Viren und viele Bakterien sind quasi Parasiten. Sie kümmern sich nicht selbst um ihre Energieversorgung und ihre Vermehrung, sondern nutzen die Kraft menschlicher Zellen für ihre eigenen Zwecke. Das ist einerseits sehr effektiv, auf der anderen Seite macht es die Erreger auch abhängig von ihrem Wirt. Und diese Abhängigkeit versuchen die Wissenschaftler zu nutzen.
Professor Tobias Meyer vom Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie forscht an Grippeviren und stellt immer wieder fest, wie schnell die sich verändern und damit die Bemühungen der Ärzte unterlaufen.
"Deswegen versuchen wir den anderen Weg, dass wir diesen Wirt so verändern, dass der Erreger gar nicht mehr dahin kommt. Und dann sollte eigentlich die Vermehrung völlig blockiert sein und der Erreger kann sich nicht mehr so schnell verändern und resistent werden dagegen."
Am gleichen MPI erforscht die Arbeitsgruppe von Doktor Marion Rother Chalmydien. Diese winzigen Bakterien vermehren sich im Inneren menschlicher Zellen.
"Wir wissen also, dass die Chalmydien strikt abhängig sind von der Wirtszelle und das macht es eben so wichtig zu untersuchen, welche Funktionen oder welche Gene von uns, von den Menschen dazu beiträgt, dass eine Chalmydien-Infektion stattfinden kann."
Eine Herkulesaufgabe
Eine Herkulesaufgabe, denn theoretisch könnte jedes der 24.000 menschlichen Gene für die Bakterien Vermehrung entscheidend sein. Mithilfe von Robotern und automatischen Mikroskopen ist es der Immunologin aber gelungen, sie alle durchzutesten. Dabei zeigte sich zum Beispiel, dass die Chalmydien auf einen bestimmten Baustein der Erbsubstanz angewiesen sind.
Stellen den die menschlichen Zellen nicht zur Verfügung, sterben die Bakterien. Ihre Wirtszellen werden dagegen nicht geschädigt, weil sie ihre DNA auch über einen anderen Weg aufbauen können. Hier bietet sich ein vielversprechender Ansatzpunkt für ein neues Medikament. Marion Rother erprobt derzeit eine ganze Reihe von Wirkstoffen, die die Chlamydien sozusagen aushungern, in dem sie bestimmte Prozesse in ihren Wirtszellen blockieren. Das ist aber nur eine der auf den Menschen gerichteten Therapiestrategien.
Professor Alan Sher, vom Nationalen Institut für Allergien und Infektionskrankheiten der USA will das menschliche Immunsystem so manipulieren, dass es effektiver gegen Tuberkulosebakterien vorgeht. Auch diese Erreger vermehren sich im Inneren von Zellen. Wenn die Zelle dann am Ende ihrer Kräfte ist, platzt sie und verbreitet die Bakterien weiter. Zellen können aber auch eine geordnete Selbsttötung vornehmen, das nennt sich Apoptose.
"Wir versuchen, das Immunsystem so zu beeinflussen, dass es die infizierten Zellen zur Apoptose treibt. Dann bleiben die Bakterien in kleinen Bläschen eingeschlossen wie in einem Sarg und können sich nicht ausbreiten."
Dazu hat Alan Sher erst einmal Interferone und bestimmte Chemikalien verwendet, die zwar in der Zellkultur einfach zu handhaben sind, die sich aber kaum als Medikament für die Versorgung vieler Patienten eignen. Deshalb hat die Arbeitsgruppe gezielt nach bereits bekannten Wirkstoffen gesucht, die die Apoptose beeinflussen..
"In diesem Fall haben wir ein Medikament gefunden, das eigentlich gegen schwere Asthmaanfälle eingesetzt wird. Wir haben gefragt hilft es auch gegen die Tuberkulose. So ein etabliertes Medikament hat natürlich einen großen Vorteil: Es ist bereits zugelassen, viele Vorversuche sind schon gemacht, wir müssen nur die Anwendung verändern."
Die Mausversuche sehen vielversprechend aus, jetzt wird eine Studie an Tuberkulosepatienten geplant.
Auf die richtige Strategie kommt es an
Das Immunsystem stärken oder den Erreger aushungern. Diese Strategien funktionieren nicht nur gegen Tuberkulose und Chalmydien, sondern auch gegen Viren wie HIV, Hepatitis C, Chikungunya oder Grippe. Auf der Berliner Konferenz herrschte Aufbruchsstimmung. Ärzte versuchen, ihren Patienten heute vor allem mit Medikamenten zu helfen, die Viren und Bakterien direkt schädigen. In Zukunft können sie wohl auch Wirkstoffe einsetzen, die den Körper gezielt so beeinflussen, dass er den Erregern einfach die Lebensgrundalge entzieht.