Archiv


Immigranten verlassen Italien

Unter dem Druck der Rezession verlassen immer mehr Migranten Italien. Und das, obwohl die Gastarbeiter bei der Rückkehr ins Heimatland ihre bereits geleisteten Rentenzahlungen abschreiben müssen. Für Italiens Rentenkasse ein gutes Geschäft und so gibt es staatliche Unterstützung für die Rückkehr.

Von Karl Hoffmann |
    So wie Lando Alfonso aus Afrika geht es derzeit vielen Immigranten in Italien:

    "Ich kam nach Italien auf der Suche nach Arbeit. Anfangs ging das gut, aber jetzt findet man keinen Job mehr. Ich habe große Lust wieder in meine Heimat zurückzukehren, weil ich einfach nicht mehr genug Geld zum Leben habe."

    Bestärkt werden die Italien müden Immigranten durch fröhliche Werbespots, die Unterstützung durch italienischen Staat und EU bei der freiwilligen Rückkehr nach Hause versprechen:

    "Ich wollte zurück nach Hause, aber ich wusste nicht, sagt einer. Geld für die Reise, Papiere und sogar eine Hilfe für Neuanfang in meinem Land. Lass auch du dir helfen."

    Etwa 1000 Personen werden in diesem Jahr die staatlich geförderte Heimreise antreten. Doch noch viel mehr verzichten auf das freundliche, aber mit viel Bürokratie verbundene Angebot. Schätzungsweise 800.000 der insgesamt 5,3 Millionen Immigranten haben Italien seit 2011 den Rücken gekehrt. Für die italienischen Rentenkassen auf lange Sicht ein gutes Geschäft. Wer nicht mindestens 20 Jahre lang einbezahlt hat und das Land verlässt, verliert jeden Anspruch auf Mindestrente, wenn er aus einem Land außerhalb der EU kommt. Dabei sind es derzeit ausgerechnet die noch in Italien arbeitenden Ausländer, die mit ihren sieben Milliarden Euro jährlichen Beiträgen die Rentenkassen vor der Pleite retten und die Versorgung der überalterten italienischen Bevölkerung sicherstellen. Unter dem Strich ist die ausländische Bevölkerungsgruppe ein ansehnlicher Reingewinn für Italien. Sie erwirtschaftet 1,7 Milliarden Euro mehr, als sie den Staat kostet. Trotzdem werden ausländische Arbeitskräfte in der derzeitigen Krise zunehmend als unliebsame Konkurrenz verteufelt. Andererseits sind sie oft rechtlos und müssen, zum Beispiel als Altenbetreuer für lächerliche 600 bis 800 Euro im Monat oft bis zur Erschöpfung arbeiten, sagt Marina aus Peru.

    "Viele Arbeitgeber nützen es aus, dass wir Pflegekräfte schwarzarbeiten müssen und keine Aufenthaltserlaubnis haben. Sie verlangen, dass wir auch an unseren freien Tagen arbeiten. Oft sind wir völlig erledigt, weil wir täglich schuften und das oft noch bis spät in die Nacht."

    Wegen der Wirtschaftskrise und den schlechten Arbeitsbedingungen haben alleine etwa 100.000 Pflegekräfte im letzten Jahr das Land verlassen. Mehr als die Hälfte der Rückkehrer stammte übrigens aus europäischen Ländern, allen voran Rumänien und Polen. 20 Prozent aus Asien, nur etwa zwölf Prozent aus Afrika. Viele chinesische Billigläden schließen. Ihre Besitzer kehren in die Heimat zurück, wo die Wirtschaft im Gegensatz zu Italien boomt. Menschen aus den schwarzafrikanischen Ländern überlegen sich, ob sich die gefährliche Reise bis nach Italien noch lohnt. Auf den Baustellen in Marokko verdient ein Hilfsarbeiter inzwischen zehn Euro pro Tag mehr als ein Erntehelfer in den Orangenhainen Süditaliens, wo die Lebensbedingungen zudem dramatisch schlecht sind, wie der Senegalese Ibrahim schildert:

    "Was wir hier ertragen müssen, ist kaum zu schildern, es geht uns so schlecht, die Hälfte ist krank. Und viele von uns würden gerne wieder zurückkehren, aber wir wissen nicht wie. Früher ging es mir viel besser, nicht mal bei mir zuhause habe ich derart miserabel gelebt."

    Nicht nur den Immigranten geht es immer schlechter, auch ein Sechstel der italienischen Familien lebt inzwischen unterhalb der Armutsgrenze. Neueste Zahlen sprechen von sechs Millionen Arbeitslosen. Italiens Familien müssen sparen und übernehmen häusliche Arbeiten wieder selbst, statt ausländische Hilfskräfte zu beschäftigen. Oder die Arbeitsplätze fallen wegen Ablebens ganz weg, wie jener von Ludmilla aus der Ukraine, auch sie auf dem Weg nach Hause.
    "Der Mann, bei dem ich arbeitete, ist gestorben. Und die Hinterbliebenen sagten mir, dass ich nicht mehr gebraucht werde. Und da stand ich dann mit leeren Händen da."