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Immobilienbranche zur Reform der Grundsteuer
"Dann wird natürlich der Neubau eingeschränkt werden"

Der Präsident des Lobbyverbands Zentraler Immobilien Ausschuss, Andreas Mattner, hat die geplante Reform der Grundsteuer kritisiert. Der zu erwartende Bürokratieaufwand sei extrem hoch, sagte Mattner im Dlf. Außerdem bestehe die Gefahr, dass der Wohnungsneubau unattraktiv werden könnte.

Andreas Mattner im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 14.01.2019
    Die Elbphilharmonie und die Hamburger Hafencity im Sommer 2017
    Die Elbphilharmonie und die Hamburger Hafencity (imago/Pemax)
    Dirk-Oliver Heckmann: Ob Sie Mieter sind oder in einer eigenen Immobilie leben - jeder zahlt sie: die sogenannte Grundsteuer. Für Städte und Kommunen ist sie unverzichtbar. Denn die 14 Milliarden, die jährlich fließen, sind notwendig, um die Infrastruktur aufrecht zu erhalten, ohne die nichts geht. Die Frage ist nur: Wie genau soll die Reform aussehen?
    Über das Thema Grundsteuer haben wir schon verschiedentlich mit Politikern aller Parteien, mit Vertretern der Kommunen und etwa mit dem Mieterbund und der Vereinigung der Haus- und Wohnungsbesitzer gesprochen. Heute sprechen wir darüber mit einem Vertreter der Immobilienwirtschaft, nämlich mit Andreas Mattner. Er ist Präsident des Zentralen Immobilienausschusses. Das ist ein Lobby-Verband, zu dem sich zahlreiche Unternehmen und Verbände zusammengeschlossen haben, die im Immobilienbereich tätig sind. Schönen guten Morgen, Herr Mattner!
    Andreas Mattner: Schönen guten Morgen!
    Heckmann: Herr Mattner, Olaf Scholz will ein wertabhängiges Modell. Wer teuer wohnt, der soll auch eine höhere Grundsteuer zahlen. Das ist aus dem Blickwinkel der sozialen Gerechtigkeit doch eine gute Idee, oder?
    Mattner: Hört sich auf den ersten Blick so an, auf den zweiten Blick aber nicht, und am Ende werden letztlich sogar die Bürger draufzahlen. Ich werde erst mal, glaube ich, anführen müssen, dass tatsächlich der Bürokratieaufwand einer ist, den man kaum stemmen kann. In diesem Wertmodell von Olaf Scholz sind gleich erst mal zwei verschiedene Ermittlungsverfahren drin, je nach Gebäudeart, Gewerbeimmobilie oder Wohnimmobilie.
    Dann gibt es eine Vielzahl von Einzelpunkten, die zu ermitteln wären: die tatsächliche Miete, die fiktive Miete, das Baujahr, die Restnutzdauer, abgezinster Bodenwert und manches mehr. Das schaffen unsere Verwaltungen gar nicht. Wir haben 35 Millionen Liegenschaften in Deutschland. Das Bundesfinanzministerium hat selbst mal gesagt, dass man dafür mit 2000 weiteren Beamten plant. Jetzt sagen die Bayern, wir bräuchten allein nur für Bayern 3400 weitere Finanzbeamte, um das zu stemmen.
    Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA)
    Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilienausschusses (ZIA) (dpa)
    "Etwas Bürokratie ist es nicht"
    Heckmann: Vielleicht muss das ja sein, Herr Mattner. Olaf Scholz sagt ja, diese Reform, die dürfe nicht zu einer Belastung von Menschen mit wenig Geld und zu einer Gefährdung billiger Mieten in guten Wohngegenden führen. Ist es da nicht auch angezeigt, da etwas Bürokratie in Kauf zu nehmen, um die soziale Gerechtigkeit im Blick zu behalten?
    Mattner: Etwas Bürokratie ist es nicht. Wenn man allein nur dafür schätzt, dass eine einzelne Bewertung ungefähr 500 Euro wert sein würde, müsste man bei 35 Millionen schon mal 17 Milliarden auf den Tisch legen, bevor irgendetwas passiert. Nein, ich glaube aber auch, dass Flächenmodelle als Gegensatz dazu zu wirklich gerechten, ausgeglichenen Ergebnissen führen würden.
