Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, zieht schon lange durch die Lande und wirbt für einen Niedriglohnsektor. Er geht dabei noch deutlich weiter. Ihm schweben in der Tat nicht nur niedrige, sondern sogar niedrigste Löhne vor:

    "Das Thema sind nicht nur die hohen Lohnnebenkosten: Selbst wenn der liebe Gott die Lohnnebenkosten bezahlte, hätten wir immer noch das Problem, dass der Sozialstaat Lohnersatzleistungen anbietet, die es für Marktwirtschaft sehr schwierig machen, mit diesen Lohnersatzleistungen zu konkurrieren. Das ist das Thema, um das es hier geht. Und deswegen muss man entweder den Sozialstaat abbauen. Das sagen viele. Aber das sagen wir nicht, sondern wir wollen die Anreizstrukturen ändern: Der Staat soll Geld zur Verfügung stellen, für die, die bedürftig sind, aber doch bitte nicht unter der Bedingung, dass sie sich absentieren aus dem Arbeitsmarkt, sondern verstärkt unter der Bedingung, dass sie selber auch mitmachen. Und wenn man das so macht, dann sind diese Mindestanspruchslöhne plötzlich weg. Dann ist die Lohnskala nach unten flexibel. Man kann im Prinzip erreichen, dass alle Menschen beschäftigt werden, und sei es auch zu Hungerlöhnen, wenn man ihnen dann durch den Staat die Mittel, die man zur Verfügung hat, oben drauf gibt, so dass sie in der Summe aus dem selbst verdienten Geld und dem, was sie vom Staat kriegen, mehr verdienen jedenfalls als es unserem sozialen Existenzminimum entspricht. Das ist der Weg, wie der Sozialstaat konstruiert werden muss."

    Demnach würden auch Mindestlöhne von sechs oder acht Euro, wie sie nun von der Regierung Merkel angedacht werden, nicht helfen, Arbeit zu schaffen für die Menschen, die wegen zu geringer Qualifizierung dauerarbeitslos geworden sind. Das sind immerhin 40 Prozent der Arbeitslosen. Qualifizierung ist sicher das wichtigste Gebot auf der Baustelle Arbeitsmarkt. Aber da, wo diese nicht möglich sei, nicht realistisch sei, müsse eben Arbeit angeboten werden, die der Leistung entspreche. Dafür Perspektiven und Arbeitsfelder aufzuzeigen, ist nicht leicht, weil doch viel von den noch unwägbaren Chancen abhängt, die sich in einem neuen Marktsegment auftun.

    Arbeitsmarktforscher Alexander Spermann wagt dennoch einen Versuch:

    "Hätten Sie mich vor 20 Jahren gefragt, ob eine Pizza ins Haus geliefert werden kann und derjenige, der liefert, drei Euro die Stunde verdient, hätte ich geschmunzelt. Jetzt können wir auch nicht sagen, welche Dienstleistungen in fünf oder zehn Jahren tatsächlich gefragt werden vom Markt. Da müssen wir uns überraschen lassen. Es spricht einiges dafür, dass bei den haushaltsnahen Dienstleistungen, im Pflegebereich beispielsweise, viele neue Jobs entstehen. Aber welche Dienstleistungen im einzelnen am Markt nachgefragt werden, können wir im Moment nicht sagen. Aber wir können darauf vertrauen, dass neue Dienstleistungen nachgefragt werden, wenn wir auch niedrigere Stundenlöhne zulassen."

    Das könnte für einen großen Teil der Arbeitslosen, für die Geringqualifizierten, eine Perspektive bedeuten. Eine weitere ergebe sich aus der demografischen Entwicklung. Schon von 2010 an machen sich die sinkenden Geburtenraten auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar, weil ab dann weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Doch entscheidend für die Zukunft dürfte sein, dass sich Wettbewerbsdenken durchsetzt, ein Denken, das jeden Lohn an eine Leistung und jeden höheren Lohn an eine höhere Leistung bindet. Wenn man Wolfgang Rhode, das geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, hört, könnte man fast meinen, man fände dafür auch bei den Gewerkschaften im Grundsatz Unterstützung:

    "Den internationalen Wettbewerb an der Preisfront gewinnen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Wir müssen, wie wir es in der IG Metall sagen, besser statt billiger sein."