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Immergrüne Landwirtschaft für Afrika

Im Jahr 2050 könnte es bei neun Milliarden Menschen auf dem Globus nötig sein, die globale Nahrungsmittelproduktion um 70 Prozent zu steigern, sagen Studien. Durch den Klimawandel verursachte Ernteausfälle dürften die Situation noch verschärfen - insbesondere in Afrika. Deshalb soll gerade hier die Landwirtschaft klimabewusster werden.

Von Volker Mrasek |
    "Agrarwissenschaft ist oft dann am besten, wenn sie traditionelle Praktiken von Landwirten aufgreift und sie durch Forschung weiterentwickelt."

    Für Dennis Garrity ist genau das der Weg, um die Ernährungskrise in Afrika zu beheben. Der US-Amerikaner ist Direktor des Weltzentrums für Agroforstwirtschaft in Kenia. Auf der Fachkonferenz in Den Haag sang der Agrarwissenschaftler jetzt ein Loblied auf das, was er "immergrüne Landwirtschaft" nennt. Eine traditionelle Anbauweise, die Afrikas Kleinbauern viel höhere Erträge einbringen könne, wie Garrity sagt:

    "Immergrüne Landwirtschaft bedeutet, Mais-, Weizen- oder Hirseäcker mit Bäumen zu bepflanzen. Es ist kein neues Modell. Viele afrikanische Kleinbauern verfahren schon so. Wir haben das genau untersucht und können nun sagen: Es ist möglich, die Erträge der immergrünen Landwirtschaft zu steigern und sie noch stärker in Afrika zu verbreiten."

    Geeignete Ackerbäume gehören zur botanischen Familie der Hülsenfrüchtler. Die besondere Eigenart dieser Pflanzen: Sie leben in Symbiose mit Bakterien in ihren Wurzelknöllchen. Die sind in der Lage, Stickstoff aus der Luft aufzunehmen, und geben den wichtigen Pflanzennährstoff an ihre Wirte weiter. Verlieren die Bäume später ihre Blätter und wird das Laub zersetzt, landet der Stickstoff schließlich im Ackerboden und macht ihn fruchtbarer.

    Die Forscher sprechen deshalb auch von Düngebäumen. Sie favorisieren eine Akazienart, den Anabaum. Weil er botanisch ziemlich aus der Art schlägt ...

    "Diese Bäume tragen erstaunlicherweise nur in der Trockenzeit Blätter, wenn das Getreide schon geerntet ist. Während der Regenzeit sind sie nackt, und ihre abgefallenen Blätter versorgen den Boden mit Dünger für die Feldfrüchte. Die Bäume verdunsten dann kein Wasser mehr, sie nehmen dem Mais oder dem Weizen weder das Licht noch Nährstoffe weg. Im Gegenteil: Das Getreide gedeiht durch den organischen Dünger, der zum Boden fällt."

    Mais ist das in Afrika am häufigsten angebaute Getreide. Doch nur zwei Prozent der Felder sind mit dem Anabaum bepflanzt, wie es in einem neuen Report der FAO heißt, der UN-Organisation für Lebensmittel und Landwirtschaft.

    Hier liegt auch aus der Sicht von US-Forscher Garrity ein enormes Potenzial für die immergrüne Landwirtschaft brach:

    "Es gibt mittlerweile Hunderte Fachartikel allein über den Anabaum. Sie zeigen, welche dramatischen Verbesserungen man mit seiner Anpflanzung erzielen kann. Zurzeit liegen die Ernteerträge für Getreide in Afrika bei etwa einer Tonne pro Hektar und Jahr. Das ist gerade mal ein Zehntel von den Erträgen in den USA. Doch sie könnten ohne Weiteres verdoppelt, verdreifacht oder sogar vervierfacht werden, gestützt auf die immergrüne Landwirtschaft. Noch erzeugt Afrika nicht genügend Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung. Doch im Prinzip könnte es sogar einen Überschuss produzieren."

    So viel zum theoretischen Potenzial. In der Praxis kann es aber schwer sein, einen Kleinbauern von den Vorzügen einer Baumpflanzung zu überzeugen. Der australische Umweltökonom Samuel Bell, der ein Pilotprojekt mit dem Anabaum in Sambia im südlichen Afrika betreut:

    "Es geht hier nicht um Raketenwissenschaft, sondern um gängige Anbaumethoden. Als Kleinbauer steckt man aber am Anfang viel zusätzliche Arbeit in die Aufzucht der Bäume, und nichts passiert. Die positiven Effekte stellen sich erst ein, wenn die Bäume sieben bis zehn Jahre alt sind. Erst dann nehmen Bodenfruchtbarkeit und Erträge zu."

    Bell und seine Mitstreiter versuchen deshalb nun, den Ackerbau unter Bäumen als Klimaschutzmaßnahme anerkannt zu bekommen, für die es geldwerte Emissionsrechte gibt. Denn die immergrüne Landwirtschaft hat einen angenehmen Nebeneffekt: Kommen Bäume hinzu, speichern die Böden mehr Kohlenstoff als in reinen Getreidebeständen.