    Sie müssen auch sehen, dass Wertermittlungsmodelle immer streitanfällig sind. Das heißt, es soll um einen Wert gehen. Die meisten werden damit nicht einverstanden sein, mit der Festsetzung. Das wird dann danach sämtlichst unsere Verwaltung wieder lahmlegen und auch die Gerichte. Es wird nicht funktionieren.
    Dann ist ja auch darin, wenn man auf den Wert abstellt, eine Art immanente steigende Kostenkomponente. Das heißt, wenn etwas mehr wert wird, dann wird es noch mal wieder teurer werden. Und dann ist es auch ungerecht. Sie sagen ja, es soll gerecht sein. Ist es denn gerecht, wenn in identischen Wohngegenden unterschiedliche Werte verlangt werden? Es wäre ja dann derjenige besser dran, der eine bessere Miete ausgehandelt hat als derjenige, der eine schlechtere Miete ausgehandelt hat. Da gibt es dann unterschiedliche Grundsteuern. Das funktioniert nicht.
    "Der Wettbewerb der Grunderwerbssteuer in Deutschland ist schon massiv"
    Heckmann: Pardon, Herr Mattner. Das will ja Olaf Scholz verhindern, dass Leute, die eine günstige Miete haben, aber in der Stadt leben, in einer guten Lage, dass die dort bleiben können und sich nicht auf eine hohe Mehrbelastung einstellen müssen oder sogar wegziehen müssen. Sie sprechen sich für das Flächenmodell aus und nehmen dafür in Kauf einen massiven Verdrängungsprozess?
    Mattner: Das nehmen wir nicht in Kauf, weil das Flächenmodell knüpft an an ganz normale objektive Werte wie die Größe des Grundstücks, die Größe der Wohnfläche oder auch der Nutzfläche. Das führt nicht zu höheren Belastungen, sondern im Gegenteil: die bleiben konstant.
    Das Bundesfinanzministerium hat ja selbst auch Werterrechnungen gemacht und hat seinem Modell Tabellen beigelegt. Dann sieht man schon mal bei Gewerbeimmobilien, dass dort bis zu elf Prozent mehr Grunderwerbssteuer in Deutschland genommen wird, was schon mal schlecht ist für all diejenigen, die Handel betreiben. Die können keine höheren Belastungen vertragen.
    Dann kommt dieses Modell auch noch zu unterschiedlichen Ergebnissen in den Ländern. Es weist zum Beispiel einen Wert von 63 Prozent mehr Steuereinnahmen im Land Berlin auf, und dann sagt Berlin, dann werden wir den Hebesatz verändern und auf diese Steuern verzichten. Glauben Sie das?
    Heckmann: Das könnte man alles ausgleichen.
    Mattner: Ja, das kann man Ausgleich. Nur sehen Sie, der Wettbewerb der Grunderwerbssteuer in Deutschland ist doch schon massiv, und alle Länder, die schwach in ihren Einnahmen sind, haben das immer wieder behauptet, sie würden die Grunderwerbssteuer zurückfahren, haben es aber nie getan. Im Gegenteil! Glauben Sie daran, dass die Grunderwerbssteuer in Deutschland noch mal sinken wird? Wenn Sie das glauben, dann glauben Sie auch das Scholz-Modell.
    Heckmann: Auf meine Meinung kommt es an der Stelle nicht an, sondern wir wollen ja Ihre Position herausarbeiten.
    Mattner: Die haben Sie gehört. Ich glaube nicht daran.
    Paul Kirchhof, Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, hält am 10.10.2012 in der Residenz in München (Bayern) den Festvortrag zur Verleihung des Bayerischen Verdienstordens.
    Für Steuerrechtler Paul Kirchhof verstößt das Wertmodell von Olaf Scholz gegen das Grundgesetz (dpa / picture alliance / Frank Leonhardt)
    "14 Milliarden Euro Steuern sind dann auf einmal weg"
    Heckmann: Welche Folgen hätte es denn aus Ihrer Sicht, wenn Scholz sich durchsetzen würde?
    Mattner: Na ja. Wir haben seit einigen Tagen eine verfassungsrechtliche Stellungnahme von Professor Kirchhof, einem ganz anerkannten Steuerrechtler aus Deutschland. Der sagt klipp und klar, das Wertmodell von Olaf Scholz verstößt gegen mehrere Mechanismen im Grundgesetz. Er hält es klar für verfassungswidrig. Und nicht nur das: Er sagt auch, dass die dazugekommene Diskussion, die etwa unsere Bundesjustizministerin angestoßen hat, dass die Umlegung einer solchen Steuer nicht mehr zulässig sein soll, ebenfalls solchen verfassungsrechtlichen Bedenken entgegensteht, und dann haben wir ein Riesenproblem.
    Das Bundesverfassungsgericht hat klipp und klar gesagt, der Staat darf nicht schon wieder ein verfassungswidriges Modell vorlegen. Wenn er das tut, sind alle Steuern - Sie haben vorhin erwähnt, 14 Milliarden Euro - auf einmal weg. Die Sorge muss jetzt groß sein, wenn ein solches verfassungswidriges Wertmodell vorgelegt wird, dass diese Steuer verfassungswidrig ist und die Einnahmen alle wegbrechen.
    Heckmann: Das würde sich dann noch zeigen, ob es wirklich verfassungswidrig ist, denn das ist erst mal nur ein Gutachten und Gutachten gibt es sicherlich immer in alle Richtungen. Wie ist denn die Folge eines solchen Modells, wenn Scholz sich durchsetzen würde? Würde denn auch aus Ihrer Sicht weniger gebaut in den Ballungszentren?
    Mattner: Na ja. Überall dort, wo mehr Steuern anfallen, dann wird weniger gebaut, und das dann im doppelten Sinne. Wenn die Bemessung höher sein wird, und damit ist zu rechnen, dann wird natürlich der Neubau eingeschränkt werden. Und wenn man dann zudem noch auf die Idee käme, es nicht mehr umlegen zu lassen, was bei einer solchen Grundsteuer eigentlich immer immanent ist, dann wird man noch weniger auf die Idee kommen, den Neubau damit anzukurbeln.
    Wir brauchen im Gegenteil eigentlich eine Entlastung für all diejenigen, die neu bauen, um Wohnungen zur Verfügung zu stellen für die Menschen, denn nur wenn wir viel bauen, werden wir niedrige Mieten haben.
    Wohnungsbau in München: Dämmplatten werden über eine Baustelle gehoben.
    Eine Reform der Grundsteuer könnte den Neubau abwürgen (picture alliance / SvenSimon)
    Heckmann: Die Justizministerin Katarina Barley von der SPD, die hatte ja gesagt, es sei eine gute Idee, dass man die Grundsteuer nicht mehr auf die Miete umlegen kann, denn - auch ein Argument dafür - die Grundsteuer sei eine Eigentumssteuer und die hätte immerhin die Eigentümer zu bezahlen und nicht die Mieter.
    Mattner: Da, glaube ich, hat man nun wirklich das Steuerrecht nicht verstanden. Das Steuerrecht knüpft eben nicht an die Leistungsfähigkeit an. Das Steuerrecht knüpft an an das Objekt und was das Objekt für die Gemeinde zu bedeuten hat. Deswegen kann man die Umsetzbarkeit nicht auslassen. Im Gegenteil: Die rechtlichen Bedenken, die dagegen eingewandt werden, die gehen ja gerade dahin, dass die Grundsteuer dem Objekt anhaftet und umgelegt werden können muss.
    Wenn man auf die Leistungsfähigkeit abstellen würde, dafür gibt es doch die Einkommenssteuer und andere Mechanismen. Man darf im Grunde das Einkommen nicht doppelt besteuern, und das wäre der Fall, und damit kommt man wieder in die verfassungsrechtliche Problematik rein.
    Heckmann: Über den Streit zur Reform der Grundsteuer haben wir gesprochen mit Andreas Mattner. Er ist Präsident des Zentralen Immobilienausschusses. Schönen Dank, Herr Mattner, für das Gespräch und für Ihre Zeit an diesem Montagfrüh.
    Mattner: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.